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Freistetters Formelwelt: Die Regel der drei

Die Lösung mathematischer Probleme hat manchmal etwas von Detektivarbeit. Kein Wunder also, wenn auch der größte aller Detektive ab und zu über Mathematik redet.
Die für den literarischen Meisterdetektiv Sherlock Holmes typischen Utensilien Pfeife, Lupe und karierte Mütze. Aus mysteriösen Gründen nicht im Bild: das Opium.

Mathematik spielt in literarischen Werken selten eine tragende Rolle, und auch in der Unterhaltungsliteratur findet man sie nur vereinzelt. Manchmal aber eben doch. So wie kürzlich, als ich wieder einmal eine Geschichte von Arthur Conan Doyle über Sherlock Holmes gelesen habe. Im Roman »Das Zeichen der Vier« von 1890 müssen Holmes und Watson eine verschollene Person suchen.

Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Dabei verfolgen sie die Fußspur eines Zeugen, der zuvor das Pech hatte in Kreosot zu treten, eine außerordentlich stinkende Substanz. Was die Ermittlung ziemlich einfach macht, wie Holmes anmerkt: »Wenn eine Koppel Hunde einem geschleiften Hering durch eine ganze Grafschaft nachzuspüren vermag, wie weit wird dann der besonders darauf dressierte Hund einem so scharfen Geruch folgen können? Das klingt wie eine Aufgabe in der Regeldetri.«

Hier versteckt sich eine mathematische Formel, die man aber erst aus ihrer literarischen Hülle schälen muss:

Im englischen Originaltext lautet der letzte Satz aus dem Zitat »It sounds like a sum in the rule of three«. In einer anderen deutschen Übersetzung wurde auf die Verwendung des seltsamen Wortes »Regeldetri« verzichtet und stattdessen heißt es dort »Das klingt wie ein einfacher Dreisatz«.

Und um genau das handelt es sich bei der Formel: Eine klassische Dreisatzrechnung – beziehungsweise eine Schlussrechnung, wie das in Österreich genannt wird. Diese mathematische Technik lernt man schon relativ früh im Schulunterricht kennen und kann damit diverse Proportionalitätsaufgaben lösen. Etwa: Wenn ich mit meinem Fahrrad bei konstanter Geschwindigkeit in 3 Stunden 70 Kilometer weit komme, wie weit schaffe ich es dann in 5 Stunden?

Regula de tri

Diese klassischen Textaufgaben wirken oft verwirrend, sind aber mit dem Dreisatz simpel zu lösen. Ich setze das Verhältnis von 3 Stunden zu 70 Kilometern gleich dem Verhältnis von 5 Stunden zu der noch unbekannten Strecke. Oder allgemeiner formuliert: a Einheiten der Größe A (Stunden) entsprechen b Einheiten der Größe B (Kilometer). Eine Einheit von A entspricht dann also b / a Einheiten von B. Und das multipliziere ich dann einfach mit den c Einheiten von A und erhalte mit der Formel x = c · b / a das gesuchte Ergebnis – was man auch einfach dadurch sehen kann, dass man die Formel oben entsprechend nach x auflöst.

Wer diese Beschreibung immer noch verwirrend findet, sollte am besten darauf verzichten einen Blick in das Lehrbuch zu werfen, aus dem der alte Name »Regula de tri« stammt. In seinem berühmten Buch »Rechnung auff der Linihen und Federn« von 1518 erklärt der Rechenmeister Adam Ries, was es damit auf sich hat:

»Ist ein Regel von dreyen dingen / Setz hinden das du wissen wilt / wird die Frag geheissen. Das jhm vnder den anderen zweyen am Namen gleich ist / setz forn / Vnd das ein ander ding bedeut / mitten. Darnach multiplicir das hinden unnd mitten durch ein ander / daß daraus kompt theile ab mit dem fordern / so hastu wie theuwer das dritte kompt / vnnd dasselbige ist am Namen gleich dem mitteln/«.

Okay, das ist vor allem deswegen unverständlich, weil die Sprache aus heutiger Sicht sehr altertümlich ist. Ries erklärt übrigens nicht, warum man Probleme mit dieser Regel lösen kann, nur dass man es kann. Den Dreisatz lediglich als Lösungsschema zu verstehen und die Mathematik dahinter zu ignorieren, ist aber nicht nur schade. Man läuft auch Gefahr, am Ende etwas als Dreisatz zu verstehen, was gar keiner ist.

So wie Sherlock Holmes in »Das Zeichen der Vier«: Ein Hund kann dem Geruch von Hering durch eine Grafschaft folgen. Wie weit kann ein Hund dem Geruch von Kreosot folgen? Das klingt tatsächlich wie ein Dreisatz. Ist aber natürlich keiner. Die Gleichung »Hering : Grafschaft = Kreosot : x« könnte wohl auch Sherlock Holmes nur unter Schwierigkeiten lösen.

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