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Angemerkt!: Dummes Design

Der plumpe Kreationismus ist out. Von der Sieben-Tage-Alternative zur Evolutionstheorie lassen sich heutzutage nur wenige Fanatiker begeistern. Aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten schwappt jedoch eine neue kreationistische Welle an die Gestaden des naturalistischen Weltbilds herüber - verborgen im "intelligenten Design".
Intelligent Design and Evolution Awareness Club
Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.

Ein schönes Bild. In sechs Tagen mal eben die Welt erschaffen, um sich danach genüsslich zu entspannen. Doch selbst der neue große Vorsitzende einer römischen Religionsgemeinschaft, der dank seiner modernen Ansichten geradezu frenetischen Beifall im Lande der Dichter und Denker genießt, möchte dieses Bild nicht allzu wörtlich auslegen – wenn auch seine Vorgänger bis 1992 brauchten, um anzuerkennen, dass Galileo Galilei vielleicht doch nicht ganz daneben lag. Aber dass die Erde am 23. Oktober des Jahres 4004 v. Chr. um Punkt 14.30 Uhr geschaffen wurde – wie es einst Erzbischof James Ussher berechnete –, halten heutzutage nur die wenigsten für bare Münze.

Aber der Kreationismus ist noch lange nicht tot. Er hat zwar beim großen Bruder jenseits des Atlantiks einige Rückschläge erlitten – wie die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von 1987, die Schöpfungsgeschichte vom naturwissenschaftlichen Lehrplan im US-Bundesstaat Louisiana zu verbannen. Doch ein Drittel der amerikanischen Schüler im Alter zwischen 13 und 17 Jahren hält die Darwin'sche Evolutionstheorie für eine von vielen Erklärungsmodellen unserer Welt, die auch nicht sonderlich gut begründet sei. Und einem weiteren Drittel fällt zum Namen Charles Darwin überhaupt nichts ein.

Auch bei den Ansichten über die Evolution des Menschen können Kreationisten durchaus Erfolge aufweisen: 38 Prozent der amerikanischen Teenager sind davon überzeugt, dass Homo sapiens vor ungefähr 10 000 Jahren von Gott erschaffen wurde; nur 18 Prozent können sich die Entstehung des Menschen auch ohne göttliche Kraft vorstellen.

Charles Darwin hat es also nach wie vor schwer. Das beginnt schon mit der weit verbreiteten Vorstellung über den Begriff "Theorie": Es handelt sich hierbei nicht – wie häufig kolportiert – um eine unbewiesene Behauptung – das wäre eine Hypothese –, sondern um ein wissenschaftliches Gedankengebäude. Und die Evolutionstheorie mit ihren zahlreichen Belegen aus den unterschiedlichsten Fachgebieten gehört wohl zu den am besten und sichersten begründeten Theorien, welche die Wissenschaft überhaupt zu bieten hat. Ohne Darwin wäre eine moderne Biologie schlicht nicht vorstellbar. Und dass seine Idee immer wieder ergänzt und erweitert wird, tut ihr keinen Abbruch – im Gegenteil.

Aber auch die Kreationisten können in den USA nicht, wie sie gerne möchten. Denn die amerikanische Verfassung verlangt die Trennung von Kirche und Staat – Religionsuntericht ist daher tabu. Deswegen müssen sich religiöse Fanatiker ein wissenschaftliches Mäntelchen geben, um in Schule und Hochschule ihr Unwesen zu treiben. Und das tun sie äußerst intelligent.

"Intelligent Design" nennt sich die Bewegung, die 1999 im sonnigen Kalifornien erblühte. Verhüllt in pseudowissenschaftlichem Kauderwelsch und unter Vermeidung jeglicher religiöser Sprache predigt sie von einem "intelligenten Designer", der das Wunder der Schöpfung kontrollierte. Wie dieser Designer dabei vorging, bleibt außen vor. Damit kann alles und nichts durch ihn erklärt werden – eine logische Widerlegung ist somit ausgeschlossen.

Nun hat natürlich jeder das Recht, nach seiner Fasson seelig zu werden und in seinem Kämmerchen sein Bild von der Erschaffung der Welt zu machen. Doch die ID-Propheten wollen mehr: Sie sehen ihre Lehre als – naturwissenschaftlich getarnte – Alternative zur Evolutionstheorie. Statt sich gegen den Unsinn zu wehren, wollen die meisten Wissenschaftler in den USA das heiße Eisen lieber nicht anpacken und schweigen. Mit fatalen Konsequenzen: Intelligent Design findet immer mehr Anhänger in amerikanischen Universitäten.

Doch auch bei uns trauen sich erste "intelligente Designer" aus der Deckung, wie das Beispiel von Wolf-Ekkehard Lönnig zeigt. Der Genetiker vom Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung präsentierte auf den Institutsseiten seine – vorsichtig formuliert – umstrittenen Thesen. Erst nach heftigem Protest sah sich sein Arbeitgeber im Jahr 2003 genötigt, die Inhalte von der Seite zu nehmen.

Lönnig ist sicherlich noch eine Ausnahme. Und der amerikanische Fanatismus in religiösen Fragen mag uns von der Geschichte leidgeprüften Europäer fremd sein. Doch schon so mancher Unsinn fand den Weg aus Amerika über den großen Teich. Und gegen Aberglaube ist auch unsere durch Technik und Wissenschaft geprägte Kultur nicht gefeit – im Gegenteil: Über 40 Prozent der Deutschen glauben an das glückbringende vierblättrige Kleeblatt; fast genauso viele messen dem zufälligen Vorbeisausen eines verglühenden Meteoriten eine Bedeutung zu.

Und seien Sie ehrlich: Versprach nicht heute Ihr Horoskop in der Fernsehzeitschrift eine freudige Überraschung?

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