Krebstherapie: Krebs zu behandeln ist Teamarbeit
Statistisch gesehen erkrankt fast jeder zweite Mensch im Lauf seines Lebens an irgendeiner Art von Krebs. Weil man selbst betroffen ist oder eine betroffene Person kennt, geht das Thema damit alle etwas an. Gleichzeitig wissen viele Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen sehr wenig über die Erkrankung. Was passiert dabei im Körper? Warum bekommt nicht jeder Krebs? Und wie individuell läuft eine Krebstherapie eigentlich ab? Diese und weitere Fragen beantwortet die Ärztin Marisa Kurz in ihrer Kolumne »Krebs verstehen«.
Wussten Sie, dass es mehr als 100 verschiedene Arten von Krebs gibt? Deshalb bestehen viele Möglichkeiten, eine Krebserkrankung zu behandeln. Von Operation über Bestrahlung bis hin zu medikamentösen Therapien: Einzelne Ärzte und Ärztinnen können die vielen Optionen meist nicht allein überblicken und durchführen. Deshalb suchen wir die passende Krebstherapie gemeinsam im Team aus – in so genannten Tumorboards.
Krebs ist nicht eine Erkrankung, sondern viele
In fast jedem Gewebe im Körper wie etwa im Darm, in der Lunge oder im Gehirn, aber auch in anderen Bereichen wie Knochen, Muskeln oder den Brustdrüsen kann Krebs entstehen. Diese Krebsarten unterscheiden sich in ihren Eigenschaften und sprechen auf unterschiedliche Therapien an. Zudem werden Krebserkrankungen nicht nur abhängig von ihrer Art, sondern auch abhängig von ihrer Ausbreitung im Körper unterschiedlich behandelt. Krebs ist also nicht eine einzige Erkrankung, sondern viele.
Manche Patienten entscheiden sich für radikale Krebsoperationen oder intensive Chemotherapien. Sie nehmen Funktionseinschränkungen wie einen künstlichen Darmausgang oder auch eine längere Zeit im Krankenhaus in Kauf
Zusätzlich schleichen sich durch innere Faktoren immer wieder Fehler ins Erbgut ein. Das passiert hauptsächlich dann, wenn sich Zellen vermehren. Dazu reproduzieren sie zunächst ihren Inhalt und teilen sich anschließend. Beim Verdoppeln des Erbguts kommt es teilweise zu Kopierfehlern. In der Regel haben diese keinen negativen Einfluss, doch manchmal sind sie die Ursache für die Krebsentstehung.
Therapien werden individuell ausgewählt
Auch Krebspatientinnen und -patienten sind nicht gleich. Manche haben Vorerkrankungen wie etwa eine Herz- oder Nierenschwäche, die die Therapiemöglichkeiten einschränken. Zudem haben einige Betroffene individuelle Wünsche: Manche entscheiden sich für radikale Krebsoperationen oder intensive Chemotherapien. Sie nehmen Funktionseinschränkungen wie einen künstlichen Darmausgang oder auch eine längere Zeit im Krankenhaus in Kauf. Andere ziehen mildere Therapien mit schwächerer Wirkung vor. Es gibt also nicht die eine Krebstherapie, die für alle passt. Krebstherapien sind meist individuell.
Diagnose und Behandlung von Krebs erfordern Teamarbeit
Um die geeignete Krebstherapie auszuwählen, kommen Fachleute unterschiedlicher medizinischer Fachbereiche häufig in so genannten Tumorboards oder Tumorkonferenzen zusammen. Dort besprechen sie den Patientenbefund und beraten gemeinsam, welche Therapie möglich und am vielversprechendsten ist. Eine besonders wichtige Rolle in diesen Besprechungen spielen Pathologen. Sie untersuchen Gewebeproben und stellen fest, ob ein Patient überhaupt an Krebs leidet. Radiologen und Nuklearmediziner sind die Spezialisten für bildgebende Verfahren und können ermitteln, wo sich im Körper eine Krebserkrankung ausgebreitet hat. Stehen die Diagnose und das Ausbreitungsstadium fest, besprechen die Spezialisten im nächsten Schritt, welche Therapien in Frage kommen. Chirurgen und Strahlentherapeuten überlegen, ob sie bösartiges Tumorgewebe an Ort und Stelle (lokal) chirurgisch oder durch hochenergetische Strahlung entfernen oder zerstören können. Onkologen oder andere onkologisch tätige Ärzte prüfen, ob alternativ oder zusätzlich eine Therapie notwendig ist, die im ganzen Körper (systemisch) wirkt. Dazu gehören unter anderem Chemotherapien, Immuntherapien und zielgerichtete Therapien. Krebspatientinnen und -patienten erhalten also häufig verschiedene Therapien und werden von mehreren Ärzten aus unterschiedlichen Fachbereichen behandelt.
Tumorboards für verschiedene Krebsarten
An großen spezialisierten Krebszentren gibt es sogar eigene Tumorboards zu bestimmten Krebsarten:
- gynäkologische Tumorboards beispielsweise bei Brust-, Eierstock- oder Gebärmutterhalskrebs,
- hämatoonkologische Tumorboards bei Blut- und Lymphdrüsenkrebs,
- gastrointestinale Tumorboards bei Krebs im Verdauungstrakt,
- urologische Tumorboards bei Krebs der ableitenden Harnwege und der männlichen Geschlechtsorgane,
- neuroonkologische Tumorboards bei Krebs im zentralen und peripheren Nervensystem,
- Kopf-Hals-Boards bei Krebserkrankungen aus dem Bereich Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,
- thorakale Tumorboards bei Krebserkrankungen der Lunge,
- dermatoonkologische Tumorboards bei Hautkrebs und
- molekulare Tumorboards, die die Ergebnisse von Erbgutuntersuchungen von Tumorgewebe der Patienten besprechen und versuchen, zielgerichtete Therapien auszuwählen, die an bestimmten Eigenschaften der Krebszellen ansetzen.
In diesen spezialisierten Tumorboards suchen die Expertinnen und Experten in interdisziplinären Teams nach geeigneten Therapieoptionen. Diese Optionen diskutieren sie im Anschluss mit den Patientinnen und Patienten und besprechen mögliche Risiken und Nebenwirkungen. Je nachdem, welche Therapie am Ende durchgeführt wird – etwa eine chirurgische, strahlentherapeutische oder systemtherapeutische –, werden die Betroffenen dann hauptsächlich in der jeweiligen Fachrichtung behandelt. Häufig laufen die Behandlungen aber auch parallel oder nacheinander.
Einige Fälle werden im Behandlungsverlauf mehrfach in Tumorboards besprochen, zum Beispiel, wenn Teilschritte einer Behandlung erfolgt sind und das weitere Vorgehen geplant wird oder wenn eine Therapie nicht den gewünschten Erfolg zeigt. Denn auch dann gibt es in der Regel noch weitere Behandlungsmöglichkeiten, und die Therapie wird umgestellt.
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