Freistetters Fomelwelt: Mit Mathematik zum sportlichen Erfolg
Die schnellste Zeit, die ich bis jetzt auf einer Strecke von zehn Kilometern gelaufen bin, liegt bei 39 Minuten und 45 Sekunden. Beim Marathon liegt meine Bestzeit bei 3 Stunden, 23 Minuten und 22 Sekunden. Mit beiden Zeiten bin ich sehr zufrieden. Die Mathematik sagt mir aber, dass da noch mehr zu erreichen wäre:
Diese Formel hat der amerikanische Ingenieur Peter Riegel im Jahr 1977 entwickelt, und sie wird bis heute im Ausdauersport verwendet, um Vorhersagen über die zu erwartende Laufzeit von Sportlerinnen und Sportlern zu treffen. Kennt man die Zeit T1 die auf einer Strecke D1 erreicht wurde, kann man damit berechnen, welche Zeit T2 auf einer Strecke D2 möglich ist.
Würde ich einen Marathon von Anfang bis Ende in exakt der gleichen Geschwindigkeit laufen können, in der ich auch die Zehn-Kilometer-Strecke absolviert habe, wäre ich nach 2 Stunden 47 Minuten und 43 Sekunden im Ziel. Das schaffe ich natürlich nicht, denn ein Marathon ist wesentlich anstrengender. Darum gibt es in der Formel von Peter Riegel auch noch den »Ermüdungsfaktor« k, der üblicherweise auf einen Wert von 1,06 gesetzt wird.
Wenn ich das in der Gleichung berücksichtige, dann sollte ich den Marathon eigentlich in 3 Stunden, 2 Minuten und 52 Sekunden laufen können – was allerdings knapp 20 Minuten schneller ist als meine tatsächlich Bestzeit. Ich bin also auf der langen Strecke deutlich langsamer, als ich es sein könnte; zumindest wenn man der Formel von Peter Riegel vertraut.
Das liegt daran, dass ich vermutlich nicht so fit bin wie die halbwegs professionellen Sportlerinnen und Sportler, für die diese Formel eigentlich gedacht ist. Der britische Läufer und Kolumnist Ian Williams hat daher aus einer öffentlichen Datenbank mit den Ergebnissen zahlreicher Hobbysportlerinnen und -sportler einen realistischeren Ermüdungsfaktor von 1,15 abgeleitet.
In diesem Fall läge meine vorhergesagte Marathonbestzeit bei 3 Stunden und 28 Minuten, also 5 Minuten über der tatsächlichen Zeit. Am Ende ist ein erfolgreiches Rennen eben doch keine Sache der reinen Mathematik. Dazu müsste man einen strikten Trainingsplan einhalten und am Tag des Rennens das Training nicht nur exakt umsetzen, sondern auch noch optimale Bedingungen haben. Für mich als Hobbysportler ist das aber selten der Fall. Oft kann ich nur dann trainieren, wenn mir die Arbeit und der Alltag Zeit dafür lassen und nicht dann, wenn es eigentlich nötig wäre. Manchmal hat man am Tag des Wettbewerbs Pech und andauernd Gegenwind. Oder ist schlicht und einfach nicht gut drauf.
Genau das ist es aber auch, was so ein Rennen spannend macht. Zumindest für mich, der ich definitiv nichts mit der eigentlichen Entscheidung im Ziel zu tun habe. Mir geht es nicht um den Sieg, sondern darum, mit den Bedingungen so gut wie möglich zurechtzukommen und zu probieren, das für mich an diesem Tag bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Die Mathematik und die Formel von Peter Riegel dient mir dabei als Orientierung und nicht als einzuhaltende Vorgabe. Sie hilft mir, einerseits keine völlig unrealistischen Ziele zu verfolgen und andererseits aber auch nicht komplett unambitioniert in ein Rennen zu gehen.
Wobei sich die Frage nach der Bestzeit bei mir momentan sowieso nicht stellt. Eine Muskelentzündung hat mich seit Anfang des Jahres 2019 gezwungen zu pausieren, und es ist nicht absehbar, wann ich wieder mit dem Laufen beginnen kann. Ich werde irgendwann mit dem Training wieder bei null anfangen müssen, und auch die beste mathematische Formel wird die Angelegenheit nicht weniger anstrengend machen. Aber Spaß am Laufen kann man ja eigentlich immer haben, gleich wie schnell man ist und wie sehr man sich dabei der Mathematik widmet.
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