Lobes Digitalfabrik: Per Selfie zum Designerbaby
Viele Paare wünschen sich sehnlichst ein Kind. Doch in nicht wenigen Fällen bliebe der Kinderwunsch unerfüllt, gäbe es nicht die moderne Reproduktionsmedizin. Kann eine Frau selbst kein Kind gebären, lässt sich durch Übertragung eines Embryos eine Schwangerschaft herbeiführen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: Zum Beispiel kann die Eizelle der Wunschmutter mit dem Samen des Partners oder eines Samenspenders befruchtet werden, oder eine gespendete Eizelle wird mit dem Samen des Partners befruchtet. In Deutschland ist die »Leihmutterschaft« (ein unglücklicher Begriff, suggeriert er doch, die Mutterschaft könne verliehen werden) gesetzlich verboten. In anderen Ländern wie etwa Spanien ist das ethisch umstrittene Verfahren zulässig. Die spanische Eizellenbank »Ovobank« hat nun eine App (»Ovomatch«) entwickelt, auf der man die »passende« Leihmutter per Selfie finden kann.
Zunächst gibt die Frau personenbezogene Daten wie Name, Alter und Wohnort an, dann folgen Angaben zum Phänotyp (Blutgruppe, Haarfarbe und so weiter). Im nächsten Schritt lädt die Frau ein Selfie von sich hoch, das von einem Gesichtserkennungsalgorithmus analysiert und mit »phänotypisch kompatiblen« Spendern in der Datenbank abgeglichen wird. »Ovomatch«, heißt es auf der Website, »scannt Referenzpunkte im Gesicht, um den Spender mit der größten Ähnlichkeit zu wählen.« So soll sichergestellt werden, dass die Leihmutter physische beziehungsweise physiologische Eigenschaften mit der Mutter teilt und die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass das Kind den Eltern optisch ähnelt. »Ein Selfie und eine App, so dass Babys dank der Eizellenspende wie ihre Eltern aussehen können«, wirbt Ovobank. Ein solches Verfahren ist ein Novum. Reproduktionsmedizin paart sich mit digitalen Technologien.
Man denkt bei der App unweigerlich an Aldous Huxleys »Schöne neue Welt«, wo mit Hilfe künstlicher Fortpflanzung und Konditionierung eine perfekt funktionierende Gesellschaft erschaffen wird. Und ein wenig fühlt man sich auch an die Debatte erinnert, die der Philosoph Peter Sloterdijk mit seiner Schrift »Regeln für den Maschinenpark« (1999) auslöste, in der er unter Rückgriff auf Heidegger von »Menschenzucht« und »Anthropotechniken« fabulierte.
Geht es in der digitalen Gesellschaft immer nur darum, den »perfect match« zu berechnen?
Der Ethikrat hat in einem Schaubild eine Art normativen Leitfaden veröffentlicht, wo alle wichtigen Pro- und Kontra-Argumente zur Leihmutterschaft aufgeführt werden. Den Wünschen und Rechten der Eltern ist in der Würdigung der Umstände ebenso Rechnung zu tragen wie dem Wohl des Kindes. Für eine Legalisierung der Leimutterschaft aus Sicht der Eltern spräche, dass auf diesem Weg (anders als zum Beispiel bei einer Adoption) die genetische Verwandtschaft möglich ist und ein so genannter »Fortpflanzungstourismus« verhindert würde. Das gewichtigste Gegenargument ist wohl, dass Schwangerschaft auf einen biologischen Produktionsprozess (Stichwort »Gebärmaschinen«) reduziert wird.
Doch als wäre die Leihmutterschaft nicht schon kontrovers genug, wird sie nun kombiniert mit einer Technologie, der Gesichtserkennung, deren Einsatz aus ethischer Sicht nicht minder problematisch ist. Das gilt bereits für »einfache« Gesichtserkennungssysteme, die im öffentlichen Raum installiert werden. Dass Überwachungskameras aus der Ferne Gesichter zuweilen ohne Einverständnis und Kenntnis der jeweiligen Person wie ein Kennzeichen erfassen und aus den biometrischen Daten Alter und Geschlecht ablesen, halten Datenschützer für eine flagrante Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Sogar Microsoft-Präsident Brad Smith warnte vor dem Einsatz KI-gestützter Gesichtserkennungstechnologie.
Die Verschaltung zweier ethisch umstrittener »Techniken« – Leihmutterschaft und Gesichtserkennung – verkompliziert die ethische Diskussion. Die Frage ist: Wie weit darf das Matching gehen? Darf man sich eine Leihmutter wie in einem Ikea-Katalog aussuchen? Dürfen Leihmütter von Maschinen gescreent werden, um auf ihre optische und physische Tauglichkeit überprüft zu werden? Wie steht es um das Recht des Kindes, wenn es im Mutterleib einer ähnlich aussehenden Frau aufwächst, die über einen digitalen Doppelgänger identifiziert wurde und als eine Art Simulakrum fungiert? Bis zu welchem Punkt darf das Soziale mathematisiert werden? Ab wann ist der Schritt zum Designerbaby getan?
Man gewinnt den Eindruck, als gehe es in der digitalen Gesellschaft – egal ob beim Tinder-Date oder der passenden Leihmutter – immer nur darum, den »perfect match« zu berechnen, als müsste das Leben ständig optimiert werden. Die krude Rhetorik von der »phänotypischen Kompatibilität« suggeriert, dass es genetische Informationsträger gäbe, die miteinander inkompatibel wären. Eltern, die aus biologischen Gründen keine Kinder bekommen können, hegen freilich den Wunsch, dass ihr Nachwuchs so aussieht wie sie selbst. Das ist legitim. Doch nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch ethisch gangbar.
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