Hatts dufte Welt: Täuschen und Tricksen mit unwiderstehlichen Düften
Für das Überleben der Art muss man sich ins Zeug legen. Und wenn die natürlichen Reize nicht ausreichen? Dann greift man eben zu Hilfsmitteln. Menschen haben die kleinen und großen Tricksereien perfektioniert. Doch Tiere und Pflanzen kennen optische Täuschungen und falsche Verlockungen ebenfalls: Ihre Welt lebt von Lockstoffen.
Manche Pflanzen imitieren Lockstoffe bestimmter Insekten, um diese anzulocken und eine bessere Bestäubung zu erreichen. Die Hummelorchidee (Ophrys holoserica) ist dafür ein gutes Beispiel. Mit ihrer Blüte ahmt sie sowohl den Hinterkörper und die Farbe einer bestimmten Hummelart nach wie deren Sexuallockstoff. Damit will sie ihre Chancen auf Bestäubung und optimale Befruchtung – und zwar innerhalb ihrer eigenen Orchideenart − verbessern.
Prachtbienen, die eng mit den Hummeln verwandt sind, machen es sich noch einfacher. Sie sparen sich die Duftproduktion. Stattdessen sammeln sie das Sexualparfüm bei den Blüten ein und nutzen ihren Besuch auch gleich, um allen anderen einen duftenden Fußabdruck zu hinterlassen: Ich war schon da, hier ist nichts mehr zu holen.
Duften nach der Uhr
Nicht ganz so spezifisch, aber nicht weniger effektiv sind Pflanzen, die die Lockstoffproduktion an die Flugzeiten der bestäubenden Insekten angepasst haben. So duftet das Geißblatt (Dictamnus albus) nur gegen Abend, wenn die dämmerungsaktiven Schwärmer unter den Schmetterlingen unterwegs sind, die mit ihren langen Rüsseln seine Blüten bestäuben. Vorlieben für bestimmte Düfte werden zudem zur Effizienzsteigerung genutzt. Das kann der honigartige Duft der Lindenblüten sein oder der Duft nach gärenden Früchten des Aronstabs. Letzterer lockt vor allem Fruchtfliegen an. Bis diese den Schwindel bemerken, hat die Pflanze bereits ihren Pollen angeheftet, und er wird mit den Insekten zur nächsten Blüte weitergetragen.
Der fäkalienartige Duft der Stinkmorchel oder die an verrottetes Fleisch erinnernden Ausdünstungen des Weißdorns, der faulige Geruch von Aasblume oder Südamerikanischer Orchidee (Satyrium pumilum) machen die Pflanzen für alle Insekten attraktiv, die Aas fressen (Nekrophagen) oder ihre Eier dort ablegen. Das können Fleischfliegen sein, aber auch Stubenfliegen und viele Käferarten. Das Duftimitat der betrügerischen Pflanzen wirkt dabei so echt und unwiderstehlich, dass die Insektenweibchen sie mit einer Tierleiche – und damit einem perfekten Eiablageplatz – verwechseln. Über Geschmack lässt sich schon bei Insekten nicht streiten.
Dann gibt es noch Insekten fressende Pflanzen wie den Sonnentau, die Venusfliegenfalle oder die Kannenpflanze, die spezielle Duftstoffe produzieren und damit Insekten in die Falle locken. Noch raffinierter sind die Männchen mancher Schmetterlingsarten wie etwa des Kohlweißlings, der nach der Kopulation das Weibchen mit Methylsalicylat besprüht. Dieser Duftstoff ist für weitere Männchen ein deutliches Signal: Annäherung unerwünscht, das Weibchen ist schon befruchtet, also schwirrt gefälligst ab!
No sex, please!
Dieses »Antiviagra« für Schmetterlinge könnte vielleicht in Zukunft eingesetzt werden, um in einer Region alle Weibchen unattraktiv zu machen, auch die noch unbefruchteten. Bereits genutzt werden Sexualpheromone von Schädlingen wie dem Borkenkäfer oder dem Traubenwickler im Weinbau, allerdings in etwas anderer Funktion. Hier fängt man die Männchen mit Pheromonfallen, die mit dem entsprechenden Sexualduft gefüllt sind, da man möglichst viele von ihnen aus dem Verkehr ziehen will.
Außerdem dient die Anzahl gefangener Männchen pro Tag als Information. So kann man den Einsatz von Insektiziden gezielt durchführen und auf einen möglichst kurzen Zeitraum beschränken. Inzwischen sind auch die Sexualpheromone bekannt, die die Weibchen von häuslichen Schädlingen produzieren, wie die von Lebensmittel- und Kleidermotten. Hier nutzt man ebenfalls Pheromonfallen, um die Männchen anzulocken und zu fangen. Dabei sollten aber die Fenster immer geschlossen bleiben, denn sonst besteht die Gefahr, dass der Sexualduft Tiere von draußen in die Wohnung lockt.
Woher kommt »süßes Blut«?
Durch den Klimawandel gibt es auch bei uns immer mehr Mückenplagen. Mittlerweile sind bei uns neben Stechmücken krankheitsübertragende Mückenarten aus südlichen Bereichen heimisch, die Malaria, Fieber oder die Schlafkrankheit transportieren. Bei der Bekämpfung dieser Tiere helfen die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Riechen ebenfalls. So wurden bereits »Duftblocker« entwickelt, die das Riechvermögen der Tiere drastisch reduzieren.
Zudem hat man erforscht, warum etwa 20 Prozent der Menschen starke Mückenmagnete sind und bevorzugt gestochen werden. Eine genetische Disposition ist schuld: Normale Stechmücken stehen vor allem auf Kohlendioxid (CO2), und je mehr davon eine Person durch die Atmung freisetzt, desto attraktiver wird sie für die Mücken (das gilt übrigens genauso für Tiere). Bis zu 50 Meter weit kann die Mücke ihr Opfer riechen.
Besonders betroffen sind Schwangere und Menschen der Blutgruppe 0, zumindest zeigen dies Versuche mit der Asiatischen Tigermücke. Entscheidend scheint dabei unter anderem der Einfluss der Hautbakterien zu sein, die über ihren Stoffwechsel unterschiedliche Duftstoffe produzieren. Je größer die Population von Mikroorganismen auf der Haut, desto anfälliger wird der Mensch für Mückenstiche.
Da sich der menschliche Schweiß aus mehr als 400 Duftstoffen zusammensetzt, ist es bisher noch nicht gelungen, die genaue Essenz zu finden, die Mücken abhält oder anzieht. So werden uns die unzulänglichen Antibrumm-Mittel und der quälende Juckreiz nach sommerlichen Abenden noch eine Weile begleiten.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben