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Lexikon der Astronomie: scheinbare Größe

Objekte am Himmel haben eine bestimmte Entfernung zum Beobachter auf der Erde. Himmelskörper erscheinen umso kleiner, je weiter sie entfernt sind. Die von der Entfernung abhängige Ausdehnung nennt man in der Astronomie scheinbare Größe. Sie wird im Gradmaß in Einheiten von Grad, Bogenminute und Bogensekunde angegeben.

Triangulation der scheinbaren Größe aus Distanz und Radius

Größe am Himmel

Die Abbildung oben illustriert, wie man die scheinbare Größe eines Objekts aus dessen tatsächlichen Radius R und der Objektdistanz d mittels der trigonometrischen Tangensfunktion berechnet. Grad, Bogenminute und Bogensekunde sind gewissermaßen die natürlichen Längeneinheiten von Beobachtern, während Theoretiker spezielle Längeneinheiten haben, die dem Problem bzw. der Skala angepasst sind. Theoretiker haben so vielfältige Längeneinheiten wie beispielsweise Gigalichtjahr, Mpc, kpc, Parsec, Lichtjahr, Lichttag, Gravitationsradius, Schwarzschild-Radius, Lichtstunde, Astronomische Einheit, Sonnenradius, Lichtsekunde, cm, Fermi, Planck-Länge etc.

Wie scharf darf's sein?

Die hochauflösende, moderne Astronomie erfordert eine weitere Unterteilung der Bogensekunde: So gibt die Millibogensekunde (Abkürzung mas für milliarcsecond) den tausendsten Teil einer Bogensekunde an, und Mikrobogensekunde (Abkürzung μas, μ ist das kleine grch. m, für microarcsecond) entspricht einer Millionstel Bogensekunde.

Zahlenbeispiele

Der Vollmond hat im Gradmaß einen (mittleren scheinbaren) Durchmesser von 31 Bogenminuten und 6 Bogensekunden oder 1866'', also etwas mehr als ein halbes Grad. Die Sonne hat einen scheinbaren Durchmesser von etwa 1914 Bogensekunden oder 31'54''. Beim Vergleich der scheinbaren Größen von Sonne und Mond fällt auf, dass sie recht nahe beieinander liegen. Dieser Zufall ermöglicht gerade Sonnenfinsternisse (Eklipsen), wo die Mondscheibe die Sonne abdeckt. Je nach aktuellem Abstand des Mondes zur Erde variiert die scheinbare Größe des Mondes geringfügig. Daher kann es totale oder ringförmige Sonnenfinsternisse geben (partielle Sonnenfinsternisse sind dort beobachtbar, wo sich der Halbschatten des Mondes befindet).
Jupiter, der größte Planet im Sonnensystem, erscheint je nach Abstand zur Erde und relativer Stellung (Opposition etc.) etwa bei einer Bogenminute.
Im Zentrum der Milchstraße, das mit der kompakten Radioquelle Sgr A* identifiziert wird, gibt es ein supermassereiches Schwarzes Loch von etwa drei Millionen Sonnenmassen. Der Abstand des Loches zur Erde beträgt etwa 8 kpc oder 26000 Lichtjahre. Es wird in unmittelbarer Nähe von einem Stern namens S2 in einem Abstand von 17 Lichtstunden umkreist. Entsprechend folgt nach einer kurzen trigonometrischen Berechnung, dass die Bahnellipse von S2 unter einem Durchmesser von etwa 30 Millibogensekunden oder 0.03'' am Firmament erscheint. Das ist bereits nahe an der aktuellen Auflösungsgrenze. Möchte man die scheinbare Größe des völlig schwarzen Ereignishorizonts des maximal rotierenden Schwarzen Loches im Zentrum der Milchstraße bestimmen, so wird es noch anspruchvoller für die Beobachter: Bei angenommenen Kerr-Parameter von eins, liegt der Ereignishorizont bei exakt einem Gravitationsradius oder bezogen auf eine vermutete Masse des Loches von 3 Millionen Sonnenmassen bei 4.4 Millionen Kilometern. In einer Entfernung von 8 kpc sieht man deshalb den kugelförmigen Horizont unter 7.4 Mikrobogensekunden. Diese scheinbare Größe ist geradezu winzig. Dennoch haben die Beobachter die Hoffnung, in naher Zukunft diese Schwärze des Schwarzen Loches vor dem hell strahlenden Hintergrund beobachten zu können. Dies käme einem direkten Nachweis eines Schwarzen Loches gleich!

  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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