Lexikon der Astronomie: Auflösungsvermögen
In der Astronomie ist das Auflösungsvermögen von astronomischen Instrumenten bedeutsam, weil es angibt, wie klein die Strukturen am Himmel sein können, die der Astronom noch abbilden kann. Je höher das Auflösungsvermögen, umso schärfer ist der Blick und umso engere Punkte können noch als getrennt wahrgenommen werden.
Einheit
Astronomen geben das Auflösungsvermögen im Gradmaß an, also in Grad (°), Bogenminuten ('), Bogensekunden (''), Millibogensekunden (mas) oder gar Mikrobogensekunden (μas). Dabei gilt:
Berechnung
Das Auflösungsvermögen eines optischen Systems hängt einerseits von der verwendeten Strahlung ab und andererseits vom Instrument – das ist wie in der Mikroskopie. Gesucht ist der minimale Winkelabstand θ, unter dem zwei Punktquellen am Himmel noch getrennt voneinander beobachtet werden können.
Die Gleichung oben folgt aus der Beugungstheorie der Optik für kreisrunde Öffnungen und gibt das theoretische Auflösungsvermögen (Rayleigh-Kriterium) an. Hier sind λ die Wellenlänge der Strahlung des Objekts, das beobachtet wird und D die Öffnung des Teleskops. Der Faktor 1.22 ist gerade die Nullstelle der Besselfunktion, die das Beugungsmuster hinter einer kreisrunden Öffnung (so genanntes Fraunhofer-Beugungsmuster) bestimmt. Überlappen sich die Beugungsmuster zu sehr, kann man die Beugungsbilder der Quellen nicht mehr voneinander trennen.
Erdgebundene Teleskope erreichen diesen theoretischen Idealwert leider nicht, weil die Turbulenzen in der Erdatmosphäre das Bild der Quelle verschmieren. Erstaunlicherweise gilt diese Gleichung auch in der Radioastronomie, obwohl hier die Detektion der Strahlung ganz anders funktioniert (Anregung eines Dipols).
Zahlenbeispiele
In der Optik kann man folgende Auflösungsvermögen für unterschiedliche optische Beobachtungsinstrumente angeben:
- Menschliches Auge: unterhalb einer halben Bogenminute bzw. 25''
- Historisches Fernrohr Galileo Galileis (um 1600): 3''
- Moderne, erdgebundene Teleskope: wenige Zehntel Bogensekunden mit adaptiver Optik. Das Seeing, also die turbulenten Bewegungen in der Atmosphäre, begrenzen die Auflösung. Der Lichtstrahl 'springt' auf der Detektorfläche durch zufällige Brechungs- und Beugungseffekte in der Atmosphäre hin und her (siehe auch Laserleitstern).
- Weltraumteleskope wie Hubble (Hubble Space Telescope, HST) erreichen die höchste Auflösung im optischen Bereich der Strahlung, nämlich etwa 0.05'' oder 50 mas.
(Die Angabe entspricht dem scheinbaren Abstand zweier Bildpunkte, der vom jeweiligen Instrument gerade noch getrennt werden kann.)
Scharfer Blick auf Pluto
Eine Demonstration des ungeheueren Auflösungsvermögens des HST zeigt das Foto rechts: Hier sieht man Pluto, der vormals am weitesten entfernte Planet, der mittlerweile zur Gattung der Zwergplaneten gehört. Der schwächere Lichtpunkt rechts ist Plutos größter Mond Charon. Die beiden Scheiben der Himmelsobjekte wurden klar voneinander getrennt und haben einen Abstand am Himmel von nur 0.9 Bogensekunden. Dies entspricht in gewohnten Längeneinheiten knapp 20000 Kilometern. Die Beobachtung zeigt eindrucksvoll, wie sehr sich Pluto und Charon ähneln und dass Pluto etwa den doppelten Durchmesser von Charon aufweist (Credit: Albrecht et al. 1994, ESA/ESO/NASA).
Weltmeister Radioastronomie
Die Technik im Radiobereich ist schon weiter vorangeschritten. Hier nutzt man Verfahren der Apertursynthese und schaltet die Sammelleistung von Einzelteleskopen (engl. single dish) zusammen. In der Radiointerferometrie gelingt dann eine Auflösung von kosmischen Radioquellen (z.B. Galaktisches Zentrum, Radiojets von Aktiven Galaktischen Kernen) bis in den Mikrobogensekundenbereich hinein! So schafft das Very Large Array bei der höchsten Frequenz von 43 GHz eine Auflösung von 40 mas. Mit VLBI, also einem Zusammenschluss vieler Radioteleskope weltweit, lässt sich das zur Auflösung von Mikrobogensekunden steigern.
Die optischen Teleskope eifern der Apertursynthese der Radioastronomie nach. Es war gerade das Primärziel des VLT-Projekts die vier Teleskope der 8m-Klasse (und ein paar kleinere Hilfsteleskope) zusammenzukoppeln, um optische Interfermetrie mit hoher Auflösung zu betreiben. Dies läuft unter dem Begriff VLTI und ermöglicht erdgebunden Teleskopen, mit dem HST zu konkurrieren: Das Auflösungsvermögen liegt dann auch im Millibogensekundenbereich.
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