Lexikon der Biochemie: Immunassays
Immunassays,Immuntests, Tests, die sich die spezifische Wechselwirkung zwischen einem Antigen und seinem Antikörper zunutze machen, um die Gegenwart oder die Konzentration von einem der beiden zu bestimmen. Die Detektion und Quantifizierung eines Antikörpers wird am einfachsten mit Hilfe des reinen oder fast reinen Antigens durchgeführt. Wenn nur unreines Antigen zur Verfügung steht, kann es notwendig sein, den Test mit einem zweiten Verfahren zu ergänzen, wie z. B. der Immunpräzipitation oder dem Immunblotting, um die Fähigkeit des Antikörpers (besonders eines polyklonalen), das richtige Antigen vom Hintergrund zu unterscheiden, zu verstärken. Der verwendete Antikörper kann polyklonal (idealerweise affinitätsgereinigt) oder monoklonal sein.
Die I. können in drei Schritte unterteilt werden: 1) die Antikörper-Antigen-Reaktion, 2) die Abtrennung des Antikörper-Antigen-Komplexes von anderen Komponenten der Reaktionsmischung, insbesondere von ungebundenen Antikörpern und Antigenen, und 3) die Messung der Antwort. Für die Antikörper-Antigen-Reaktion sind zwei Konfigurationen möglich: a) die Präzipitation eines Reaktanden mit einem Überschuss des anderen, oder b) die Konkurrenz zwischen bekannten Mengen des Antikörpers oder Antigens und dem Material, das untersucht werden soll (eine unbekannte Menge an Antigen oder Antikörper). So kann ein Test auf Antikörper durchgeführt werden, durch a) die Verwendung von Antigen im Überschuss oder b) die Konkurrenz eines markierten Antikörpers bekannter Menge und eines unmarkierten Antikörpers unbekannter Menge um ein Antigen, das in einer bestimmten Menge vorliegt. In ähnlicher Weise kann der Test eines Antigens erfolgen durch a) die Verwendung des Antikörpers im Überschuss oder b) die Konkurrenz eines markierten Antigens bekannter Menge und eines unmarkierten Antigens unbekannter Menge um einen Antikörper, der in einer bestimmten Menge vorliegt.
Um die Abtrennung des Antikörper-Antigen-Komplexes zu ermöglichen, können der Antikörper (zum Test des Antigens) oder das Antigenprotein (zum Test des Antikörpers) an einem festen Trägermaterial immobilisiert sein. Das feste Trägermaterial a) Nitrocellulose, b) Polyvinylchlorid oder c) Polystyrol kann die Wand des Reaktionsgefäßes sein (z. B. die Mulde der Mikrotitrationsplatte), oder es kann in Form einer dünnen Schicht oder eines Bettes vorliegen.
Zur Messung der Antikörper-Antigen-Wechselwirkung benutzt man markierte Antikörper, markierte Antigene oder Sekundärreagenzien (z. B. Anti-Antikörper, die der Reaktionsmischung nach der Bildung des Antikörper-Antigen-Komplexes zugegeben werden). Für Immunassays wurden von Anfang an radioaktive Markierungen verwendet. Der γ-Strahler 125I (t1/2 = 59,6d) wird häufig zur Markierung der Phenylgruppe von Tyrosinresten in Antikörpern und proteinhaltigen Antigenen eingesetzt. Außerdem werden auch Antikörper und Antigene verwendet, die auf chemischem oder biosynthetischem Weg mit β-Strahlern wie 3H (t1/2 = 12,4a), 14C (t1/2 = 5.730 a), 35S (t1/2 = 87,4d) und 32P (t1/2 = 14,3d) markiert sind. In neuerer Zeit finden zur Markierung von Antiköpern, Antigenen und Sekundärreagenzien Enzyme und fluoreszierende Verbindungen Verwendung. Am häufigsten werden die Enzyme Meerrettichperoxidase, alkalische Phosphatase und β-Galactosidase eingesetzt, die kovalent an den Antikörper oder das proteinhaltige Antigen gekoppelt werden, indem Glutaraldehyd als Linker zwischen den Enzym-NH2-Gruppen und den Antikörper/Antigen-NH2-Gruppen fungiert. Für den Immuntest mit Hilfe der Meerrettichperoxidase wird diese mit 3,3',5,5'-Tetramethylbenzidin und H2O2 inkubiert und nach Ansäuerung die Absorption des gelben Produkts bei 450 nm gemessen. Bei Verwendung der alkalischen Phosphatase wird zunächst eine Inkubation mit p-Nitrophenolphosphat bei pH 9,5 durchgeführt und anschließend die Absorption des Produkts bei 400 nm bestimmt. Die β-Galactosidase wird mit o-Nitrophenyl-β-D-galactopyranosid inkubiert und dann die Absorption des gelben Produkts bei 410 nm gemessen. Die am häufigsten verwendeten fluoreszierenden Verbindungen sind Fluorescein (Anregung 495nm, Emission 525nm), Tetramethylrhodamin (Rhodamin B; Anregung 552nm, Emission 570 nm), Sulforhodamin 101, saures Chlorid (Texasrot; Anregung 596nm, Emission 620 nm) und Phycoerythrine (Anregung ~545nm, Emission ~575nm). Bei der Markierung mit Isothiocyanatderivaten von Fluorescein und mit Tetramethylrhodamin werden mit den freien Aminogruppen der Antikörper und Antigene Thiocarbamidobindungen gebildet. Die fluoreszenzmarkierten Verbindungen werden spektrofluorometrisch getestet, indem eine geeignete Wellenlänge zur Anregung verwendet und die Intensität der emittierten Fluoreszenzstrahlung gemessen wird.
Unabhängig von der eingesetzten Markierung kann die Anwort der Antikörper-Antigen-Wechselwirkung verstärkt werden, indem man sich die Affinität der Proteine Avidin oder Streptavidin zu Biotin zu Nutze macht (ABC-Technik).
Der weite Bereich verfügbarer I. kann unterschiedlich klassifiziert werden. Nach E. Harlow u. D. Lane werden die I. in drei Klassen unterteilt: 1) Antikörper-Einfang-Assays, 2) Antigen-Einfang-Assays und 3) Zwei-Antikörper-Sandwich-Assays. Jede dieser Klassen wird in vier Unterklassen unterteilt, in Abhängigkeit davon, ob der Test bei Antikörperüberschuss, Antigenüberschuss, Antikörperkonkurrenz oder Antigenkonkurrenz durchgeführt wird [Antibodies: a laboratory manual 1988, S. 553-612, Cold Spring Harbor Laboratory]. In wissenschaftlichen Berichten wird jedoch gegenwärtig die Klassifizierung nach dem Komponentensystem angewandt. Dieses basiert auf der Markierungsmethode, die für die Messung der Antikörper-Antigen-Bindungsantwort verwendet wird. Die Methoden lassen sich einteilen in 1) Immunassays unter Verwendung einer radioaktiven Markierung: a) Radioimmunassay mit kompetitiver Bindung (RIA, engl. radioimmunoassay) und b) Immunradiometrischer Assay (IRMA, engl. immunoradiometric assay); 2) Immunassays unter Verwendung einer enzymatischen Markierung: a) Enzymimmunassay (EIA, engl. enzyme immuoassay) und b) enzymgebundener Immunsorbentassay (ELISA, engl. enzyme-linked immunosorbent assay); 3) Immunassays unter Verwendung einer Kombination von Radioisotopen- und Enzymmarkierungen: ultrasensitiver Enzymradioimmunassay (USERIA).
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