Kompaktlexikon der Biologie: Angst
Angst, Gefühlserlebnis hoher Fluchtbereitschaft bei Tier und Mensch. Dass Tiere bedrohliche Situationen auch subjektiv als Gefahr erleben, also „Angst“ im menschlichen Sinne haben, lässt sich zwar nicht letztendlich beweisen, jedoch zeigen Tiere bei Konditionierung auf Angst (z.B. durch das Verabreichen schwacher elektrischer Schläge) Reaktionen, die auch beim Menschen zu beobachten sind: Sie erstarren, Blutdruck und Puls steigen an und sie geraten schon bei geringsten Anlässen in Panik. Angst-Konditionierung lässt sich in fast allen Tiergruppen erreichen, sowohl bei Taufliegen und Meeresschnecken, als auch bei Fischen, Reptilien und Vögeln und natürlich bei Säugetieren. Beim Menschen äußert sich A. als Stimmung oder Gefühl der Beengtheit und Bedrohung, das mit einer Verminderung oder Aufhebung der willens- und verhaltensmäßigen Steuerung der eigenen Persönlichkeit einhergeht. Körperliche Symptome der A. sind neben individuellen Besonderheiten vor allem schnelle Atmung, Herzklopfen, Magenverstimmung, Schwindelgefühl, Durchfall, Harndrang, Atemnot, Erröten, Schwitzen, Zittern und Schwäche. Diese physiologischen Reaktionen sind Folge einer Aktivierung neuronaler Netzwerke der Großhirnrinde, die sich ins limbische System ausweitet und zur Aktivierung des zentralen und peripheren noradrenergen Systems führt. Die Ausschüttung von Noradrenalin fördert diese Reaktion weiter. In der Folge kann ein sich aufschaukelndes Erregungsmuster entstehen, das über den Hypothalamus zur vermehrten Ausschüttung von Vasopressin (antidiuretisches Hormon) und Corticotropin Releasing Hormon zur Freisetzung von adrenocorticotropem Hormon (ACTH) und β-Endorphin führt. ACTH wiederum stimuliert die Cortisol-Produktion der Nebennierenrinde und Cortisol wirkt seinerseits hemmend auf einzelne Schritte dieser Reaktionsfolge. Grundsätzlich hilft diese Reaktion bei der Bahnung neuer Bewältigungsstrategien in wie auch immer gearteten Stressreaktionen. Erst wenn alle Bewältigungsstrategien eines Individuums versagen und somit der Stress bzw. die daraus entstehende Angst unkontrollierbar werden, setzt eine dauerhaft vermehrte Cortisol-Produktion ein, die dazu beiträgt, Bewältigungsstrategien im Gedächtnis zu löschen, was auch den positiven Effekt haben kann, dass nach neuen Strategien gesucht wird. Ergebnisse von Experimenten weisen darauf hin, dass der Mandelkern eine herausragende Rolle bei der Angst-Konditionierung und der Speicherung von mit A. besetzten Gedächtnisinhalten inne hat. (Depression)
Literatur: Hüther, G.: Biologie der Angst. Wie aus Stress Gefühle werden, Göttingen 1997. – Spektrum der Wissenschaft Dossier: Neurobiologie der Angst, Heidelberg 1999
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