Lexikon der Biologie: Barbiturate
Barbiturate, Diureide, dosisabhängig sedierend, hypnotisch oder narkotisch wirkende Salze der Barbitursäure oder ihrer Derivate ( vgl. Abb. ), die als Hypnotika, Sedativa, Narkotika und Antiepileptika Verwendung finden ( vgl. Infobox ). Im Gegensatz zu den Benzodiazepinen haben die Barbiturate keine muskelrelaxierende Wirkung. Die verschiedenen Barbiturate bzw. Barbitursäurederivate entstehen durch Substitution der Wasserstoffatome am C5 und an den Stickstoffatomen der Barbitursäure. Durch Kettenverlängerung des Substituenten am C5 wird die Wirkung der Barbiturate verstärkt. Eine weitere Wirkungsverbesserung kann durch Substitution an den Stickstoffatomen mit Methylgruppen oder Phenylgruppen oder durch das Ersetzen der C=O-Gruppierung am C2 durch C=S ("Thiobarbiturate") erreicht werden. Die Wirkdauer der Barbiturate ist ebenfalls abhängig von der Substitution. Barbiturate mit verzweigten, halogenierten und ungesättigten Seitenketten wirken nur kurz, Barbiturate mit unverzweigten, aromatischen und gesättigten Substituenten sind hingegen lange wirksam. Auch die Substituierung der Stickstoffatome verkürzt die Wirkdauer. Wasserlösliche Barbiturate verlassen den Körper renal fast unverändert, fettlösliche Barbiturate (z. B. Phenobarbital, Barbital) werden hingegen ins Fettgewebe eingelagert oder im endoplasmatischen Reticulum der Leberzellen metabolisiert. Durch Demethylierung oder Desulfurierung einiger Barbiturate entstehen Metabolite, die zum Teil noch hypnotisch wirksam sind. Oxidationsprodukte der Barbiturate sind in der Regel unwirksam und werden rasch renal eliminiert. Mit steigender Lipophilie (lipophil) der Barbiturate tritt die narkotische Wirkung schneller ein. Barbiturate werden als schwache organische Säuren schon im Magen resorbiert, da sie bei dem niedrigen pH des Magens in der nicht ionisierten und damit in der lipidlöslichen Form vorliegen. Im Blut werden die Barbiturate zum Teil frei und zum Teil an Albumin gekoppelt transportiert. Die nicht ionisierte Form der Barbiturate ist in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu durchdringen. Barbiturate binden an den GABA-Rezeptor (GABA-Rezeptor-Kanäle), wodurch der Cl–-Kanal bei Stimulation durch GABA länger offenbleibt. In welcher Hirnregion die Barbiturate bevorzugt binden, ist noch unklar und scheint dosisabhängig zu sein. Barbiturate sind auch Antagonisten an Adenosin-A1-Rezeptoren. Zusammengefaßt bewirken sie eine generelle Sedation des Zentralnervensystems. Sie verkürzen den REM-Schlaf sowie den Tiefschlaf, wohingegen das Stadium 2 des Nicht-REM-Schlafs verlängert wird. Nur zu Beginn der Therapie wirken die Barbiturate schlafinduzierend und schlafverlängernd. Bei längerer Anwendung geht dieser Effekt verloren. Dies beruht wahrscheinlich teilweise auf einer durch Enzyminduktion (Induktion) entwickelten Toleranz gegen die Barbiturate. Es werden aber auch adaptive Vorgänge im Zentralnervensystem (Beeinflussung der Transmitter-Rezeptor-Wechselwirkung; Neurotransmitter) diskutiert. Ein abruptes Absetzen der Barbiturate nach längerem Gebrauch hat einen REM-Rebound zur Folge, d. h., während des Schlafs werden vermehrt REM-Phasen durchlaufen, die oft mit Alpträumen verbunden sind. Aufgrund der Toleranzentwicklung, der Gefahr des Mißbrauchs (wegen der Entstehung psychischer und physischer Abhängigkeit; Sucht), starker Nebenwirkungen sowie bewußter (Suizid) oder unbewußter Intoxikation werden Barbiturate heute nur noch selten als Hypnotika verwendet (Ersatz durch Benzodiazepine). Während in den USA Barbiturate noch relativ häufig in niederen Dosen als Tranquilizer verordnet werden, werden sie in Deutschland nur noch bei hartnäckigen Schlafstörungen verwendet. Eine akute Barbituratvergiftung manifestiert sich durch Berauschtheit, Bewußtlosigkeit, Kreislaufschwäche, Kreislaufversagen, Atem- und Herzstillstand. Die Überlebenschancen bei einer solchen Intoxikation sind abhängig von der Dosis und der Art des verwendeten Barbiturats sowie von einer schnellen Diagnose. Meist werden neben einer Magenspülung Barbiturat-Antagonisten (zentral erregende Substanzen) sowie Pharmaka zur Beseitigung der Symptome bei der Behandlung der Barbituratvergiftung verwendet. Eine chronische Intoxikation mit Barbituraten besitzt eine Symptomatik, die der des Alkoholismus oder des Morphinismus (Morphin) ähnelt (Apathie, Antriebsschwäche, erhöhtes Schlafbedürfnis, Konzentrationsschwäche). Beim Absetzen der Barbiturate treten Entzugserscheinungen auf, die bis zu Epilepsie-artigen Anfällen (Epilepsie) führen können. Fischer (E.H.), Mering (J. von), Weese (H.).
S.G.
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