Lexikon der Biologie: Kurzflügler
Kurzflügler, Raubkäfer, Staphylinidae, Familie der polyphagen Käfer; weltweit ca. 25.000 Arten, in Mitteleuropa mit 2000 Arten die artenreichste Käferfamilie. Leicht an den stark verkürzten Flügeldecken (Elytren, Deckflügel) erkennbar, die den größten Teil des Hinterleibs unbedeckt lassen. Damit haben die Vertreter dieser Familie eigentlich das wieder aufgegeben, was den evolutiven Fortschritt der Käfer allgemein stark begünstigt hat, nämlich die zu Elytren umgebildeten Vorderflügel, die in Verbindung mit der übrigen starken Panzerung des Körpers den Käfern eine sehr gute Trutzform lieferten. Der Grund der Kurzelytrigkeit liegt in der Lebensweise. Als Bodenräuber entgehen sie der Konkurrenz der ähnlich lebenden Laufkäfer dadurch, daß sie im wesentlichen im Boden (Laufkäfer leben auf dem Boden) dem Beutejagen nachgehen. Da man im Boden zwischen den Bodenpartikeln entweder sehr klein oder langgestreckt sein muß, haben sich die Kurzflügler für letzteres „entschieden". Um langgestreckt und gut beweglich zu sein, mußten die Elytren verkürzt werden. Erst dadurch erhielt der Hinterleib seine Beweglichkeit wieder. Da viele Kurzflügler fliegen können, müssen sie ihre Hinterflügel in besonders kunstvoller Weise unter die kurzen Flügeldecken zusammenfalten. – Die meisten Vertreter sind kleiner als 5 mm. Nur wenige Arten werden über 1 cm oder gar über 3 cm groß, wie bei uns der Moderkäfer, Ocypus olens ( ä Käfer I ). Meist sind sie schwarz oder dunkelbraun gefärbt; manche Arten (z.B. an Pilzen jagende Oxyporus-Arten) sind rot-schwarz gefärbt. Auch frei am Ufer laufende Paederus-Arten sind rot-schwarz oder metallisch blau. Rote Elytren bei sonst schwarzem Körper sind weit verbreitet (Staphylinus-, Bryocharis- oder Bledius-Arten). Der Zottige Raubkäfer oder Gelbhaar-Moderkäfer, Emus hirtus (bis knapp 3 cm groß; ä Käfer I ), ist dicht zottig schwarz-gelb behaart und sieht dadurch im Flug wie eine dicke Hummel aus. Die meisten Kurzflügler sind Räuber, die im wesentlichen von anderen Insekten leben. Sie haben dazu einen prognathen Kopf mit zum Teil sehr kräftigen, oft gezähnten Mandibeln. Die Arten der Gattung Stenus sind tagaktive Räuber, die vor allem an Ufern von Gewässern leben. Sie haben große vorgewölbte Komplexaugen und fangen mit Hilfe einer durch Blutdruckerhöhung vorschnellbaren Unterlippe (Labium), an deren Spitze Klebdrüsen münden, vor allem Springschwänze ( ü vgl. Abb. ). Diese Zunge hat eine Reichweite von fast der Hälfte der Körperlänge. Stenus-Arten haben auch einen bemerkenswerten Fluchtmechanismus, wenn sie einmal auf eine Wasseroberfläche geraten sind. Durch Abgabe eines Sekrets aus Drüsen der Hinterleibsspitze wird die Oberflächenspannung des Wassers verringert; dadurch wird der Käfer mit erstaunlicher Geschwindigkeit vor dem sich ausbreitenden Sekret hergeschoben. Manche Arten sind Pollen- (fast alle Arten der Omaliinae) oder Pilzsporenfresser (die winzigen Gyrophaena-Arten). Die am Meeresufer lebenden Bledius-Arten betreiben sogar Brutfürsorge, indem sie und ihre Larven Algen in Brutröhren eintragen und fressen. Die überwiegende Mehrzahl aller Arten sind typische Bodenbewohner, die zum Teil tief in der Spreu leben. Wenige Arten sind Blütenbesucher (die meist relativ langelytrigen Omaliinae), leben unter der Rinde (z.B. Arten der Gattungen Nudobius oder Siagonium) oder in Pilzen (Gyrophaena und viele andere). Echte tief im Boden lebende und daher oft blinde Arten gibt es bei uns nur selten (Leptotyphlinae). Bei manchen Arten findet sich Symphilie mit Ameisen (Ameisengäste) oder Termiten (Termitengäste; ü vgl. Infobox ). Kurzflügler verteidigen sich oft mit Hilfe eines Sekrets einer Pygidialdrüse. Fangmaske, Wehrsekrete; Insekten III .
H.P.
Kurzflüger
1 Die 5 mm lange, rote bis schwärzliche Art Siagonium quadricorne jagt hinter Laubbaumrinden Borkenkäfer. 2Stenus bipunctatus,a mit vorgeschnellter Unterlippe („Zunge“), b mit gefangener Beute.
Manche Kurzflügler-Arten sind mit Ameisen oder außerhalb Europas mit Termiten vergesellschaftet (Symphilie). Bei uns sind dies vor allem Arten der Gattungen Lomechusa, Atemeles, Zyras, Pella oder Myrmoecia. Sie bieten ihren Ameisen Drüsensekrete an, die bei ihnen Pflegeverhalten auslösen. Die Sekrete werden oft über auffällige Haarbüschel an den Abdominaltergiten abgegeben, was den Tieren (insbesondere der Gattung Atemeles) den Namen Büschelkäfer eingebracht hat.
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