Lexikon der Biologie: Käfer
Käfer, Coleoptera, Ordnung der holometabolen Insekten mit 4 Unterordnungen ( ä vgl. Infobox , ä vgl. Tab. ), mit geschätzten 400.000–600.000 Arten die nach derzeitiger Kenntnis umfangreichste Ordnung überhaupt, davon in Mitteleuropa 6000–8000 Arten. Das Größenspektrum reicht von 0,25 mm (Nanosella, Gattung der Federflügler) bis 21 cm (RiesenbockTitanus giganteus aus Südamerika). Die Imagines sind in der Regel stark gepanzert (sklerotisiert). Alle Gelenkmembranen sind in die Tiefe verlagert, wodurch sie eine vor Austrocknung gut geschützte und gegen viele Freßfeinde gut gepanzerte Trutzform aufweisen. Besonders charakteristisch für die Käfer sind ( ä vgl. Abb. 1 ): 1) der vergrößerte Prothorax, dessen Dorsalseite (Notum) verbreitert und nach ventral umgeklappt ist (Halsschild = Pronotum); Sternum und Pleuren (Pleura) bilden einen verwachsenen Ring mit dem Pronotum. 2) Die Vorderflügel (Insektenflügel) bilden als Deckflügel (Elytren) einen Schutzschild über Metanotum und vor allem Hinterleib (Abdomen); ihr Adersystem ist vollständig reduziert. Beide Elytren sind in der Regel untereinander und mit dem Schildchen (Scutellum) verfalzt. Die Seitenränder sind nach unten als Epipleuren umgeschlagen. 3) Die Hinterflügel ( ä vgl. Abb. 2 ) sind die eigentlichen (einzigen) häutigen Flugorgane und werden, da sie aus flugtechnischen Gründen länger sein müssen als die Elytren und der Hinterleib, unter den Elytren in der Ruhe zusammengefaltet. Diese Faltungen bestimmen den Verlauf des modifizierten Adersystems. Sie können, etwa bei den Kurzflüglern, sehr kompliziert sein, da dort nur ein sehr kleiner Subelytralraum zur Verfügung steht. Ursprünglich bestanden die Faltungen lediglich aus Einrollen der Flügelspitzen (Archostemata, Myxophaga), bei höher entwickelten Vertretern werden sie mehrfach nach innen geklappt (Adephaga, Polyphaga). Der Metathorax ist gegenüber dem Mesothorax (Thorax) stark vergrößert, da er allein die hauptsächliche Flugmuskulatur (Flugmuskeln) beinhaltet. Beim Flug werden die Elytren entweder gespreizt und vibrieren lediglich beim Flug bei ähnlicher Frequenz, aber viel geringerer Amplitude, mit, oder sie werden, wie bei den Rosenkäfern und einigen Mistkäfern(Sisyphus, Gymnopleurus [Blatthornkäfer, Pillendreher]), bei der Entfaltung der Hinterflügel lediglich leicht angehoben, so daß sie auf dem Hinterleib liegen bleiben. Kurzflügler und Aaskäfer klappen die Elytren während des Flugs einfach nach oben. – Der Kopf ist meist prognath, bei Pflanzenfressern auch orthognath; ventral bildet eine Gula (Kehle) eine sklerotisierte Platte. Die Mundwerkzeuge sind meist einfach beißend-kauend, besonders die Mandibeln oft kräftig. Komplexaugen sind verbreitet, Stirnaugen bis auf wenige Ausnahmen (Kurzflügler [Unterfamilie Omaliinae], Speckkäfer,Derodontidae und eventuell Hydraenidae [Gattung Ochthebius]) reduziert. Die Fühler (Antennen) sind meist 11gliedrig, selten weniger- oder 12gliedrig. Der Hinterleib besteht aus meist nur 5–6 außen sichtbaren Sterniten; es handelt sich um die Sternite 3–8. Tergite und Pleurite liegen zusammen dorsal und werden von den Elytren überdeckt. Die Segmente 9 und 10 sind meist nach innen eingestülpt und modifiziert. Das 1. Segment fehlt meist; vom 2. Segment ist nur das Tergit und bei einigen Gruppen auch das Pleurit erhalten. Das 8. Tergit bildet oft einen als Pygidium bezeichneten hinteren Abschluß. Die Thorakalbeine (Extremitäten) sind meist als einfache Laufbeine ausgebildet. Sprungbeine (Hinterbeine) finden sich bei den Erdflöhen, Sumpfkäfern, Springrüßlern, Schwimmbeine bei den Schwimmkäfern und Wasserkäfern oder Grabbeine bei den Scaritini (Gruppe der Laufkäfer), bei fast allen Mistkäfern oder den Heteroceridae. Die Zahl der Tarsenglieder – meist sind es 5 – ist typisch für ganze systematische Gruppen. So haben alle Vertreter der Heteromera (heute oft als Tenebrionoidea bezeichnet) am Hinterbein nur 4 Tarsenglieder. Sehr verbreitet sind bei Käfern Stridulationsorgane (Stridulation), die an allen möglichen gegeneinander beweglichen Chitinteilen (Chitin) vorkommen können. Sie sind vielfach unabhängig in der Evolution der Käfer entstanden. Über die Bedeutung der Laute ist wenig bekannt. Sie stehen in nur wenigen Fällen im Dienst des Paarungsverhaltens. Meist werden sie als Stör- und Abwehrlaute gegenüber Feinden gedeutet. Leuchtvermögen findet sich bei den Leuchtkäfern und oft auch bei ihren Larven. Abwehrorgane sind als Drüsen bei vielen Käfern verbreitet: Laufkäfer, Kurzflügler und viele Schwarzkäfer haben Pygidialdrüsen (Bombardierkäfer), Weichkäfer besitzen Stinkdrüsen, viele Schwimmkäfer sind mit Prothoraxdrüsen ausgestattet, die steroidhaltige Sekrete abgeben. Marienkäfer und Ölkäfer sondern aus Kniegelenken giftige Sekrete ab (Coccinellin, Cantharidin). – Die Larven der Käfer sind sehr vielgestaltig und in ihrer Körperform der Art der Ernährung und dem Nahrungssubstrat angepaßt. Meist sind sie langgestreckt und weichhäutig und haben 3 gut entwickelte Laufbeine am Thorax und Pygopodien (Nachschieber) sowie Cerci-ähnliche Anhänge am Hinterleibsende. Diese sitzen am 9. Hinterleibssegment und werden daher als Urogomphi bezeichnet, um auszudrücken, daß sie wohl nicht den echten Cerci des 11. Segments homolog sind. Ursprüngliche Larven gehören dem campodeoiden Typ (Campodealarve), abgeleitete dem erucoiden Typ (eruciform) an. Doch finden sich auch asselförmige (Aaskäfer, Ameisenkäfer, Sumpfkäfer und andere), engerlingförmige (Engerling) bis hin zu apoden (apod) madenförmigen Larven. Die Mundwerkzeuge sind beißend-kauend, bei Schwimmkäfern und den Cerophytidae stechend-saugend. Die Fühler sind meist stark verkürzt, bei den Sumpfkäfern jedoch durch sekundäre Ringelung deutlich verlängert. Auf jeder Kopfseite stehen maximal 6 Stemmata. Die Atmung (Atmungsorgane) erfolgt entweder normal über alle Stigmen oder bei im Wasser lebenden Larven entweder nur über die letzten Stigmen (metapneustisch, Schwimmkäfer) oder über abdominale Tracheenkiemen (Taumelkäfer). Die Entwicklung geht über 3 oder mehr Larvenstadien (Metamorphose). Gelegentlich haben die Stadien verschiedene Gestalten (Polymetabolie, Hypermetabolie; Holometabola). Die Puppe ist meist eine freie Puppe (Pupa libera), seltener eine Mumienpuppe (Pupa obtecta; Marienkäfer, Blattkäfer, einige Kurzflügler). Die Verpuppung erfolgt entweder im Freien an Blättern (Blattkäfer, Marienkäfer) oder im Substrat in einer Puppenwiege oder einem Puppen-Kokon. – Entsprechend ihrem Artenreichtum sind die Käfer eine biologisch sehr vielfältige Gruppe (Details hierzu vgl. bei den Familien-Artikeln). Stammesgeschichtlich stellen die Käfer eine alte Gruppe der Holometabola dar, die fossil bereits aus dem unteren Perm (Südsibirien, Ural) bekannt ist. Die Schwestergruppe der Käfer stellen vermutlich die Neuropteroidea dar. Gliederfüßer, Gliedertiere, Insekten, Käferblütigkeit. ä Käfer I ä Käfer II , ä Aaskäfer , ä Blatthornkäfer , ä Blattkäfer I
ä Blattkäfer II
, ä Bockkäfer I
ä Bockkäfer II
, Homologie und Funktionswechsel bei Tieren , Homonomie , Insekten III .
H.P.
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Käfer
Abb. 1:
1 Bauplan, schematisch (Unterseite eines Sandlaufkäfers). 2 Rübenaaskäfer (Blitophaga undata): a–c erstes bis drittes Larvenstadium, d Puppe, e Käfer (Imago).
Em Epimeren (Pleurotergite), Es Episternen, Fl Flügeldecken-Epipleuren, Fu Fuß (Tarsus), 1.Gl. 1. Tarsalglied, 4.Gl. 4. Tarsalglied, Hb Hinterbrust (Metathorax), Hh Hinterhüfte (hintere Coxa), Hs Halsschild (Pronotum), Ki Kinn (Mentum), Kl Klauen (Unguis), Kt Kiefertaster (Palpus maxillaris), Lt Lippentaster (Palpus labialis), Mb Mittelbrust (Mesothorax), Mh Mittelhüfte (mittlere Coxa), Ok Oberkiefer (Mandibel), Pe Penis (Aedeagus), Sche Schenkel (Femur), Schi Schiene (Tibia), St Sternite, Uk Unterkiefer (Maxille), Vb Vorderbrust (Prothorax), Vh Vorderhüfte (vordere Coxa)
Käfer
Abb. 2: Hinterflügel eines adephagen Käfers. Die Modifizierung des Geäders gegenüber dem Grundtyp des Insektenflügels ist eine Folge der komplizierten Flügelfaltungen.
A Analader, Co Costa, Cu Cubitus, Me Media, Ob Oblongum, Ra Radius, Rs Radialsektor, Sc Subcosta
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