Lexikon der Biologie: Sonnenblume
Sonnenblume, Helianthus, in Amerika (insbesondere Nordamerika) heimische Gattung der Korbblütler mit etwa 70 Arten. Einjährige oder ausdauernde Kräuter mit einfachen oder an der Spitze ebensträußig verzweigten, zum Teil recht hohen Stengeln, ungeteilten schmallanzettlichen bis herzförmigen Blättern und endständigen, mittel- bis sehr großen Blütenköpfen. Diese mit flachem bis kegelförmigem, mit Spreublättern besetztem Blütenboden sowie staminokarpellaten, gelb bis braunviolett gefärbten Scheibenblüten, die von sterilen, oft sehr großen, gelben Zungenblüten und mehreren Reihen von Hüllblättern umgeben werden. Verschiedene Arten, wie Helianthus decapetalus, Helianthus atrorubens, Helianthus salicifolius oder Helianthus × multiflorus (mit zungenförmig ausgebildeten Scheibenblüten), werden wegen ihrer schönen Blütenköpfe und ihrer bis in den Spätherbst hineinreichenden Blütezeit als Gartenzierpflanzen geschätzt. Bekannteste Art ist die am Ende des 16. Jahrhunderts aus ihrer Heimat, dem Südwesten Nordamerikas (Mexiko), als Gartenzierde nach Europa gebrachte Gemeine Sonnenblume, Helianthus annuus ( vgl. Abb. und Kulturpflanzen III ). Die einjährige, rauhhaarige Pflanze wird bis über 3 m hoch und besitzt große, langgestielte, herzförmige Blätter sowie bis 50 cm breite, nickende Blütenköpfe. Ihre eiförmigen, etwas abgeflachten, als Sonnenblumenkerne bezeichneten Früchte (Achänen) werden 7–17 mm lang und besitzen eine schwarze, weißliche oder gelbliche bzw. schwarzweiß gestreifte Schale und einen an Protein (20–40%) sowie fettem, trocknendem Öl(40–60%) sehr reichen Embryo (Inhaltsstoffe vgl. Tab. 1 ). Obwohl nordamerikanische Indianer Helianthus annuus wegen der ölhaltigen Samen bereits vor Jahrtausenden sammelten oder anbauten, wurde die Gemeine Sonnenblume erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Südrußland als Öllieferant wiederentdeckt. Heute ist sie eine der weltwirtschaftlich wichtigsten Ölpflanzen (Ernte vgl. Tab. 3 ). Sie gedeiht besonders gut auf nährstoffreichen Böden in trockenwarmen Klimaten (Steppenklima) und wird in zahlreichen verschiedenen Sorten angebaut. Um diese zu optimieren, wurde kürzlich die Pilzresistenz von Wildformen durch somatische Hybridisierung (asymmetrische somatische Hybridisierung, transgene Pflanzen) auf Kulturformen übertragen; auch Kälte- (Frostresistenz) und Salzresistenz (Halotoleranz) sollen so verbessert werden. Die reifen Sonnenblumen werden maschinell geerntet und gedroschen. Das hellgelbe, mild schmeckende Sonnenblumenöl gewinnt man durch Pressung oder Extraktion maschinell geschälter Früchte. Der bei der Ölgewinnung anfallende, sehr proteinhaltige Preßkuchen ist ein hochwertiges Viehfutter. Ganze Sonnenblumenkerne dienen als Vogelfutter oder werden (in manchen Ländern) roh oder geröstet bzw. gesalzen verzehrt. Eine weitere, wirtschaftlich interessante Art der Sonnenblume ist der aus dem östlichen Nordamerika stammende Topinambur (Erdbirne, Jerusalem-Artischocke), Helianthus tuberosus ( vgl. Abb. und Kulturpflanzen IV ). Er ist ausdauernd, besitzt eiförmige, grob gesägte Blätter sowie 4–8 cm breite, gelbe Blütenköpfe und bildet an Stolonen 10–20 cm lange und 4–5 cm dicke, mehrgliedrige Speicherknollen. Diese sind innen weiß und außen, je nach Sorte, weißlich oder rötlich gefärbt und enthalten anstelle von Stärke Inulin. Wegen ihres Kohlenhydratreichtums werden sie feldmäßig als Viehfutter angebaut oder zur Herstellung von Schnaps verwendet. In manchen Ländern (besonders in Südeuropa) werden die leicht süßlich, artischockenähnlich schmeckenden Knollen auch, gekocht oder gebraten, als Gemüse verzehrt (Inhaltsstoffe vgl. Tab. 2 ). Korbblütler, tagneutrale Pflanzen.
N.D.
Sonnenblume
1 Gemeine Sonnenblume (Helianthus annuus); die Blütenköpfe der Sonnenblume weisen einen ausgeprägten Heliotropismus auf, d.h., sie wenden sich stets der Sonne zu. 2 Erdbirne, Topinambur (Helianthus tuberosus):a Sproßstück, b Blütenkopf, c Knolle.
Sonnenblume
Tab. 1: Einige Inhaltsstoffe des getrockneten Samens (in 100 g eßbarem Anteil). Die Samen der Sonnenblume (Helianthus annuus) enthalten hochwertiges, fettes Öl, das hauptsächlich aus den Glyceriden der Öl- und Linolsäure besteht.
Energiegehalt: 2454 kJ = 580 kcal
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Wasser: 6,6 g | Vitamin B1: 1900 μg | |
Protein: 22,5 g | Vitamin B2: 140 μg | |
Fett: 49,0 g | Niacin: 4100 μg | |
Kohlenhydrate: 12,3 g | Magnesium: 420 mg | |
Ballaststoffe: 6,3 g | Calcium: 100 mg | |
Mineralien: 3,3 g | Zink: 5200 μg |
Sonnenblume
Tab. 2: Einige Inhaltsstoffe von Topinambur (in 100 g eßbarem Anteil). Die Topinambur enthält etwa 7–8% des unverdaulichen Kohlenhydrats Inulin (ein Polyfructosan). Die Knolle ist für Diabetiker geeignet, weil sie neben Inulin auch Fructose enthält.
Energiegehalt: 129 kJ = 30 kcal
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Wasser: 78,9 g | Carotin*: 12 μg | |
Protein: 2,4 g | Vitamin B1: 200 μg | |
Fett: 0,4 g | Vitamin B2: 60 μg | |
Kohlenhydrate: 4,0 g | Niacin: 1300 μg | |
Ballaststoffe**: 12,5 g | Vitamin C: 4 mg | |
Mineralien: 1,7 g | Kalium: 480 mg |
* Carotin = Summe aller Provitamin A-Carotinoide
** zum Teil unverwertbares Inulin
Sonnenblume
Tab. 3:Sonnenblumen-Ernte (Früchte) 1994
(in Millionen Tonnen)
Welt 22,212
UdSSR (ehemalig) 4,453
Argentinien 3,903
USA 2,194
Frankreich 2,056
Indien 1,500
China 1,350
Spanien 0,984
Rumänien 0,932
Türkei 0,740
Ungarn 0,650
Bulgarien 0,596
Italien 0,400
BR Deutschland 0,370
Jugoslawien 0,340
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