Lexikon der Biologie: TDF
TDF, 1) Abk. für Testis determinierender Faktor, Bezeichnung für das GenSRY (Sex determining region of the Y-chromosome; SRY-Gen) des Menschen, dessen Genprodukt zur Ausprägung der männlichen Geschlechtsmerkmale führt. Bei der Maus wird das entsprechende Gen mit Tdy bzw. Sry bezeichnet. Die Suche nach dem TDF begann bereits Ende der 1950er Jahre, wobei schließlich gezeigt werden konnte, daß bei Mensch und Maus das Y-Chromosom für die Entwicklung des Hodens (Testis) verantwortlich ist. Bei anschließenden Untersuchungen, die meist jeweils bei Mensch und Maus durchgeführt wurden und deren Ergebnisse sich oft gegenseitig bestätigten, waren vor allem Betrachtungen der Beziehungen zwischen Karyotyp und Phänotyp bei Individuen mit abnormalem Y-Chromosom hilfreich ( vgl. Abb. ). Durch diese Analysen fanden Jacobs und Ross im Jahr 1966, daß der TDF bei Menschen auf dem kurzen Arm des Y-Chromosoms liegen muß. Hierdurch wurde der Bereich, in dem der Faktor liegen mußte, stark eingeschränkt. In den folgenden Jahren wurden auf dem Bereich des kurzen Arms des Y-Chromosoms einige Gene lokalisiert, die als Faktoren, welche die männliche Geschlechtsentwicklung (Geschlechtsbestimmung, Geschlechtsdifferenzierung) einleiten, diskutiert wurden. So wurde zunächst z.B. das H-Y-Antigen als Kandidat für TDF angesehen, jedoch konnten später männliche Mäuse gefunden werden, welche dieses Antigen überhaupt nicht exprimierten. Ein weiterer, zunächst sicherer Kandidat für den TDF war ein Gen, welches durch umfangreiches chromosome walking über eine 230 kb lange Region des kurzen Arms des Y-Chromosoms kloniert werden konnte. Es handelt sich hierbei um ein Gen, welches zur Expression eines Zink-Finger-Proteins führt; es wird daher als ZFY (Zink-Finger-Protein des Y-Chromosoms) bezeichnet. Da Zink-Finger-Proteine oft als Transkriptionsfaktoren fungieren, lag die Vermutung nahe, daß ZFY durch Aktivierung bestimmter Gene die Entwicklung der männlichen Keimdrüsen initiieren kann. Durch weitere Untersuchungen wurde jedoch klar, daß ZFY a) ein ebenfalls transkribiertes Homologes auf dem X-Chromosom besitzt (ZFX), welches nicht durch X-Inaktivierung betroffen ist, b) einige XX-Männer kein ZFY besitzen, c) die homologen Sequenzen bei der Maus auf Autosomen lokalisiert sind und d) ZFY bei der Maus in nur sehr geringer Menge in den entsprechenden Geweben der sich entwickelnden Gonade exprimiert wird. ZFY kommt daher nicht mehr als Kandidat für TDF in Frage, es könnte jedoch helfend an der Geschlechtsentwicklung beteiligt sein. Auf der weiteren Suche nach dem eigentlichen TDF konnte schließlich ein DNA-Fragment auf dem Y-Chromosom nahe der Grenze zur pseudoautosomalen Region gefunden werden, das ein interessantes offenes Leseraster beinhaltet. Das exprimierte Produkt dieses Leserasters ist ein Protein, das anscheinend als Transkriptionsfaktor wirkt, da es ein als HMG-Box (high-mobility group; HMG-Box-Domäne) bezeichnetes DNA-Bindemotiv besitzt, das auch in anderen Transkriptionsfaktoren und HMG-Proteinen gefunden wird. Codiert wird es von einem Gen namens SRY (Abk. für Sex determining region of the Y-chromosome; SRY-Gen), das mittlerweile als der TDF gilt. Folgende Befunde unterstützen diese Annahme: a) SRY-homologe Sequenzen wurden an homologer Stelle im Genom der Maus gefunden (dort als Sry bezeichnet); b) bei einer weiblichen XY-Maus ist Sry deletiert; c) Sry wird in der Maus in den entsprechenden Geweben der sich entwickelnden männlichen Gonaden in ausreichender Menge exprimiert; d) weibliche Maus-Embryonen entwickeln sich nach Transformation mit Sry-haltiger DNA zu Männchen; e) XY-Frauen weisen kein SRY-Gen auf oder besitzen ein mutiertes SRY-Gen; f) XX-Männer haben durch Translokation das SRY-Gen auf einem ihrer X-Chromosomen erhalten. Die primären Ziele von SRY in der sich anschließenden Genkaskade sind noch unklar. Gesichert ist, daß ein Gen namens SOX9, auch ein Transkriptionsfaktor mit einer HMG-Box, ebenfalls zur männlichen Geschlechtsentwicklung beiträgt. Mutationen von SOX9 führen zu einer Störung derselben. Anders als bei SRY ist die Wirkung von SOX9 aber nicht auf Säugetiere limitiert. Weitere Gene, die in der Diskussion stehen, an der männlichen Geschlechtsentwicklung beteiligt zu sein, sind WT1, SOX6 und DAX1, wobei letzteres Gen als Antagonist zu SRY wirkt. Weitere Experimente sind erforderlich, um die Regulation von SRY und die genaue Wirkung aufdecken zu können.
E.G./J.Ir.
Chromosomenkarte ( Chromosomenkarte I
Chromosomenkarte II
Chromosomenkarte III
Chromosomenkarte IV
). 2)Interleukine (Interleukin-2).
TDF
Der abnormale Austausch von DNA-Sequenzen der nichthomologen Bereiche von X- und Y-Chromosomen kann zur Entstehung von XX-Männern und XY-Frauen führen, wenn der TDF hierbei mit betroffen ist. Dieser Austausch kann z.B. dadurch hervorgerufen werden, daß sich in der pseudoautosomalen Region stattfindende obligatorische Crossing over bis in den X- bzw. Y-Chromosomen spezifischen Teil ausweiten und schließlich auch nicht-homologe Chromosomenstücke ausgetauscht werden. Die abnormale X-Y-Rekombination, die während der väterlichen Meiose stattfindet, ist normalerweise unterdrückt. Es entstehen X-Chromosomen mit TDF, die zur Entwicklung von XX-Männern führen, und Y-Chromosomen ohne TDF, die zur Entwicklung von XY-Frauen führen. Die Analyse dieser Individuen erbrachte wesentliche Fortschritte bei der Suche nach dem TDF.
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