Lexikon der Biologie: Transposonen
Transposonen [von latein. transponere = versetzen], prokaryotische und eukaryotische transponierbare Elemente, die in der Lage sind, spontan einen Genort zu verlassen und an anderer Stelle des gleichen Moleküls (intramolekulare Transposition) oder eines anderen Moleküls (intermolekulare Transposition) in die Erbinformation zu integrieren (springende Gene) und so das betroffene Genom strukturell zu verändern. Meist erzeugt der Einbau eines Transposons am Integrationsort eine kurze Duplikation, die je nach Transposon unterschiedlich viele Basenpaare umfaßt (target site duplication). Transposonen, die in den codierenden Bereich (codierende Sequenz) eines Gens springen, führen in der Regel zu dessen Inaktivierung. Kommt es hingegen zur Integration im Promotor oder anderen regulatorischen Elementen, kann die Genexpression beeinflußt werden. Durch diese Eigenschaften stellen Transposonen eine Hauptursache für spontan auftretende Mutationen dar. Schätzungen für Prokaryoten ergaben, daß bis zu 40% aller Mutationen auf die Wirkung mobiler genetischer Elemente zurückzuführen sind. Aus diesem Grund werden Transposonen beim sog. Transposon-tagging (gene-tagging) inzwischen auch zur Erzeugung von Mutanten (Mutagenese)und Identifizierung bislang unbekannter Gene eingesetzt. – Die meisten Transposonen bestehen aus charakteristischen terminalen, invers repetitiven Sequenzen (IRs = inverted repeats; Palindrom), welche die für die Transposition benötigten Transpositions-Enzyme codierenden Gene einschließen. Manchmal bestehen diese Endabschnitte auch aus direkten Wiederholungssequenzen (direct repeats; direkte Wiederholung, repeats) oder einer Kombination aus inversen und direkten Repetitionen. Dabei dienen diese Nucleotidsequenzen dem benötigten Transpositionsenzym als Erkennungssequenzen. Außerdem enthalten prokaryotische Transposonen in der codierenden Sequenz oftmals funktionelle Gene für Antibiotika-Resistenzen ( vgl. Infobox ) oder Schwermetallresistenzen (Resistenzfaktoren). Flankieren Insertionselemente (IS-Elemente;vgl. Abb. 1a ), die selbst als einfachste „Kleinst-Transposonen“ zu verstehen sind, größere Genabschnitte, spricht man von zusammengesetzten Transposonen ( vgl. Abb. 1b ). – Bezüglich der unterschiedlichen Struktur und Transpositionsmechanismen unterscheidet man Transposonen in verschiedene Grundtypen). Transposonen der Klasse I sind sehr heterogen, ihre Vertreter transponieren jedoch alle über ein RNA-Intermediat mit Hilfe des Enzyms reverse Transkriptase. Bei einem solchen Transpositionsereignis wird die mRNA (messenger-RNA) des Transposons mittels eigens codierter (autonome Transposonen) reverser Transkriptase in eine cDNA rückübersetzt und die DNA ins Genom integriert. Es liegt nun sowohl in der Donor-DNA als auch in der Empfänger-DNA (hier als Kopie) vor, wodurch es zu einer Vermehrung des Genoms kommt (replikative Transposition; vgl. Abb. 1c ). Da diese Art der Transposonen stark den Retroviren ähnelt, werden Elemente dieser Klasse auch Retrotransposonen genannt (Retroelemente). Ebenfalls über eine RNA-Kopie transponieren die pseudogenähnlichen Retroposonen. Diese können jedoch die benötigte reverse Transkriptase nicht selbst codieren und sind daher auf die Aktivierung durch andere Transposonen angewiesen (nicht-autonome Transposonen), wie z.B. die sog. MITEs (miniature inverted-repeats transposable elements; mariner). Transposonen der Klasse II sind DNA-Sequenzen verschiedener Größe mit terminalen Sequenzwiederholungen unterschiedlicher Länge. Die flankierte DNA codiert selbst für eine Transposase, welche die terminalen Sequenzwiederholungen erkennt, das gesamte Element aus der Donor-DNA herausschneidet (Exzision) und an einem anderen Locus im Genom wieder reintegriert (konservative Transposition, „cut-and-paste-Mechanismus“; vgl. Abb. 1d ). Bei diesem Transpositionsereignis kommt es nur zu einer Vermehrung des Genmaterials, wenn es zeitgleich zur DNA-Replikation stattfindet. Einer 3. Klasse werden solche Transposonen zugeteilt, deren Transpositionsmechanismus noch nicht vollständig geklärt ist, wie z.B. die sog. Fold-back-Elemente. Häufig werden unter der Bezeichnung Transposon ausschließlich prokaryotische Transposonen aufgeführt und von anderen transponierbaren Elementen differenziert betrachtet. Innerhalb der prokaryotischen Transposonen gibt es ebenfalls eine Aufteilung nach Transpositionsmechanismen in verschiedene Klassen, nur daß hier die Transposonen mit replikativen Transpositionsmechanismen der Klasse II zugeordnet werden und sich ausschließlich über DNA-Cointegrate replizieren, wie z.B. bei dem Transposon Tn3 ( vgl. Abb. 2 ). Nach heutigem Wissensstand treten Retrotransposonen bei Prokaryoten nicht auf. Die Transposonen, die einen einfachen cut-and-paste-Mechanismus aufweisen gehören hier der Klasse I an.
S.Gä.
Transposonen
Abb. 1:
a Aufbau eines Insertionselements (IR = inverted repeats = invers repetitive Sequenzen), b Aufbau eines zusammengesetzten Transposons, c replikativer Transpositionsmechanismus, d konservativer Transpositionsmechanismus
Transposonen
Abb. 2:
a Struktur des Transposons Tn 3: β-Lactamase spaltet Ampicillin und verleiht damit dem Träger des Transposons Resistenz gegenüber diesem Antibiotikum. Das Enzym Transposase wird zur Transposition benötigt. Das Enzym Resolvase reguliert als Repressor die Transkription des Transposase-Gens und katalysiert die Auflösung der bei der Transposition entstehenden Cointegrat-Zwischenstruktur durch Rekombination der res-Loci. Durch IR sind die an den Enden von Tn 3 lokalisierten 38 bp invertierten Sequenzwiederholungen (inverted repeats) gekennzeichnet.
b Darstellung der replikativen Transposition von Tn3, die über die Bildung und anschließende Auflösung einer Cointegrat-Zwischenstruktur erfolgt.
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