Lexikon der Chemie: Alkaloide
Alkaloide, biogene stickstoffhaltige, vorwiegend N-heterocyclische Verbindungen, die vor allem im Sekundärstoffwechsel der Pflanzen gebildet werden.
Einteilung. Die A. werden nach ihrer chem. Struktur oder nach ihrer Herkunft in verschiedene Gruppen eingeteilt (Tab.). Die größten Gruppen sind die Indol- und Isochinolinalkaloide. Insbesondere in diesen beiden Gruppen finden sich auch zahlreiche dimere A. (Bisalkaloide). Von diesen A. im engeren Sinne werden die Pseudo- und Protoalkaloide abgetrennt. Unter Pseudoalkaloiden versteht man Verbindungen, deren C-Grundgerüst nicht von Aminosäuren stammt. Dazu zählen z. B. die Steroidalkaloide und das Coniin. Als Protoalkaloide werden Verbindungen bezeichnet, bei denen das sich biosynthetisch von einer Aminosäure herleitende N-Atom nicht Teil eines Heterocyclus ist. Dazu gehören z. B. die biogenen Amine.
Alkaloide. Tab.: Wichtige Alkaloidgruppen.
| ||||
Pyrrolidinalkaloide | Pyrrolidin | Hygrin | Erythroxylaceae (Erythroxylon) | |
Indolalkaloide | Pyrrolidinoindol β-Carbolin Carbazol Ergolin | Physostigmin Rauwolfiaalkaloide (Reserpin, Ajmalin) Yohimbin Vincaalkaloide (Vinblastin, Vincristin) Strychnosalkaloide (Strychnin, Brucin, Calebassencurarealkaloide) Aspidospermaalkaloide Catharanthusalkaloide Mutterkornalkaloide | Fabaceae (Physostigma) Apocynaceae (Rauwolfia) Rubiaceae (Pausinystalia) Apocynaceae (Vinca, Catharanthus) Loganiaceae (Strychnos) Apocynaceae (Aspidosperma, Vinca, Pleicarpa) Apocynaceae (Catharanthus) Pilze (Claviceps) | |
Pyrrolizidinalkaloide | Pyrrolizidin | Senecioalkaloide | Asteraceae (Senecio) | |
Piperidinalkaloide | Piperidin Tropan | Piperin Coniin Lobeliaalkaloide (Lobelin) Arecaalkaloide (Arecolin) Hyoscyamin, Atropin, Scopolamin Cocain | Piperaceae (Piper) Apiaceae (Conium) Campanulaceae (Lobelia) Palmae (Areca) Solanaceae (Atropa, Datura, Hyoscyamus, Scopolia) Erythroxylaceae (Erythroxylon) | |
Chinolizidinalkaloide | Chinolizidin | Spartein, Lupinin, Cytisin | Fabaceae (Lupinus, Cytisus, Genista) | |
Pyridinalkaloide | Pyridin | Nicotin | Solanaceae (Nicotiana) | |
Chinolinalkaloide | Chinolin | Chinaalkaloide (Chinin, Chinidin) | Rubiaceae (Cinchona) | |
Isochinolinalkaloide | Isochinolin Benzylisochinolin Bis-benzylisochinolin Phthalidisochinolin Amorphin Morphinan Benzochinazolin | Anhaloniumalkaloide Opiumalkaloide (Papaverin) Tubocurarin Opiumalkaloide (Narcotin) Narcotin Apomorphin Opiumalkaloide (Morphin, Codein, Thebain) Ipecacuanhaalkaloide (Emetin) | Cactaceae (Anhalonium) Papaveraceae (Papaver) Annonaceae, Berberidaceae, Hernandiaceae, Lauraceae, Magnoliaceae, Monimaceae, Nymphaceae, Ranun- culaceae Menispermaceae (Chondrodendron) Berberidaceae (Berberis) Papaveraceae (Papaver) Papaveraceae (Papaver) Rubiaceae (Cephaelis) |
Vorkommen. A. kommen vorzugsweise in höheren Pflanzen, insbesondere in Magnoliatae, weniger häufig in Liliatae oder Pinidae vor. Besonders alkaloidreich sind Pflanzen der Familien Apocynaceae, Buxaceae, Asteraceae, Euphorbiaceae, Loganiaceae, Menispermaceae, Papaveraceae, Rutaceae und Solanaceae. Meist enthalten die Pflanzen neben dem Hauptalkaloid noch zahlreiche Nebenalkaloide, die sich z. B. im Methylierungs- oder Hydrierungsgrad unterscheiden können. Ungefähr 20 % der höheren Pflanzen enthalten A. Unter den Nicht-Samenpflanzen sind unter anderem Bärlappe, Schachtelhalme und Pilze (Mutterkornalkaloide) alkaloidführend. Vereinzelt kommen A. auch in Tieren vor, so in Salamandern, Kröten (Indolylalkylamine), Fröschen (Batrachotoxin, Pumiliotoxine), Fischen (Tetrodotoxin) oder Tausendfüßern (Chinazolinderivate).
Eigenschaften und Nachweis. Bis auf wenige Ausnahmen, bei denen das N-Atom acyliert ist (z. B. Colchicin), reagieren die A. basisch. Die Basenstärke hängt vom heterocyclischen Grundkörper und von den Substituenten ab. Einige Alkaloidbasen, z. B. Nicotin, Hygrin, Spartein, sind flüssig, die meisten A. kristallisieren. Die freien, meist farblosen Basen sind in Wasser schwer, in organischen Lösungsmitteln leichter löslich. Als Salze sind die A. in Wasser löslich. In dieser Form werden sie auch therapeutisch eingesetzt. Zum Nachweis der A. dienen Fällungsreaktionen z. B. mit Pikrinsäure sowie mehr oder weniger gruppenspezifische Farbreaktionen.
Isolierung. A. kommen in der Pflanze als Salze organischer oder anorganischer Säuren vor. Zur Isolierung der A. wird das pflanzliche Material mit Alkali behandelt und die freie Alkaloidbase mit organischen Lösungsmitteln extrahiert, seltener durch Wasserdampfdestillation abgetrennt. Die meist anfallenden Alkaloidgemische werden dann durch fraktionierte Kristallisation geeigneter Salze (z. B. Hydrohalogenide, Perchlorate, Pikrate, Oxalate) oder chromatographische Verfahren aufgetrennt.
Biosynthese. Durch Einbauversuche radioaktiv markierter Aminosäuren wurde gefunden, daß die A. fast ausschließlich von den Aminosäuren Phenylalanin (Isochinolinalkaloide), Tryptophan (Indolalkaloide), Lysin (Piperidinalkaloide) und Prolin bzw. Ornithin (Pyrrolidinalkaloide) gebildet werden. A. können auch isoprenoide Bausteine enthalten, z. B. Steroidalkaloide, einige Indolalkaloide.
Verwendung. Zahlreiche A. sind biologisch aktiv. Alkaloidhaltige Pflanzen und ihre Zubereitungen wurden deshalb schon seit langem in der Medizin eingesetzt. Heute werden meist die reinen A. verwendet. Von besonderer Bedeutung als Arzneistoffe sind Morphin und seine Derivate (als Analgetika), Papaverin (als Spasmolytikum), Curarealkaloide (als Muskelrelaxanzien), Rauwolfiaalkaloide (als Antihypertonika, Neuroleptika), Chinin (als Antimalariamittel), Catharanthusalkaloide (als Cytostatika), Chinidin und Ajmalin (als Antiarrhythmika), Cocain (als Lokalanästhetikum). Zahlreiche A. dienten als Leitsubstanzen für die Entwicklung synthetischer Arzneistoffe. Einige A. werden auch als Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt (Nicotin).
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.