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Lexikon der Geographie: Merkantilismus

Merkantilismus [lat. mercari=Handel treiben], Colbertismus, Sammelbegriff für die Theorie und Praxis einer national gelenkten Wirtschaft zur Förderung nationalen Reichtums und staatlicher Macht im Zeitalter des Absolutismus. Der Begriff wurde erst im nachhinein von Adam Smith (1776) in seinem Werk "Wealth of Nations" geprägt. Ob von einer einheitlichen merkantilistischen Wirtschaftspolitik gesprochen werden kann, ist angesichts der je nach Land sehr unterschiedlichen Konzepte allerdings umstritten. Der Merkantilismus begann im 16. Jh., seine Blütezeit hatte er im 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jh. Er war eine Folge des stark erhöhten Finanzbedarfs des absolutistischen Staates. Im Merkantilismus sieht sich der Territorialstaat für das Wohlergehen der Wirtschaft verantwortlich und sucht die Einheit von Herrschaft, Sozialordnung und Wirtschaft zu verwirklichen. Mit der Einführung wirtschaftspolitischer Regeln und Methoden sollten der wirtschaftliche Wohlstand und die Finanzkraft des Staates gesteigert werden. Der Staat wurde einem Wirtschaftsunternehmen gleichgestellt, er sollte also Einnahmen und Ausgaben genau kontrollieren, mehr exportieren als importieren und mit anderen Staaten konkurrieren können. Eine positive Handelsbilanz wurde zu einem der wichtigsten Ziele. Der Merkantilismus war zwar die erste Form einer Theorie und Praxis des Welthandels, hat aber keineswegs den freien Handel propagiert, sondern stark protektionistisch gehandelt.
Nach diesen Vorstellungen beruhte der Reichtum eines Landes auf dem Besitz von Gold und Silber (Bullionismus), von konvertiblem Bargeld, der Produktion von Luxusgütern und einem hohen Angebot von billigen Arbeitskräften. Der Staat deckte seinen Geldbedarf aus direkten und indirekten Steuern, Zöllen und Monopolen und versuchte, private Unternehmen durch Subventionen und Monopole zu stärken. Der Merkantilismus ist gekennzeichnet durch den Wandel von der innerstaatlichen Selbstversorgung zum internationalen Welthandel, durch die Eroberung von Kolonien, den Ausbau der Handelsflotten, dem starken Ausbau des Straßen- und Kanalsystems, durch bedeutende Erfindungen wie den Buchdruck, welcher die indirekte Kommunikation (Kontakte) über große Distanzen und die Organisation großer Unternehmen erleichterte, sowie durch eine starke zentralistische Regierungsgewalt, die vom König oder Fürsten personifiziert wurde.
Kolonien dienten als Absatzmärkte und als Lieferanten von Gold, Silber und anderen wertvollen Rohstoffen. In Kolonien war gewerbliche Produktion verboten und der gesamte Handel zwischen Kolonien und Mutterland wurde vom Mutterland, meistens von Handelskompanien (Ostindien-Kompanie, John Law's Kompanie etc.), monopolisiert. Mit der Errichtung großgewerblicher Betriebsformen (Verlage, Manufakturen und später Industriebetrieben) in gewinnträchtigen Bereichen (Produktion von Seide, wertvollen Tuchen, Brokat, Lederwaren, Porzellan, Glas) versuchte sich der Staat eine Monopolstellung zu sichern, um durch die Produktion und den Export von Luxusartikeln die Staatseinnahmen zu erhöhen. Wirtschaftspolitische Maßnahmen des Merkantilismus waren Förderung des Außenhandels und aller Wirtschaftszweige, die dem Export dienten, Schutzzölle, Einfuhrverbote, Ausfuhrverbote für Edelmetalle oder wertvolle Rohstoffe, Abschaffung von inneren Handelshemmnissen (Binnenzöllen) sowie die Vereinheitlichung des Maß-, Münz- und Gewichtswesens. Gleichzeitig wurden die Löhne der Arbeiter sehr niedrig gehalten, um die Waren auf dem Weltmarkt besser absetzen zu können.
Im Merkantilismus gewann der Produktionsfaktor Humanressourcen erstmals das Interesse der Herrscher und Territorialherren. Erstens sollte ein starker Staat eine große Bevölkerungszahl haben, zweitens sollte es gelingen, tüchtige und hochqualifizierte Handwerker und Händler (z.B. Hugenotten in Deutschland, holländische Gobelinweber in Frankreich) als Einwanderer zu gewinnen (Peuplierungspolitik). Besonders Länder, die keine Gold- und Silberminen hatten, bemühten sich um solche Humanressourcen. Nun wurden die beruflichen Qualifikationen der Bevölkerung zu einer Angelegenheit des Staates. Dies führte im 18. Jahrhundert zur Gründung von Industrieschulen, Landwirtschaftsschulen, Bergbauschulen (Bildungsgeographie), aber auch zur Anwerbung von und Auswanderungsverboten für spezialisierte Berufe (Glasmacher, Seidenweber, Maschinenbauer usw.).
Die merkantilistische Politik der Subventionierung von Unternehmen und der Privilegierung der Monopole hat langfristig die wirtschaftliche Entwicklung und die Einführung technischer Innovationen behindert und die Risikobereitschaft (potenzieller) Unternehmer verringert.
Da die Löhne bewusst sehr niedrig gehalten wurden und die Agrarprodukte relativ teuer waren, war der Lebensstandard der Arbeiter sehr niedrig, was wiederum die Nachfrage nach Gütern drückte.
Der Merkantilismus wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von den Anhängern des Liberalismus bzw. der Laissez-faire-Politik angegriffen, bildete aber eine gute Ausgangsposition für die Entwicklung des Kapitalismus.

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Grafik:
Mathias Niemeyer (Leitung)
Ulrike Lohoff-Erlenbach
Stephan Meyer

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