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Lexikon der Geographie: Phänologie

Phänologie [von griech. phainestai=erscheinen und logos=Lehre], allgemein die Lehre von den Erscheinungsformen; Mitte des 19. Jh. für die Wissenschaft von den Wachstumserscheinungen und Entwicklungsvorgängen der Pflanzen vorgeschlagen und in dieser einengenden Form seitdem gebräuchlich. Eine entsprechende Tierphänologie hat sich bisher kaum entwickelt. Die Phänologie hat die Aufgabe, alle Wachstumserscheinungen, vor allem die verschiedenen, im Jahresablauf periodisch wiederkehrenden Entwicklungen des Pflanzenwachstums zu beobachten oder zu messen (Phänometrie), den jeweiligen Zeitpunkt ihres Eintritts sowie deren Abhängigkeiten von klimatischen Gegebenheiten, insbesondere von den Temperaturbedingungen sowie den Bodenverhältnissen festzustellen oder zu untersuchen. Vor allem seit dem 19. Jh. begannen von Botanikern und Meteorologen angeregte länger- bis langfristige Aufzeichnungen von Blühzeitpunkten und anderen phänologischen Stadien zahlreicher Pflanzen (in Anlehnung an Vorschläge, die K. von Linné bereits Mitte des 18. Jh. machte). Bereits 1905 wurde von E. Ihne eine "Phänologische Karte des Frühlingseinzugs in Mitteleuropa" vorgelegt, in der sog. Isophanen (Isolinien) Räume annähernd zeitgleicher Frühlingsentwicklung der Vegetation abgrenzten. Mit der Etablierung der Wetterdienste in den Ländern Mitteleuropas sind auch hauptamtliche Phänologische Dienste entstanden, die mit einem großen Stab von mehreren Tausend ehrenamtlichen Mitarbeitern (für die es ausführliche Anleitungen gibt: z.B. Zentralamt Deutscher Wetterdienst 1991) seitdem regelmäßig nach denselben Richtlinien an über 40 Pflanzenarten und Kulturen (z.B. Getreide, Grünland) den zeitlichen Eintritt z.B. von Aufblüte, Vollblüte, Blattentfaltung, Fruchtreife, Blattfall u.a. in Formbögen erfassen und an den Wetterdienst melden. Besonders hat sich dafür F. Schnelle eingesetzt und zahlreiche Auswertungen vorgenommen. Die Beobachtungen zu einer Pflanzenart werden über die ganze Vegetationszeit an derselben Pflanze oder demselben Bestand vorgenommen; die ausgewählten Individuen, Kollektive oder Standorte sollen möglichst über viele Jahre beibehalten werden. Da sich die Eintrittstermine bestimmter Phänophasen, wie z.B. die Vollblüte von Vogelkirschen, in den einzelnen Jahren um Wochen verschieben können, ist im Hinblick auf die Bestimmung des mittleren Eintrittsdatums dieser Phase an einem Standort im Vergleich zu einem anderen der Rückgriff auf ein langjähriges Datenkollektiv notwendig, das sich aus vielen Tausend punktuellen Einzelbeobachtungen zusammensetzt. Gelegentlich wird dafür eine Beobachtungsperiode von mindestens 10 Jahren verwendet, in der Regel aber, wie z.B. bei Temperatur oder Niederschlag, eine Normperiode von 30 Jahren zu Grunde gelegt. Solche Karten finden sich für zahlreiche Arten und Phänophasen in allen Klimaatlanten, die für die Länder der Bundesrepublik Deutschland erschienen sind. Trotz der vielen Tausend Beobachter ist das Netz aber – vor allem in Gebieten mit großer Reliefenergie und starker Zertalung – immer noch so dünnmaschig, das eine große Interpolation der statistisch bearbeiteten Daten in der Regel nur Karten in kleinen Maßstäben (z.B. 1:1.000.000, selten 1:500.000) zulässt. Da das Pflanzenwachstum in sehr starkem Maße von den jeweiligen Witterungsbedingungen abhängig ist, ergeben sich darüber hinaus auch zwischen den gemittelten phänologischen Beobachtungen und den Mittelwerten der Temperaturen enge Beziehungen.
Um sich aber auch kurzfristig den unbestrittenen Zeigerwert der Pflanzendecke für die thermische Gunst oder Ungunst von Standorten oder Landschaftsteilen vor allem für die Planung nutzbar zu machen, hat Ellenberg sich völlig von dem Datum des Eintritts von Phänophasen gelöst und eine Methode entwickelt, die die relativen Unterschiede der Entwicklung zahlreicher Arten der Pflanzendecke zwischen verschiedenen Standorten bzw. Landschaftsteilen an einem bestimmten Tag erfasst. Auf einer Eichstrecke können die unterschiedlichen phänologischen Stufen, die den phänologischen Gesamtzustand der Phänophasen aller zur Kartierung verwendeten Arten in einem klimatisch einheitlichen Geländeausschnitt charakterisieren, vom fahrenden Wagen erkannt und in einem sog. Spektrum aufgenommen werden. Dieses dient zur Kartierung angrenzender Landschaftsteile auf einer großmaßstäbigen Karte, auf der alle Stufen gleicher Entwicklung mit demselben Farbton eines Buntstifts eingezeichnet werden. Durch Wiederholung der Aufnahme eines phänologischen Spektrums auf der erstmalig in Stufen abgegrenzten Eichstrecke kann man auch in den folgenden Wochen vor allem vom Frühjahr bis in den Frühsommer entweder einmalig oder zur Absicherung mehrjährig mit zahlreichen, verbreitet zur Verfügung stehenden Pflanzen aus Wald, Grünland, Feld, Flur, Garten-, Park- und Grünanlagen in Städten ein sehr dichtes Netz von sich überschneidenden, Täler und Niederungen häufig querenden phänologischen Kartierungsrouten anlegen, die – im Gegensatz zu den punktuellen Beobachtungen des Wetterdienstes – eine kontinuierliche Aufzeichnung entlang der Fahrtstrecken aufweisen – und daraus mit relativ wenig Interpolationsarbeit Wuchsklimakarten in den Maßstäben 1:25.000 bis vor allem 1:200.000 konstruieren, die fast noch grundstücksgenaue Zuordnungen erlauben und kleinklimatische Besonderheiten, wie z.B. durch Spätfrost gefährdete Lagen, erkennen lassen. Es können recht enge Beziehungen zwischen den phänologischen Stufen und ihrer jeweiligen Jahresmitteltemperaturamplitude hergestellt werden. Solche Karten liegen für die Schweiz, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen und kleinere Räume vor.

KFS

Lit: [1] IHNE, E. (1905): Phänologische Karte des Frühlingseinzugs in Mitteleuropa. [2] ELLENBERG, H. (1954): Naturgemäße Anbauplanung, Melioration und Landespflege.[3] ELLENBERG, H. (1956): Wuchsklimakarte von Südwestdeutschland. [4] SCHNELLE, F. (1955): Pflanzenphänologie. [5] SCHREIBER et al. (1977): Wärmegliederung der Schweiz. Zentralamt Deutscher Wetterdienst (1991): Anleitung für die phänologischen Beobachter des Deutschen Wetterdienstes.

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Geogr. Christiane Martin (Leitung)
Dipl.-Geogr. Dorothee Bürkle
Dipl.-Geol. Manfred Eiblmaier

Fachkoordinatoren und Herausgeber:
Prof. Dr. Ernst Brunotte (Physische Geographie)
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Grafik:
Mathias Niemeyer (Leitung)
Ulrike Lohoff-Erlenbach
Stephan Meyer

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