Lexikon der Geowissenschaften: Differentiation
Differentiation, [von lat. differare = zerteilen], geochemische Differentiation, Segregation, in der Kosmogeochemie wird der Begriff auf die Differentiaton der Erde in ihre Hauptbestandteile, der Kruste, des Mantels und des Kerns bezogen. Nach der Akkretion der Erde trennte sich durch Schmelzbildung und Differentiation der eisenreiche Erdkern vom silicatischen Erdmantel, dabei wurden große Teile des Erdmantels durch die frei werdende Graviationsenergie geschmolzen (Schalenbau der Erde).
In der Petrologie versteht man unter diesem Begriff ganz allgemein die In-situ-Entstehung von mehr als einen Gesteinstyps aus einem gemeinsamen Ursprungsmagma. In der frühen Geschichte der Geowissenschaften glaubte man, daß die chemisch sehr variationsreichen magmatischen Gesteine alle eine voneinander unabhängige Entstehung hätten. Einige Gesteine wurden durch Prozesse wie Magmenmischung, Magmenentmischung und Assimilation erklärt. Seit Mitte des 20. Jh. gibt es aber den Trend, alle magmatischen Gesteine von einigen wenigen primären Magmen her abzuleiten. Diese Entwicklung von primären zu modifizierten Magmen wird als magmatische Differentiation bezeichnet. Viele verschiedene Prozesse wurden für den Mechanismus der magmatischen Differentiation als Erklärung herangezogen. Einige gehen von einer Änderung der chemischen Zusammensetzung aus, die ausschließlich im flüssigen Zustand der Schmelze in einem Potentialfeld stattfindet. Eine Differentiation durch das Gravitationsfeld der Erde (gravitative Differentiation) ist vernachlässigbar. Dagegen können sehr steile Temperaturgradienten in einem Magma eine Diffusion erzeugen (bekannt als Soret-Effekt), die zu einer Differentiation führen. Da diese Gradienten aber nur am Rande von Magmenkammern oder Aufstiegskanälen auftreten, ist der quantitative Effekt der Differentiation nur gering. Eine andere Möglichkeit ist die Entmischung eines Magmas in zwei Schmelzen unterschiedlicher Zusammensetzung. Dieser Prozeß ist aber nur bei wenigen chemischen Pauschalzusammensetzungen möglich und gerade bei primitiven Magmen nicht vorhanden. Heute wird der Prozeß der Kristall-Schmelze-Fraktionierung oder der fraktionierten Kristallisation als wichtigster Grund für die Differentiation primitiver Magmen angesehen. Die grundlegenden Ideen sind schon von Bowen (1928) in seinem Buch "The Evolution of the igneous rocks" ausführlich beschrieben.
Magmen sind i.d.R. nicht überhitzt (nicht oberhalb des Liquidus), so daß die Schmelze bereits Einsprenglinge (Phänokristalle) enthält. Diese Einsprenglinge haben i.d.R. eine sehr unterschiedliche chemische Zusammensetzung im Vergleich zum primitiven Magma. Werden diese Einsprenglinge dem Magma durch eine Differentiation entzogen, so entstehen neue, differenzierte Magmen. Dieser Prozeß der Fraktionierung von Kristallen aus einer Schmelze, die zwangsläufig zu einer kompositionellen Änderung der differenzierten Schmelze führt, kann in zwei unterschiedlichen Arten vollzogen werden, gravitativ in einer Magmenkammer oder als sog. flow crystallization.
Bei der gravitativen Fraktionierung werden dem primären Magma durch den Einfluß der Gravitation kristallisierte liquidusnahe Phasen entzogen. Diese Liquidusphasen (z.B. Olivin, Klinopyroxen) sinken in der Gesteinsschmelze der Magmenkammer nach unten, falls die Dichte der kristallisierten Phase größer ist als die des flüssigen Magmas. Die nach unten gesunkenen Phasen bilden dort eine Ablagerungsschicht, die als Kumulus bezeichnet wird. Ist die Dichte der kristallisierten Phase (z.B. Feldspäte) kleiner als die des Magmas, so steigen sie in der Magmenkammer nach oben. Das restliche neue Magma wird als Derivat bezeichnet. Diese Schmelze kann dann an die Oberfläche als Differentiat aufsteigen und dort als vulkanische Lava gefördert werden, oder es verbleibt in der Tiefe und kristallisiert dort als plutonisches Derivat aus.
Der Flow-Crystallization-Prozeß geht davon aus, daß an den kühleren Wänden des Aufstiegskanals Liquidusphasen des Magmas kristallisieren und somit der Schmelze entzogen werden. Dieser Prozeß ist nicht gravitativ, sondern durch die thermischen Unterschiede zwischen dem Nebengestein und dem Magma bedingt. Da er nicht abhängig von einer lokalen Magmenkammer ist, kann er kontinuierlich während des gesamten Aufstieges eines Magmas von seiner Entstehung (z.B. im oberen Mantel) bis zur seiner Eruption an der Oberfläche ablaufen und ist somit polybar.
Beiden Prozessen gemeinsam ist die Änderung des Pauschalchemismus des Magmas während der Differentiation. Diese Änderung der Zusammensetzung ist abhängig von der chemischen Zusammensetzung der fraktionierten Phasen. Ein typisches Beispiel für die Differentiation eines Magmas ist die Differentiation eines nephelinbasanitischen zu einem phonolitischen Magma. Dieses Verhalten kann modellhaft im TAS-Diagramm (total alkalies Na2O+K2O, aufgetragen gegen den SiO2-Gehalt) dargestellt werden. Das Ausgangsmagma wird durch Fraktionierung von Liquidusphasen, in diesem Fall Olivin, Klinopyroxen, Feldspat, Fe-Ti-Oxiden und Apatit, sukzessive über Tephrit, phonolithischen Tephrit, tephritischen Phonolith zu Phonolith fraktioniert (TAS-Diagramm Abb.). Da die fraktionierten Phasen weniger SiO2 und Alkalien haben als das Magma, reichern sich diese Elemente in dem Differentiat stark an. Das so entstandene phonolitische Magma hat nur noch ca. 20 Vol.-% des primären Magmas, ca. 80 Vol.-% stellen die fraktionierten Phasen als Kumulus dar ( Abb. ).
Die exakte chemische Zusammensetzung der fraktionierten Phasen hängt von dem Pauschalchemismus des Magmas und von den jeweiligen Druck-, Temperatur- und Sauerstoffpartialdruckbedingungen ab, die gerade während der Differentiation geherrscht haben. Diese müssen aber im Verlauf des Prozesses nicht konstant bleiben. So ändert sich der Pauschalchemismus des Magmas während der Differentiation ständig. In oben genanntem Beispiel sind die Liquidusphasen eines nephelinbasanitischen Magmas (Olivin, Klinopyroxen) andere als die eines tephritischen Phonoliths (Feldspat). Die Tiefe, in der sich die Magmenkammer befindet, ist ebenfalls von ausschlaggebender Bedeutung, da der dort herrschende Druck die Zusammensetzung der fraktionierten Mischkristalle bestimmt. Im allgemeinen werden die Magmenkammern in der oberen Kruste vermutet, es gibt aber auch eindeutige Hinweise, daß zumindest bei einigen wenigen Vulkaniten eine Differentiation bereits im oberen Mantel stattgefunden haben muß.
Die Spurenelemente verhalten sich bei der magmatischen Differentiation gemäß ihres inkompatiblen (inkompatible Elemente) bzw. kompatiblen (kompatible Elemente) Charakters. Inkompatible Elemente werden in der Schmelze angereichert, kompatible in den fraktionierten Phasen. Dieses Verhalten kann durch Modellrechungen bei bekannten Verteilungskoeffizienten (Schmelze/Festkörper) der Spurenelemente simuliert werden. Dadurch ist es möglich, die Spurenelementgehalte bei einer Differentiation zu berechnen und damit vorauszusagen. Ein mögliches Stamm-Magma, das als Ursprungsmagma für das differenzierte Gestein angenommen wurde, kann anhand dieser Modellrechnungen bestätigt oder muß verworfen werden.
Andere Prozesse wie Assimilation oder Magma-Mixing können eine Differentiation beeinflussen. Das Magma kann Fremdgesteinfragmente (Xenolithe) von seiner Entstehung (z.B. Peridotit-Xenolithe aus dem oberen Mantel) oder auch beim Aufstieg (z.B. Granulit-Xenolithe aus der unteren Kruste, sedimentäre Xenolithe aus der oberen Kruste) aufnehmen. Das Magma kann diese Fragmente partiell oder ganz assimilieren und dadurch seinen Pauschalchemismus ändern. Eine weitere Möglichkeit für eine Änderung im Ablauf einer Differentiation in einer Magmenkammer ist die Mischung eines bereits differenzierten Magmas mit neuen primären Magmen. Die damit verbundene Änderung im Pauschalchemismus des Magmas kann durch die chemisch unterschiedlichen Anwachszonen an Mineralphasen (Zonierung) beobachtet werden. [TK]
Literatur: [1] PHILPOTS, A. R.(1990): Principles of igneous and metamorphic Petrology. – Princeton University press. [2] MCBIRNEY, A. R. (1996): Igneous Petrology. – Boston, London.
Differentiation: modellhafte Darstellung der Differentiation. Ein nephelinbasanitisches Magma, das eine partielle Schmelze eines peridotitischen Gesteins des oberen Mantels darstellt, wird in einer krustalen Magmakammer durch fraktionierte Kristallisations-Differentiation zu einer phonolithischen Schmelze. Das phonolithische Magma kann dann als Vulkanit an die Erdoberfläche gefördert werden. Differentiation:
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