Lexikon der Geowissenschaften: Liniennivellement
Liniennivellement, Festpunktnivellement, auf der linienförmig hintereinander wiederholten Anwendung des Nivellierprinzips (geometrisches Nivellement) beruhende Methode zur Bestimmung der Höhenunterschiede zwischen Vermessungspunkten oder Objektpunkten ( Abb. ).
Zu Beginn eines Liniennivellements wird auf einem Anschlußpunkt A eine Nivellierlatte lotrecht aufgehalten und das Nivellierinstrument im Abstand der vorgesehenen Zielweite z1 über dem Standpunkt S1 aufgestellt. Durch Anzielung der Latte auf Punkt A (Rückblick) erhält man die Ablesung r1. Anschließend wird das Nivellier auf den nächsten, gleich weit entfernten Lattenstandpunkt (Wechselpunkt W1) gerichtet und die Ablesung v1 vorgenommen (Vorblick). Ist die Entfernung vom Anschlußpunkt zu groß, die Geländeneigung zu steil oder sind mehrere Neupunkte (z.B. B und C) höhenmäßig zu bestimmen, so reicht ein Instrumentenstandpunkt im allgemeinen nicht aus. In diesem Fall ist der Vorgang zu wiederholen, wobei die Latte zunächst auf dem letzten Wechselpunkt Wi verweilt, während das Instrument über dem nächsten Standpunkt Si+1 aufgestellt wird. Instrumenten- und Lattenstandpunkte wechseln einander so lange ab, bis der Endpunkt (B) des Nivellementzuges erreicht ist und die dort aufgehaltene Latte als Vorblick abgelesen werden kann. Seitwärts der Meßrichtung gelegene Punkte können im Verlauf des Nivellements durch Zwischenblicke mitbestimmt werden.
Zur Kontrolle sollte ein Liniennivellement stets im Hin- und Rückgang, d.h. vom Anschlußpunkt zum Endpunkt und wieder über alle Neupunkte zurück zum Anschlußpunkt ausgeführt werden (Doppelnivellement). Sollen die nivellitisch bestimmten Neupunkte als Höhenfestpunkte verwendet werden, sind sie vor dem Nivellement durch Höhenbolzen zu vermarken. Wechselpunkte dienen dagegen nur der Höhenübertragung und werden lediglich bei Präzisionsnivellements vermarkt.
Die Ablesungen ri und vi an der Nivellierlatte werden entweder elektronisch registriert (elektronisches Feldbuch) oder manuell protokolliert und in Tabellenform ausgewertet. Aus der Differenz zwischen Rück- und Vorblick jedes Instrumentenstandpunktes Si folgt der Höhenunterschied Δhi der zugehörigen Lattenaufsetzpunkte. Die Summe der Höhenunterschiede Δhi ergibt den Gesamthöhenunterschied ΔHAB zwischen Anschlußpunkt A und Neupunkt B. Für die Höhe HB des Neupunktes gilt:
HB = HA+ΔHAB = HA+(Δhi.
Ist die Höhe HA des Anschlußpunktes bereits bekannt (Höhenfestpunkt), erhält man die Höhe HB des Neupunktes im gleichen Höhenbezugssystem. Bei unbekannter Höhe des Anschlußpunktes kann für den Neupunkt B nur eine lokale, d.h. auf den Anschlußpunkt bezogene Höhe ermittelt werden. Sieht man von zufälligen Meßabweichungen ab, so muß die Summe der Höhenunterschiede Δhi über die Wechselpunkte Wi und die wie Wechselpunkte bestimmten Neupunkte gleich der Höhendifferenz der Anschlußpunkte sein. Beim Doppelnivellement gilt somit die Forderung:
(Δhi = ((ri-vi) = 0.
Liniennivellements werden nach ihrer Genauigkeit in einfache Nivellements (Baunivellements), Ingenieurnivellements und Präzisionsnivellements eingeteilt. Dabei hängt die Genauigkeit eines Nivellements insbesondere von der Standsicherheit der Höhenpunkte, von den atmosphärischen Bedingungen bei der Messung, von der Güte der Latten und Instrumente sowie vom Beobachter, der Meßmethode und den Auswerteverfahren ab. Ein Maß für die Nivellementgenauigkeit ist die Standardabweichung σH ( Tab. ) eines Doppelnivellements mit einfachem Nivellementweg der Länge 1 km. Die Verfahrensweise bei einfachen und Ingenieurnivellements ist im Prinzip identisch. Sie unterscheiden sich lediglich durch die höhere Sorgfalt und die genaueren Nivellierinstrumente, die das Ingenieurnivellement kennzeichnen.
Als Präzisionsnivellement bezeichnet man ein geometrisches (Linien-) Nivellement sehr hoher Genauigkeit. Präzisionsnivellements unterscheiden sich von einfachen und Ingenieurnivellements durch den Einsatz von besonders leistungsfähigen Präzisionsnivellieren, Präzisionsnivellierlatten und speziellen, fehlertilgenden Messungsanordnungen. Anwendung finden Präzisionsnivellements u.a. in der Landesvermessung (z.B. zur Herstellung, Erhaltung und Verdichtung des Nivellementpunktfeldes), bei wissenschaftlichen Aufgaben (z.B. zum Nachweis elastischer Deformationen der Erdkruste) und im Bauwesen (z.B. zur Planung, Ausführung und Überwachung von Ingenieurbauwerken). [DW]
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