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Lexikon der Geowissenschaften: Molluska

Molluska, [von lat. mollis = weich], Weichtiere, sehr großer, heterogener und vielgestaltiger Stamm der wirbellosen Metazoen. Mollusken besitzen ein komplexes Nervensystem; bei heutigen Cephalopoden mit räuberischer Lebensweise ist ein von einer Knorpelkapsel geschütztes Gehirn entwickelt. Der Molluskenkörper ist – abgesehen von einigen ursprünglichen Vertretern – nicht segmentiert und zeigt i.d.R. vier Abschnitte: Kopf, Fuß, Eingeweidesack und Mantel. Der Kopf ist meist deutlich vom restlichen Körper abgesetzt und trägt wichtige Sinnesorgane (Augen, Fühler). Hinter der Mundöffnung liegt die Radula, das mit zahlreichen hornigen Zähnchen besetzte "Zungenband" (außer bei Muscheln) zum Abraspeln der Nahrung. Der Fuß ist eine muskulöse Bildung des Hautmuskelschlauches. Er diente zunächst zum Kriechen, wurde jedoch als Lokomotionsorgan vielfach abgewandelt (Graben, Schwimmen). Der Eingeweidesack enthält das Herz, den Darm, die Nephridien ("Nieren") und den Geschlechtsapparat. Der Mantel ist eine Hautfalte, die für die Abscheidung der Schalensubstanz verantwortlich ist. Die Atmung erfolgt über innerhalb der Mantelhöhle liegende Kiemen (außer bei Landschnecken). In die Mantelhöhle mündet auch der Anus. Die meisten Mollusken besitzen eine ein- oder mehrteilige Außenschale aus wechselnden Anteilen von Calcit und/oder Aragonit. Diese kann jedoch auch reduziert sein (Nacktschnecken), oder sie wurde sekundär zum Innenskelett wie bei der rezenten Gattung Sepia und bei den fossilen Belemniten.

Die Abstammung der Mollusken ist noch ungeklärt. Aufgrund der Segmentierung bei den Polyplacophoren und Monoplacophoren wird eine Verwandtschaft zu den erdgeschichtlich etwas älteren Annelida (Ringelwürmern) angenommen. Beide Gruppen könnten gemeinsame Vorfahren gehabt haben. Dafür spricht auch die Ähnlichkeit der Aplacophora zu den Anneliden. Die Stammeszugehörigkeit sowie die verwandtschaftlichen Verhältnisse der Molluskenklassen sind nicht in allen Fällen völlig geklärt. Hier werden die einzelnen Klassen kurz im Vergleich zu einem hypothetischen "Urmollusken" betrachtet ( Abb. 1 ):

1. Klasse Aplacophora (Wurmmollusken): Es sind marine, wurmförmige Tiere von meist wenigen Zentimetern Körperlänge. Die rezenten Solenogastres (Furchenfüßer) tragen außen eine Cutikula mit eingelagerten aragonitischen Skelettelementen; Kiemen fehlen, doch wird die mit wenigen Zähnen besetzte Radula als sicheres Molluskenmerkmal gewertet. Die kambrischen Sachitiden werden teilweise als fossile Vertreter dieser Gruppe, teilweise aber auch als Anneliden gedeutet.

2. Klasse Polyplacophora (Amphineura, Vielplatter, Käferschnecken): Polyplacophora sind marine Mollusken mit sieben- bis achtteiliger, bilateralsymmetrischer Schale, die von einem biegsamen Gürtel umgeben wird. Der Weichkörper ist sehr einfach gebaut, mit vorderem Mund, Radula, hintenliegendem After und zahlreichen Kiemen in seitlichen Mantelfurchen sowie großem ventralen Fuß. Sie kommen ab dem oberem Kambrium vor. Fossil werden meist nur isolierte Schalenplatten gefunden. Die meisten rezenten Formen leben als herbivore Weidegänger auf Felssubstraten des Intertidals.

3. Klasse Monoplacophora (Einplatter): Seit dem Kambrium auftretende, marine Mollusken mit einklappiger, mützenförmiger Schale, auf deren Innenseite paarige Muskelabdrücke sichtbar sind. Der kreisförmige Fuß wird beiderseits von der Mantelhöhle umgeben, in welcher die Kiemen liegen. Eine Radula ist vorhanden. Anfang der 1950er Jahre konnte mit der Entdeckung der rezenten, in der Tiefsee lebenden Gattung Neopilina die innere Segmentierung (paarige Muskeln, Kiemen und Nephridien) dieser Klasse nachgewiesen werden, bis dahin galt sie spätestens seit Mitteltrias als ausgestorben. Wegen ihrer inneren Segmentierung kommen die Monoplacophoren dem hypothetischen Urmollusken hinsichtlich ihres Körperbaus am nächsten. Die meisten fossilen Monoplacophoren waren vermutlich herbivore Weidegänger im flachen Wasser.

4. Klasse Gastropoda (Schnecken): Seit dem Kambrium vorkommende, artenreichste Klasse der Mollusken mit ca. 40.000 rezenten und ca. 130.000 fossilen Vertretern ( Abb. 2 ). Ursprünglich rein marin, treten seit dem Karbon zahlreiche limnische und terrestrische Arten auf. Die Fortbewegung ist meist kriechend mit muskulösem, abgeflachten Fuß, doch wird dieser bei wenigen planktonisch lebenden Gruppen (Heteropoda, Pteropoda, Flügelschnecken, ab Jura) zu einem flossensaumartigen Schwimmorgan umgewandelt. Die Kopfregion ist wohlentwickelt mit Augen und anderen Sinnesorganen, die Mündung mit Radula, seltener auch mit hochspezialisierten Elementen zum Nahrungserwerb (räuberische Bohrschnecken, bekannt ab Trias, häufig ab mittlerer Kreide). Das Gehäuse ist einteilig, mützenförmig, plan- oder trochospiral gewunden. Die inneren Organe haben bei vielen marinen Formen eine Drehung (Torsion) von 180º erfahren, nachweisbar durch eine Überkreuzung bestimmter Nervenstränge. Dadurch wurde die Mantelhöhle nach vorne verlagert und gewährleistet, daß frisches Atemwasser an die Kiemen gelangen konnte und die Exkretionsprodukte die Mantelhöhle rasch und ungehindert verlassen konnten. Die seit dem Karbon bekannten Lungenschnecken sind terrestrisch. Bei ihnen erfolgt die Atmung über gut durchblutete Mantelhöhlen, wie auch bei sekundär aquatischen Formen (heutige Teichschnecken z.B. atmen an der Wasseroberfläche). Schnecken sind teilweise gute Faziesfossilien. Ihre biostratigraphische Bedeutung für das Tertiär und Quartär geht hauptsächlich darauf zurück, daß die Ammonoideen, die bis zur Oberkreide die wichtigsten Makroleitfossilien waren, an der Wende Kreide/Tertiär ausstarben. Außerdem ist für die Schnecken im Zeitraum Tertiär/Quartär eine enorme Steigerung der Diversität zu verzeichnen.

5. Klasse Bivalvia (Lamellibranchiata, Pelecypoda, Muscheln): Seit dem unteren Kambrium auftretende, marine und (seit Karbon) limnische, bilateralsymmetrische, am oder im Substrat lebende Mollusken ( Abb. 3 ) mit zweiklappigem Gehäuse (meist gleichklappig mit ungleichseitigen Klappen). Der die Klappen bildende, zweilappige Mantel berührt die Klappen entlang der Mantellinie. Die Kopfregion mit Radula ist vollständig reduziert. Die paarigen Kiemenblätter sind groß und dienen neben der Atmung dem Ausfiltern von Nahrungspartikeln (Suspensionsfresser). Der ventrale Fuß wird zum Kriechen, bei einigen Formen auch zum Bohren eingesetzt. Rechte und linke Klappe sind durch ein Schloß (oft mit Schloßzähnen und -gruben) artikuliert und mit ein bis zwei Schließmuskeln versehen. Das in der Schloßregion liegende Ligament aus organischer Substanz hält die Klappen zusammen und kann sie bei Erschlaffen der Schließmuskeln (z.B. postmortal) öffnen. Grabende Muscheln besitzen einen Verbindungsstrang (Sipho) zwischen Mantelhöhle und Außenwelt, die Mantellinie ist dann am Hinterende sinusförmig ausgebuchtet (Mantelbucht, sinupalliate Mantellinie), im Gegensatz zur integripalliaten, einfach geschwungene Mantellinie bei nicht grabenden Formen. Sessile Muscheln sind über zähe Byssusfäden mit dem Substrat verbunden oder mit einer Klappe daran festgewachsen. Solche Formen sind auch Riffbildner (Placunopsiden-Riffe der Germanischen Trias, kretazische Rudistenriffe, känozoische Austern-Biostrome). Die systematische Unterteilung fossiler Muscheln richtet sich im wesentlichen nach Schloßbau, Schließmuskelabdrücken sowie Verlauf der Mantellinie, daneben spielen äußere Merkmale wie Umriß und Skulptur eine gewisse Rolle. Muscheln sind oft gute Faziesanzeiger. Einige Gruppen sind auch biostratigraphisch interessant (z.B. limnische Arten im Karbon, Austern und Trigonien im Jura, Inoceramen und Rudisten in der Kreide).

6. Klasse Scaphopoda (Kahnfüßer, Grabfüßer): Scaphopoda treten seit dem Devon auf und sind marine Mollusken mit konisch-röhrenförmiger Schale, die an beiden Enden offen ist. Die Schale wird von zwei Mantellappen gebildet, die frühontogenetisch zusammenwachsen.

7. Klasse Rostroconchia (Schnabelschaler): Schnabelschaler kommen vom Kambrium bis zum Perm vor und sind marine Mollusken von muschelähnlicher Gestalt, jedoch ohne Ligament. Beide Klappen sind dorsal fest miteinander verwachsen. Das Vorderende blieb offen, und das Hinterende ist zu einem Rostrum verlängert.

8. Klasse Cephalopoda (Kopffüßer): Cephalopoda sind Mollusken mit vergleichsweise kompliziert gebautem, gekammerten Gehäuse bzw. Innenskelett.

9. Klasse Tentaculitida (Tentaculiten, von lat. tentaculum = Fühler): Tentaculiten ( Abb. 4 ) sind vom Ordovizium bis zum Oberdevon auftretende, marine Organismen mit spitzkonischer Schale von meist einigen Millimetern bis Zentimeter Länge. Die Feinstruktur des kalkigen Gehäuses deutet auf die Zugehörigkeit zu den Mollusken hin. Die systematische Unterteilung basiert auf Außenmerkmalen sowohl juveniler als auch adulter Gehäuseabschnitte. Wichtig ist die Ausprägung verschiedenartiger transversaler und longitudinaler Skulpturelemente sowie die Ausbildung der Gehäusespitze. Tentaculiten sind z.T. stratigraphisch verwertbar.

Einige Molluskengruppen waren in ihrer phylogenetischen Entwicklung ausgesprochen konservativ (z.B. paläozoische Gastropoden), während andere sich zeitweise in sehr rascher Entwicklung befanden, sehr weit verbreitet waren und somit gute Leitfossilien abgeben. Das gilt insbesondere für die Ammonoideen (Devon bis Oberkreide), daneben für manche Nautiliden (Ordovizium, Silur), Belemniten (Jura, Kreide), Muscheln (ab mittlerer Kreide) und Schnecken (ab Tertiär). [MG]

Literatur: [1] Clarkson, E.N.K. (1986): Invertebrate Paleontology and Evolution. – London. [2] Lehmann, U. & Hillmer, G. (1997): Wirbellose Tiere der Vorzeit. – Stuttgart. [3] Müller, A.H. (1976-1981): Lehrbuch der Paläozoologie, Bd. II, Teil 1-3. – Jena.


Molluska 1: Baupläne wichtiger Molluskenklassen in Relation zum hypothetischen Urmollusken. Molluska 1:

Molluska 2: Merkmale eines Gastropodengehäuses am Beispiel der Gattung Latirus. Molluska 2:

Molluska 3: Orientierung und wichtige Klappenmerkmale einer grabenden Muschel; a) von oben, b) Innenansicht der rechten Klappe. Molluska 3:

Molluska 4: Merkmale eines Tentakulitengehäuses. Molluska 4:
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