Lexikon der Geowissenschaften: Positionsbestimmung auf See
Positionsbestimmung auf See, Teilgebiet der Meeresgeodäsie. Im Vordergrund steht die Bereitstellung genauer Positionen in einem wohldefinierten Bezugssystem. Unterschiede gegenüber den Methoden der kontinentalen Geodäsie sind in den Einflüssen der maritimen Umwelt zu sehen, vor allem im Bewegungseinfluß und in den unterschiedlichen Ausbreitungsbedingungen für Meßsignale über und unter Wasser. Die Genauigkeitsanforderungen sind mit mehreren 100 m bis zu wenigen cm sehr unterschiedlich. Sie ergeben sich aus den Anwendungen für die Meerestechnik (z.B. Positionierung von Bohrplattformen), Meeresbergbau, Offshore-Aktivitäten, Meeresbodenvermessung (z.B. mit Fächersonar), seismischen und gravimetrischen Aufnahmen. Neue Herausforderungen entstehen durch die Umsetzung des Internationalen Seerechtes, insbesondere im Zusammenhang mit der Abgrenzung des Festlandsockels. Höchste Anforderungen ergeben sich für die Bestimmung von rezenten Erdkrustenbewegungen am Meeresboden. Zu den Methoden der Positionsbestimmung auf See gehören die terrestrische Radionavigation, die Satellitennavigation, akustische Verfahren, Inertialverfahren und integrierte Navigation. Die Radionavigation spielt wegen des geringen Genauigkeitspotentials mit Ausnahme von LORAN-C heute keine Rolle mehr. In der satellitengestützten Positionsbestimmung auf See nahm von 1967 bis Anfang der 1990er Jahre Transit eine führende Rolle ein, insbesondere als wesentliche Komponente der integrierten Navigation für Forschungsschiffe. Seither wird wegen der kontinuierlichen und weltweiten Verfügbarkeit vor allem GPS (Global Positioning System) eingesetzt. Für anspruchsvolle Aufgaben kann mit dem Differential-GPS eine Genauigkeit von wenigen Metern erzielt werden. Mit dem kinematischen GPS kann in Küstennähe im Überdeckungsbereich von Referenzstationen eine Genauigkeit von 0,1 m und besser auch für die Höhenkomponente erreicht werden. Anwendungen finden sich in der Hydrographie und z.B. für Meßbojen. Mit erhöhtem Beobachtungs- und Auswerteaufwand kann auch für den offenen Ozean die Positionierung von Meßplattformen durch kinematisches GPS mit Zentimetergenauigkeit erfolgen. Dies spielt für die Überwachung untermeerischer Kontrollpunkte in der Plattentektonik im Zusammenhang mit akustischen Meßverfahren eine Rolle. Eine Verbesserung in der Operationalität, Zuverlässigkeit und Genauigkeit kann durch eine zusätzliche Einbeziehung von GLONASS erwartet werden. Für die Positionsbestimmung und Navigation unter Wasser kommen vorrangig akustische Verfahren in Betracht, da die Reichweite elektromagnetischer Wellen stark begrenzt ist. Aus der Signallaufzeit akustischer Signale können Positionen von Objekten auf dem Meeresboden, im Wasserkörper und an der Meeresoberfläche dreidimensional bestimmt werden. Die Genauigkeit liegt standardmäßig im Meterbereich. Durch sorgfältige Modellierung der Laufzeiten sind 0,1 m erreichbar. Das Meßverfahren eignet sich insbesondere als autonomes Verfahren für lokale Untersuchungen. Die Verknüpfung mit einem globalen Bezugssystem kann über GPS/GLONASS erfolgen.
Ein weiteres autonomes Meßverfahren ist durch die Inertialtechnik (Inertialsystem) gegeben. Aufwendige Plattformsysteme (Kreisel und Beschleunigungsmesser) liefern dreidimensionale Wegfortschritte. Einfachere Lagesensoren dienen zur Orientierungsbestimmung, z.B. von Schiffen. Wegen starker Kreiseldriften benötigen Plattformsysteme externe Stützinformationen, da sonst die Genauigkeit sehr schnell verloren geht. Eine ideale Kombination ist mit GPS/GLONASS gegeben. Die Inertialmessungen dienen dabei vor allem zur Interpolation der Satellitenergebnisse und zur Überbrückung von Datenlücken. Für diese Aufgabe lassen sich auch kostengünstige Inertialsensoren einsetzen. Bei der integrierten Navigation werden unterschiedliche Meßverfahren zusammengeführt, um die Nachteile eines Verfahrens mit den Vorteilen anderer Verfahren auszugleichen. Dabei werden insbesondere Verfahren mit Langzeit- und Kurzzeitstabilität kombiniert. Das klassische integrierte System für Forschungsschiffe bestand aus einem Transitempfänger für die Langzeitstabilität und die Ermittlung absoluter Positionen und einem Dopplersonar (Logge) und Kreisel (Gyro) für die Wegfortschritte zur Interpolation der sog. Satellitenfixe. Je nach Verfügbarkeit wurden noch Radionavigationssysteme zur besseren Fehlermodellierung hinzugenommen. Aus heutiger Sicht bilden GPS/GLONASS-Empfänger mit DGPS/DGLONASS-Schnittstellen das Herzstück einer integrierten Anlage. Zur Überbrückung von Datenlücken und zur Erfassung der Schiffsorientierung können inertiale Lagesensoren zugeschaltet werden. LORAN-C als ziviles Radionavigationssystem dient vor allem der unabhängigen Kontrolle, trägt aber nicht zur Genauigkeit bei. Die wesentliche Rolle der integrierten Navigation kann vor allem darin gesehen werden, den Raum- und Zeitbezug für ein marines Geoinformationsystem bereitzustellen. [GSe]
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