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Lexikon der Geowissenschaften: Rheologie

Rheologie, ist aus dem griechischen Wort für Fließen (rhei) abgeleitet, wurde von Forel (1901) im Handbuch der Seenkunde für fließendes Wasser benutzt. Schon Bingham um 1928 verstand unter ›rheology‹ jedoch Fließen und Kriechen sowie bruchhafte und plastische Deformierbarkeit der Stoffe. So wird der Begriff Rheologie heute auf die Gesteine der Erde und auf alle tektonischen Vorgänge in Erdkruste, Erdmantel und Erdkern angewandt. Besondere Bedeutung erlangten viskose Vorgänge durch die Beobachtungen der Isostasie in den 1930er Jahren und der Plattentektonik in den 1970er Jahren, da beide Prozesse zur Erklärung eine ›weiche‹ Rheologie der Asthenosphäre benötigen. Aber auch Bruch- und Gleitvorgänge, Erdbeben und Seismizität gehen auf rheologische Randbedingungen zurück. Nur im äußeren Erdkern spielen relativ schnelle Konvektionsbewegungen und entsprechend niedrige Viskositäten eine Rolle.

Rheologische Grundkörper haben Elastizität, Viskosität und Plastizität ( Abb. 1). Viskoelastizität läßt sich durch Kombinationen der rheologischen Grundkörper verstehen. Die beiden einfachsten viskoelastischen Körper sind der Kelvin-Körper ( Abb. 2a) und der Maxwell-Körper ( Abb. 2b). Es gilt für den Kelvin-Körper bei Isotropie:

σij=2μeij+2ηkeij

mit σ=Spannung, μ=Schermodul, η=Viskosität, e=Verformung/Dehnung, i und j=Indizes, für den Maxwell-Körper bei Isotropie:

eij=sij/2μ+sij/2ηM.

Der Index M steht für Maxwell. Weitere einfache Kombinationen sind z.B. der Nakamura–Körper ( Abb. 2c), der Prandtl-Körper ( Abb. 2d) und der Bigham-Körper ( Abb. 2e). In der Natur ist eine Überlagerung vieler Körper und vieler Mechanismen vorhanden, der Anfangszustand der Modelle kann nie beobachtet werden. Außerdem ist besonders die Viskosität η oft nicht durch einen Newton-Körper und durch ›Newtonsches Kriechen‹ sondern durch Power Law Creep und andere Mechanismen zu beschreiben.

Die kontinentale Lithosphäre reagiert unter Spannung (stress) im wesentlichen auf zwei Arten: a) spröde, durch bruchhafte Verformung (Sprödbruchverhalten) längs Störungen im Gesteinsverband unter Freisetzung seismischer Energie. Ein Bruch (fracture) ist der Bruchvorgang in einem intakten Gestein, der auch im Labor nachvollzogen werden kann. Vor Erreichen der Bruchspannung tritt meist noch eine nicht elastische Volumenvergrößerung (Dilatanz) ein. Dagegen wird friction (Reibung) mit weitergehenden Vorgängen während eines Bruch- oder Gleitvorgangs an bereits existierenden Rissen, Spalten und Störungen verbunden. Die zur Überwindung des Zusammenhalts notwendige Spannung ist wesentlich kleiner und einheitlicher als die zum Bruch eines Gesteins nötige Spannung (Byerlees Gesetz):

τ =τ 0s.p

bzw. τ =0,85p für kleine p ( 200MPa) und τ =60+0,6 für p > 200 MPa; τ 0=Art Kohäsion (Scherspannung) bei p=0, μs=Reibungskoeffizient (Koeffizient der inneren Reibung), p=lithostatischer Druck (Normalspannung). Bis auf Tonmineralien, z.B. die Schichtsilicate Vermiculit und Montmorrilonit, und entsprechende Tone liegen alle Gesteine auf der durch das Byerleesche Gesetz (BG) dargestellten Geraden mit der konstanten Steigung μs. Die Scherfestigkeit für Kompression ist drei bis vier mal größer als die für Extension. Das liegt formal an der Differenz der Spannungen σ13 und physikalisch daran, daß die Kompressionsspannung stets größer und die Extensionsspannung stets kleiner als p ist. Aus dieser Tatsache ergeben sich Konsequenzen für die tektonische Entwicklung von Orogenen und Becken. Letztere können bereits durch kleine (Dehnungs-) Spannungen initiiert werden, während zur Enstehung von Orogengürteln gewaltige tektonische (Kompressions-) Spannungen erforderlich sind. Störzonen spielen in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle, die fast stets mechanisch und rheologisch ›weicher‹ als ihre Umgebung und sind. Hier lokalisieren sich in einer linearen Bruchzone Bruch- oder Gleitprozesse, vermutlich durch die Entlastung (failure) einer größeren tektonischen Spannung. Weitere Spannungen werden sich an der gleichen Bruchfläche entlasten, auch wenn sie aus einer ganz anderen Richtung wirken. Z.B. werden bei der Inversion von Becken Dehnungsverwerfungen als Aufschiebungsverwerfungen benutzt. Durch wiederholte Bruchprozesse längs einer Verwerfung kommt es zu einer Modifizierung des Gesteins (Verkleinerungen und Ausrichtungen von Körnern und Mineralen, Anisotropien, Bildung von Brekzien, Myloniten, Tachylithen und tonartigem ›fault gouge‹). Der Aufbau der rheologisch weichen Störzonen ist komplex. Ihre Reflektivität, Geschwindigkeit, Dichte und Viskosität werden von verschiedenen Vorgängen geprägt, etwa durch das spezifische Verhalten der einzelnen Minerale, oder metasomatische Prozesse, die Teile der Verwerfung verhärten (strain hardening) können (Zementation, Rekristallisation). Bekannt sind die besonders ›weichen‹ Überschiebungszonen alpiner Decken. Andererseits gibt es besonders harte Gesteinskomplexe, etwa ultramafische Körper im Himalaja, die keinerlei Störungen entwickelt haben. Solche Komplexe bleiben auch unter hohen Spannungen weitgehend intakt und frei von Störungen, da sich angreifende Spannungen in ihrer (weicheren) Umgebung entladen.

Das BG ist von p, aber nicht von T abhängig. Es gilt nur unterhalb einer bestimmten T, und zwar bis etwa 350ºC für quarzreiche, bis etwa 500ºC für feldspatreiche und bis etwa 750ºC für olivinreiche Gesteine. Beobachtungen der Seismizität und der Tiefenerstreckung von Störzonen (durch Reflexionsseismik) bestätigen dies. Allgemein werden Störzonen (reflexionsseismisch) nur in Oberkruste und oberstem Erdmantel beobachtet.

b) duktil, durch kriechende Verformung rheologisch ›weicherer‹ Schichtpakete, meist oberhalb einer bestimmten Temperatur. Alle Gesteine werden unter hohem Druck (p) und Temperatur (T) duktil. Ab etwa 350ºC, die meist in 10 bis 20 km Tiefe erreicht werden, werden Dislokationen mobil, so daß eine angreifende Spannung teilweise durch kriechende (duktil, plastisch) Deformationen abgebaut wird. Es existiert ein breiter Übergangsbereich mit spröden und plastischen Prozessen, bis in größerer Tiefe, ab etwa 20 km, ein duktiles Verhalten dominiert. Diese Übergangszone wird oft als ›halb-spröde‹ (semi-brittle) bezeichnet. Um ein rheologisches Gesetz für den duktilen Bereich aufzustellen, werden seit etwa 1930 Jahren Kriechversuche unter Hochdruck-Hochtemperatur-Bedingungen durchgeführt. Die Gesteine werden nach ihrer Zusammensetzung der zehn wichtigsten Mineralien geprüft. Vereinfachend bestimmen quarzhaltige (sialische) Gesteine der Oberkruste und feldspathaltige Gesteine der Unterkruste das Kriechverhalten der Krustengesteine. Von den vorgeschlagenen Kriechgesetzen wird meist das Weertmansche Kriechgesetz (WG) bevorzugt, weil es mehrere – allerdings nicht alle – Kriechvorgänge beschreiben kann. Für die Kriechrate ε gilt:

ε=C0τ nexp(-Ec/RT)

mit C0=Materialkonstate, Ec=Aktivierungsenergie, R=Gaskonstante, T=Temperatur in ºK, n=Exponent (1 bis 4), τ =Scherspannung. Das WG ist ein ›Power Law-Gesetz‹ mit n meist größer als 1. Es beinhaltet petrologisch-physikalisch verschiedene Arten von Kriechprozessen und Verformungen. Das WG wird oft modifiziert, z.B. durch den Faktor d-m (korngößenabhängiges Kriechen, grain-size-sensitive creep), der bei kleinen Korngrößen offenbar eine Rolle spielt, oder zur Erklärung des Dislokationsgleitens (duktile Verformung), das ein exponentielles Zusatzglied erfordert. Bei Vorhandensein fluider Phasen kann es zu Korngrenzen-Diffusionskriechen (grain boundary diffusional creep) kommen, wobei der Transport hauptsächlich durch interkristalline Flüssigkeiten vor sich geht. Oft überlagern sich die verschiedenen Kriechprozesse, doch wurde für Olivin von 1 mm Korngröße ein Deformations-Diagramm angegeben, das die dominierenden Prozesse in einem T-τ -Diagramm darstellt. Löst man die WK nach η auf mit η=τ /ε, so ergibt sich nach Logarithmieren:

lnη=(1/n)[(Ec/RT)+(1-n)ε-lnCn]

(Viskositäts Gleichung aus WG). Man erkennt den großen Einfluß der nicht-logarithmischen Glieder Ec und T, die als Funktion der Tiefe bekannt sein müssen. Die Aktivierungsenergie Ec ist von der Petrologie abhängig. Sie korreliert mit den seismischen Geschwindigkeiten und läßt sich aus diesen abschätzen ( Tab. ). T ist aus den Wärmeflußdichtewerten q0 abschätzbar, mit einer gewissen Kontrolle durch Seismizität oder Geothermo- bzw. Geothermobarometrie. Basierend auf BG und WG entwickelte sich die Vorstellung, daß die petrologische (angenähert durch die seismische) Schichtung auch zu einer mechanisch-rheologischen Schichtung der Lithospäre führt. Zonen niedriger Viskosität existieren an der Basis der quarzreichen Oberkruste und der mafischen Unterkruste (Conrad-Diskontinuität). Andererseits wird die niedrig η-Zone in der Unterkruste noch ausgeprägter, wenn auch hier sialisches oder quarzreiches Material z.B. Gneise oder Granulite, vorhanden sind. Aktuell wird der Einfluß von hohem Porendruck und fluiden Phasen untersucht.

Als Fazit bleibt festzustellen, daß in der Natur immer nur eingefahrene (steady state) Vorgänge ineinandergreifender Prozesse beobachtet werden können, die von der Frequenz der angreifenden Spannung und vom Material abhängig sind. In einer warmen (jungen) und in einer verdickten Unterkruste ist stets eine Schicht verminderter Viskosität vorhanden, wo duktile und entkoppelnde Verhältnisse herrschen. Sie sind bei tektonischer Kompression das Ziel von Indentationen, wenn, wie in den Alpen, eine hochviskose Schicht (hier der adriatische flache Mantel) die weiche (hier europäische) Kruste penetriert. So zeigt Abb. 3 vereinfachend die verschiedenen rheologischen Zonen einer kontinentalen Lithosphäre. In jenen Tiefen aber, in denen die kontinentale Lithosphäre besonders weich ist und bei Kompressionsvorgängen durch (Krustenverkürzung, -verdickung, Aufstieg und Escape) reagiert, zeigt die ozeanische Lithosphäre ihre größte Härte und Viskosität, hervorgerufen durch die dünne, vorwiegend basaltische Kruste und einen hochliegenden Erdmantel. Dies ist die Voraussetzung für ihren weitgehenden Zusammenhalt bei Subduktionsvorgängen (in denen die ganze Lithosphäre abwärts geführt wird) sowie für die Schärfe ozeanischer (nicht kontinentaler) Plattengrenzen.

Der obere Teil des Erdmantels bis in etwa 200 bis 250 km Tiefe gehört zur Lithosphäre. In alten (und kalten) Schilden können die obersten 20 bis 40 km des Erdmantels rigide und spröde sein. Dies ist bei tektonischer Beanspruchung durch Seismizität oder in Zonen früherer Aktivität durch die Erhaltung von Störzonen erkennbar. Ansonsten ist der Erdmantel rheologisch als kriechfähig anzusehen. Das Kriechverhalten wird dabei von der Fluidbeimengung und die spezifischen Eigenschaften des Olivin als weichstes und häufigstes Mineral bestimmt. Deformationen gehen im wesentlichen durch Dislokationskriechen, d.h. nach echten Power-Law-Prozessen vor. Die Asthenosphäre ist eine viskos-kriechende Schicht, die den ganzen Erdball umspannt und nur unter den großen Kontinenten Asien und Afrika weniger ausgeprägt erscheint. Man spekuliert, daß Konvektionsbewegungen in der Asthenosphäre auch für den Transport der Lithosphärenplatten mit verantwortlich sind. Hinweise auf eine rheologische weiche Schicht im oberen Erdmantel wurzelten in zwei Forschungsrichtungen. Die eine war mit dem Aufstieg eisentlasteter Gebiete in Fennoskandien und Kanada verbunden. Schon Barrell hatte um 1915 einen Fließkanal niedriger Viskosität vermutet. In den 1930er Jahren postulierte man einen 100 km dicken Kanal und in den 1970er Jahren, mit Beginn der Untersuchungen zur Plattentektonik, rechnete man mit einer 350 km mächtigen weichen Schicht, der Asthenosphäre, und vermutete hier Viskositätswerte von 1020 bis 1021 Pa s. Diese Werte erschienen realistisch und konnten auch die verschiedenen Aufstiegsraten und das periphere Absinken um die Aufstiegszonen herum erklären. Weniger Übereinstimmung herrscht bezüglich des tatsächlichen Kriechgesetzes in der Natur. Die Beobachtungen des anfangs starken, später nachlassenden Aufstiegs verschieden großer Gebiete lassen sich durch Newton-Kriechen mit n=1, und auch mit Power-Law-Kriechen (Power-law-creep) und n=3 erklären. Grundlegende Arbeiten rechnen mit Wärmeleitung und Konvektion, das heißt mit zwei unterschiedlichen Wärmetransportprozessen, die durch die Rayleigh-Zahl Ra eine Trennung der verschiedenen Bereiche ermöglicht:

Ra=(αgcρ2D3/Kη)ΔT,

wobei α=thermischer Ausdehnungskoeffizient, g=Schwerebeschleunigung, ρ=Dichte, D=Mächtigkeit der fließenden oder kriechenden Schicht, K=thermische Leitfähigkeit, ΔT=Temperaturgradient, der über den adiabatischen hinausgeht. Neuere Arbeiten rechnen mit Randbedingungen aus der Form des Geoids sowie Änderungen der Erdrotation und der Elliptizität. Die Unsicherheiten in den Viskositätsmodellen sind recht groß, vor allem wegen des unbekannten Prozentsatzes partieller Schmelzen, die vor allem in der Asthenosphäre verstärkt vermutet werden. Zur Erklärung vieler Beobachtungen beim Aufstieg eisentlasteter Gebiete kann das (lineare) Diffusionskriechen herangezogen werden. Es scheint bei hohen T, kleinen τ , kleinen Korngrößen und hohen Drucken zu dominieren. Auch dynamische Rekristallisation reduziert die Korngröße und mag Diffusionskriechen fördern und die Asthenosphäre weiter schwächen, wodurch eine Entkoppelung auftreten kann. Andererseits wird kontinentale Riftbildung im wesentlichen durch die unterschiedliche Kriechstärke, d.h. am schwächsten längs der schnellen Olivinachse begünstigt. Auch für den unteren Erdmantel berechnete man Viskositätswerte von ca. 1021 Pa s. Dies unterstützt die vermuteten ähnlichen Konvektionsmuster im oberen und unteren Erdmantel sowie den Aufstieg von Plumes, die lediglich an der 660 km-Diskontinuität eine Barriere vorfinden, die jedoch von starken Plumes überwunden wird. Ein zweiter Hinweis auf die Existenz einer weichen Schicht im oberen Mantel kam von der Seismologie (Gutenberg, Gutenberg-Diskontinuität), die eine mächtige Zone verminderter Geschwindigkeiten seismischer Wellen entdeckte. Erst die Plattentektonik stellte in den 1970er und 1980er Jahren eine gewisse Koinzidenz von Gutenbergs Kanal niedriger Geschwindigkeiten und der ›weichen‹ Asthenosphäre mit η 1020 her, die besonders hohe T/Tm-Werte und damit geringe Viskositätswerte aufweist.

Zur Berechnung der Rheologie im Erdmantel wird die Struktur des langwelligen Geoids und seiner Veränderungen als Ausdruck von Mantelkonvektion gedeutet. Dellen des Geoids können dann auf Subduktion zurückgeführt werden. Die Modelle eines dynamischen Geoids ergeben etwa 1020 Pa s für die Asthenosphäre und bis zu 1-2·1022 Pa s für den unteren Mantel. Neben diesen langwelligen Konvektionsmustern hat eine kleinräumige Konvektion im Zusammenhang mit Plumes große Beachtung gefunden. Starke Plumes kommen offenbar von der Kern-Mantel-Grenze, wo ein starker T-Gradient vorliegt. Die seismische Tomographie hat hier die D''-Schicht entdeckt, eine Grenzschicht, die als Ausgangspunkt größerer Plumes und Endpunkt starker (ozeanischer) Subduktionszonen angesehen werden kann. Plumes durchqueren mit signifikanten η-Minima den ganzen Mantel in knapp 100 Mio. Jahren und erreichen die Lithosphäre als pilzförmige hot spots. Sie erzeugen Flutbasaltprovinzen in Kontinenten oder eine Vulkankette, wenn sie unter einer sich bewegenden Lithosphärenplatte auftauchen, z.B. die Hawaii-Emperor-Kette ( Abb. 4). Ähnlich kleinräumig sind kurzwellige Konvektionsbewegungen innerhalb der Asthenosphäre, wie sie z.B. von SEASAT gemessen werden konnten. Auch hier kann sich eine gravitative Instabilität aufbauen, die dazu führt, daß kältere Teile in Form einer Lithosphärenwurzel absinken. Für die Evolution der Erde und anderer Planeten spielt der Beitrag der Plumes zur Formung der Kruste durch Vulkanismus eine entscheidende Rolle (Auftreten der Megaplumes in der Kreide). Heute vermutet man einen entstehenden Megaplume unter dem Südpazifik und unter Zentralafrika.

Die Rheologie des Erdkerns kann aufgrund der hohen T- und ρ-Werte sowie des unbekannten Beitrags chemischer Beimengungen zum vorherrschenden Eisen nur grob abgeschätzt werden. Der flüssige äußere Kern führt in seiner Konvektionsbewegung Anomalien des erdmagnetischen Feldes mit 105 mal größerer Geschwindigkeit mit sich, als alle plattentektonischen Vorgänge es vermögen. Nimmt man ähnlich hohe Werte für ε an sowie n=3, so gäbe sich eine 1010 mal kleinere Viskosität für den äußeren Erdkern als für den Erdmantel. Die komplexen Konvektionsbewegungen im flüssigen äußeren Kern, die vermutlich eine helikale Struktur besitzen, sind bekanntlich für den Aufbau des Geodynamos verantwortlich. Der etwas eisenreichere innere Kern ist vermutlich durch Ausfrieren entstanden und muß im Laufe der Erdgeschichte auf seine heutige Größe angewachsen sein, wobei seine Temperatur nur geringfügig unterhalb der Schmelztemperatur liegt. Er ist damit rheologisch weich, aber nicht flüssig. Durch sein Gefrieren liefert er vermutlich die zur Erhaltung des Geodynamos notwendige Wärme und Kraft. Es ist nicht bekannt, was den Dynamo veranlaßt, Feldumkehrungen zu erzeugen, doch vermutet man, daß besonders lange Perioden ohne Umkehrungen, wie z.B. während der Kreide, mit besonders starken und schnellen Bewegungen des Geodynamos verbunden waren. [RM]

Literatur: [1] DE SMET, J.H., van den BERG, A.P. and VLAAR, N.J. (1998): Stability and growth of continental shields in mantle convection models. – Tectonophysics 296: 15-29. [2] KARATO, S.I. and WU, P. (1993): Rheology of the upper mantle. – Science 228: 1968-1971. [3] KOHLSTEDT, D.L. and ZIMMERMAN, M.E. (1996): Rheology of partially molten mantle rocks. – Ann. Rew.Earth Planet. Sci. 24: 41-62. [4] MEISSNER, R. and MOONEY, W. (1998): Weakness of the lower continental crust: a condition for delamination, uplift, and escape. – Tectonophysics 296: 47-66. [5] VAUCHEZ, A., TOMMASI, A. and BARRUOL, G. (1998): Rheological heterogeneity, mechanical anisotropy and deformation of the continental lithosphere. – Tectonophysics 296: 15-29.


Rheologie (Tab.): Werte der Aktivierungsenergie EC und der seismischen Geschindigkeit VP für unterschiedliche Gesteine.

Rheologie 1: die drei rheologischen Grundkörper. Rheologie 1:

Rheologie 2: a) Kelvin-Körper, b) Maxwell-Körper, c) Nakamura-Körper, d) Prandtl-Körper, e) Bingham-Körper. Rheologie 2:

Rheologie 3: gesteinstypischer und rheologischer Schnitt durch Kruste und obersten Mantel in Mitteleuropa. Rheologie 3:

Rheologie 4: Schema eines aufsteigenden Plumes (1) mit Schmelzen (2) in Plume und Kruste, Magmaaufstiegswegen (3) und Vulkanismus (4); M = Moho. Rheologie 4:
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