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Lexikon der Mathematik: Einschrittverfahren

Typus von Verfahren zur näherungsweisen (numerischen) Berechnung der Lösung von Anfangswertproblemen gewöhnlicher Differentialgleichungen, bei dem sukzessive Näherungswerte für die exakte Lösung zu diskreten Zeitpunkten berechnet werden unter Verwendung eines bereits bestimmten Näherungswertes.

Man betrachte zunächst das einfachste Beispiel für ein Anfangswertproblem einer einzelnen Gleichungder Form y′ = f (x, y), y(x0) = y0.

In der einfachsten Form, dem Verfahren von Euler, wird die Differentialgleichung durch eine Differenzengleichung \begin{eqnarray}({y}_{i+1}-{y}_{i})/h=f({x}_{i},{y}_{i})\end{eqnarray} approximiert, wobei die yi Näherungen von y(xi) an den äquidistanten Stellen xi = x0 + ih, i = 1, 2,…, sind.

Daraus läßt sich die explizite Formel \begin{eqnarray}\begin{array}{cc}{y}_{i+1}:={y}_{i}+hf({x}_{i},{y}_{i}) \end{array}\end{eqnarray} für yi + 1 herleiten. Das durch die Vorschrift (1) definierte Verfahren benennt man nach Euler; es kann als der Prototyp eines Einschrittverfahrens angesehen werden (Eulersches Polygonzug-Verfahren).

In Verallgemeinerung des Euler-Verfahrens betrachtet man Rekursionen der Form \begin{eqnarray}{y}_{i+1}:={y}_{i}+h{\rm{\Phi }}({x}_{i},{y}_{i},h),\end{eqnarray} bei denen Φ eine zunächst beliebige Rechenvorschrift bezeichnet, um aus xi, yi und der Schrittweite h den neuen Wert yi+1 zu bestimmen.

Der Typus des Einschrittverfahrens hängt dabei offensichtlich von der gewählten Funktion Φ ab. Der Zusammenhang zwischen Φ und der Differentialgleichung wird über den Begriff der Konsistenz hergestellt, nach der \begin{eqnarray}\mathop{\mathrm{lim}}\limits_{h\to 0}{\rm{\Phi }}(x,y,h)=f(x,y)\end{eqnarray} gelten muß. Die Konsistenz ist hinreichend für die Konvergenz des Verfahrens.

Man unterscheidet bei Einschrittverfahren zwischen dem lokalen Diskretisierungsfehler \begin{eqnarray}{\delta }_{i+1}:=y({x}_{i+1})-y({x}_{i})-h{\rm{\Phi }}({x}_{i},y({x}_{i}),h)\end{eqnarray} und dem globalen Fehler \begin{eqnarray}{\varepsilon }_{i}:=y({x}_{i})-{y}_{i}.\end{eqnarray}

Ist Φ bezüglich y Lipschitz-stetig mit Lipschitz-Konstanten L, so läßt sich der globale Fehler durch den lokalen Diskretisierungsfehler abschätzen gemäß \begin{eqnarray}|{\varepsilon }_{i}|\le \frac{D}{hL}{e}^{({x}_{i}-{x}_{0})L}\end{eqnarray} mit \begin{eqnarray}D\ge \mathop{\max }\limits_{1\le k\le i}{\delta }_{k}.\end{eqnarray}

Ein Einschrittverfahren besitzt die Fehlerordnung p, falls D = O(hp+1) und damit |ϵi| = O(hp) ist. Bekannteste Beispiele weiterer Einschrittverfahren sind die Runge-Kutta-Verfahren.

Schließlich kann man die gesamte Vorgehensweise auch auf Systeme von Differentialgleichungen anwenden: Wir betrachten zu stetigem f: ℝn → ℝn und y0 ∈ ℝn das Anfangswertproblem \begin{eqnarray}\begin{array}{cc}{\bf{\text{y}}}^{\prime} (t)={\bf{\text{f}}}(t, {\bf{\text{y}}}(t)),\quad {\bf{\text{y}}}({x}_{0})={{\bf{\text{y}}}}_{0}. \end{array}\end{eqnarray}

Man wählt auch hier eine Schrittweite h > 0 und eine Abbildung Φ : C0(ℝn, ℝn) × ℝn × ℝ → ℝn und berechnet Näherungswerte yi für die Lösung y(xi) von (2), indem man rekursiv definiert \begin{eqnarray}{{\bf{\text{y}}}}_{i+1}:={{\bf{\text{y}}}}_{i}+h{\rm{\Phi }}({\bf{\text{f}}},{{\bf{\text{y}}}}_{i},{x}_{i}).\end{eqnarray}

Eine Fülle weiterer Informationen über derartige Verfahren findet man in der nachfolgend angegebenen Literatur.

[1] Hairer, E.; Norsett, S.P.; Wanner, G.: Solving Ordinary Differential Equations I: Nonstiff Problems. Springer-Verlag Berlin/Heidelberg, 1987.
[2] Lambert, J.D.: Numerical Methods for Ordinary Differential Systems. John Wiley and Sons Chichester, 1991.
[3] Stoer, J.; Bulirsch, R.: Einführung in die Numerische Mathematik II. Springer-Verlag Heidelberg/Berlin, 1978.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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