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Lexikon der Mathematik: Modulraum

klassifizierender Raum zu einem Modulproblem.

Eine allgemeine Methode, in der lokalen algebraischen Geometrie Modulräume zu konstruieren, ist die folgende.

Man sucht sich in der Menge der zu klassifizierenden Objekte das „schlechteste“ heraus und berechnet dessen verselle Deformation. In der Regel sind in dieser Deformation (als Fasern) alle Objekte repräsentiert, die klassifiziert werden sollen.

Die verselle Deformation XT wird meistens triviale Unterfamilien enthalten. Diese werden durch die Integralmannigfaltigkeiten des Kerns der Kodaira–Spencer–Abbildung von XT gegeben. Diese Integralmannigfaltigkeiten können oft als Orbits der Wirkung einer algebraischen Gruppe G (meist eine auflösbare Gruppe) interpretiert werden, sodaß der Modulraum der Quotient T/G ist. Dieser Quotient existiert in der Regel nicht als algebraische Varietät. Durch Fixieren weiterer Invarianten, die insbesondere bewirken, daß die Orbitdimension konstant ist, erhalten wir eine Stratifizierung T = ∪Tα. Der geometrische Quotient Tα/G existiert, und die Menge der Tα/G ist eine Lösung für das Modulproblem.

Ein Beispiel: Es sollen alle ebenen Kurvensingularitäten mit Halbgruppe Γ = ⟨5, 6⟩ klassifiziert werden. Die „schlechteste“ Singularität ist die durch x5 + y6 = 0 definierte Kurve. Die verselle Deformation mit konstanter Halbgruppe Γ ist definiert durch \begin{eqnarray}F\,=\,{x}^{5}\,+\,{y}^{6}\,+\,{t}_{1}{x}^{2}{y}^{4}\,+\,{t}_{2}{x}^{3}{y}^{3}\,+\,{t}_{3}{x}^{3}{y}^{4}\,.\end{eqnarray}

Der Kern der Kodaira–Spencer–Abbildung wird durch die Vektorfelder \(2{t}_{1}\frac{\partial }{\partial {t}_{1}}+3{t}_{2}\frac{\partial }{\partial {t}_{2}}+8{t}_{3}\frac{\partial }{\partial {t}_{3}},\,{t}_{2}\frac{\partial }{\partial {t}_{3}}\,\text{und}\,{t}_{1}\frac{\partial }{\partial {t}_{3}}\) erzeugt. Zu dieser Lie–Algebra gehört die algebraische Gruppe \begin{eqnarray}G\,=\,\left\{\left(\begin{array}{ccc}{a}^{2} & 0 & 0\\ 0 & {a}^{3} & 0\\ b & c & {a}^{8}\end{array}\right)\,|\,a,\,b,\,c\,\in \,C,\,a\,\ne \,0\right\}\,,\end{eqnarray}

die linear auf dem Parameterraum der Deformation operiert.

Für die Punkte des ℂ3 gibt es drei möglich Orbitdimensionen:

Orbitdimension 2, falls t1 ≠ 0 oder t2 ≠ 0,

Orbitdimension 1, falls t1 = t2 = 0 und t3 ≠ 0,

Orbitdimension 0, falls t1 = t2 = t3 = 0.

Wenn wir auf diesen drei Mengen den Quotienten nach der Wirkung von G bilden, erhalten wir ℙ1, und in den anderen beiden Fällen jeweils einen Punkt. Die Orbitdimensionen hängen mit einer Invariante der Singularität, der Tjurina-Zahl, zusammen. Wir erhalten somit: Der Modulraum aller ebenen Kurvensingularitäten mit Halbgruppe Γ = ⟨5, 6⟩ und Tjurina-Zahl 18 ist ℙ1, wobei für (t1 : t2) ∈ ℙ1 die zugeordnete Singularität durch x5 + y6 + t1x2y4 + t2x3y3 definiert ist. Die Modulräume mit Tjurina-Zahl 19 bzw. 20 sind jeweils ein Punkt und entsprechen den Singularitäten, definiert durch x5 + y6 + x3y4 = 0 bzw. x5 + y6 = 0.

In ähnlicher Weise kann man Modulräume von Moduln über lokalen Ringen von Singularitäten konstruieren, indem man für einen entsprechenden Modul die verselle Deformation und die entsprechende Kodaira-Spencer-Abbildung berechnet.

Für glatte algebraische Kurven existieren Modulräume des entsprechenden Modulproblems und werden wie folgt konstruiert.

Mit Hilfe der sogenannten 3-kanonischen Einbettung kann jede glatte algebraische Kurve über ℂ vom Geschlecht g in den ℙ5g−6 eingebettet werden. Sie hat das Hilbert-Polynom h(x) = (6g − 6)x +(1 − g). Im Hilbert-Schema \({\text{Hilb}}_{{\mathbb{P}}5g-6}^{h(x)}\) aller glatten Untervarietäten von ℙ5g−6 mit Hilbert-Polynom h(x) bilden diese Kurven einen Unterraum H, auf dem die Gruppe PGL(5g−6) operiert. Der Quotient 𝔐g = H/PGL(5g − 6) existiert und ist eine quasi-projektive Varietät, der grobe Modulraum aller glatten algebraischen Kurven vom Geschlecht g.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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