Lexikon der Mathematik: Schmidt, Erhard
Mathematiker, geb. 13.1.1876 Dorpat (Tartu), gest. 6.12.1959 Berlin.
Erhard Schmidt war der Sohn des Physiologen Alexander Schmidt (1831–1894). Er studierte in Dorpat, Berlin und Göttingen, wo er 1905 bei David Hilbert promovierte. Ein Jahr später habilitierte er sich bei Eduard Study in Bonn und wurde 1908 a. o. Professor an der Universität Zürich. Nach kurzer Tätigkeit in Erlangen nahm er 1911 eine Professur an der Universität Breslau an und wurde 1917 der Nachfolger von H.A. Schwarz an der Berliner Universität, wo er bis zu seiner Emeritierung 1950 wirkte.
Schmidts Forschungen konzentrierten sich auf die Theorie der Integralgleichungen und die Funktionalanalysis. In seiner Dissertation, die 1907 in zwei Teilen erschien, vereinfachte er die Hilbertsche Theorie zur Lösung von Integralgleichungen 2. Art wesentlich. Die Schwarzsche und die Besselsche Ungleichung als Ausgangspunkt wählend und damit die Struktur des zugrundeliegenden Raumes der stetigen Funktionen (mit der gleichmäßigen Konvergenz) betonend, konnte er bei der Herleitung zentraler Sätze der Theorie die von Hilbert durchgeführten komplizierten Grenzübergänge vermeiden, und schuf damit einen methodisch neuen Zugang. Bei mehreren Theoremen gelang ihm eine Abschwächung der Voraussetzungen oder die Ausdehnung der Untersuchungen auf unsymmetrische Kerne. Eine wichtige Rolle in den Beweisen spielte das nach Schmidt benannte Orthogonalisierungsverfahren. In zwei nachfolgenden Arbeiten 1907/08 wandte er seine neue Betrachtungsweise auf nichtlineare Integralgleichungen an. Angeregt durch M. Fréchet schuf er 1908 in einer grundlegenden Arbeit die Anfänge der Theorie des Hilbertschen Folgenraums und vor allem die Geometrie dieses Raumes. Er führte die Begriffe der starken Konvergenz und des abgeschlossenen Unterraums ein und gab die Zerlegung eines Element des Raumes in orthogonale Summanden bezüglich eines Unterraumes an. Mit all diesen Arbeiten leistete Schmidt einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Funktionalanalysis und der Einführung einer geometrischen Ausdrucksweise in der Analysis. Schmidts weitere Forschungen gehörten vorrangig zum Gebiet der Analysis. Interessante Resultate erzielte er zur Potentialtheorie, zur Variationsrechnung und zur Algebra. Er hat wenig publiziert, da er hohe Anforderungen an eine Veröffentlichung stellte. Viele seiner Ideen gab er durch persönliche Kontakte und Vorlesungen weiter. Schmidt genoß große Achtung unter den Mathematikern seiner Zeit und hat auch nach 1933 seine humanistische Grundhaltung nicht aufgegeben.
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