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Lexikon der Neurowissenschaft: Laufmaschine

Laufmaschine w, Gehmaschine, laufender Roboter, Ewalking machine, Bezeichnung für Geräte, die sich mit Hilfe von Beinen fortbewegen können. Die meisten Laufmaschinen besitzen 6 Beine ( siehe Abb. 1 ), es gibt aber auch Geräte mit 2, 4 und 8 Beinen. Laufmaschinen werden sowohl in der Grundlagenforschung als auch für Anwendungszwecke gebaut. Mögliche Anwendungsgebiete sind der Einsatz in Land- und Forstwirtschaft, in Katastrophengebieten (Erdbeben, Industrieunfälle), im Unterwasserbereich und im Weltraum, für die Fortbewegung in Rohren (Industrierohre, Abwasserkanäle), aber auch im Haushalt ("Serviceroboter") und im Bereich der Unterhaltung. Im Rahmen der Forschung werden sie dafür eingesetzt, Hypothesen zu testen, die auf biologische Experimente zurückgehen (Gehen). Die erste Stufe der Überprüfung solcher Hypothesen ist meist eine Computersimulation, jedoch können viele Eigenschaften eines solchen Systems nur mit Schwierigkeiten oder gar nicht simuliert werden (das gilt z.B. für eine komplexe Umwelt, in der sich das Laufsystem bewegen soll). Diese Probleme können durch den Bau eines Roboters (sogenannte "hardware simulation") umgangen werden. Laufmaschinen sind konstruktiv unterschiedlich stark an biologische Vorbilder angelehnt. Besonders problematisch ist hier der Bau elastischer und leichter Antriebe, wie sie die Muskeln darstellen. Einfacher ist der Nachbau der neuronalen Kontrollprinzipien. Bei einer Laufmaschine, die sechs Beine mit je drei Gelenken besitzt, muß die Bewegung dieser insgesamt 18 Gelenke in sinnvoller Weise koordiniert werden. Die biologischen Daten stammen zumeist von Insekten, aber auch von Krebsen. Dabei ergab sich, daß die Gangmuster nicht durch eine zentrale Kontrolleinheit vorgegeben werden. Vielmehr resultieren diese Muster aus dem Zusammenwirken einiger lokaler, d.h. nur zwischen zwei jeweils benachbarten Beinen wirkender Koordinationsregeln ( siehe Abb. 2 ). – Ein Problem, das nicht nur spezifisch die Kontrolle von Laufbewegungen, sondern ganz generell die Kontrolle von Verhalten betrifft, besteht darin, daß ein System mit überzähligen Freiheitsgraden kontrolliert werden muß; d.h., die Zahl der Freiheitsgrade (z.B. die erwähnten 18 Gelenke) ist größer als für die Lösung der Aufgabe (Vorwärtsbewegen des Körpers) eigentlich notwendig wäre. Das Kontrollsystem muß also selbständig Entscheidungen treffen. Ein mögliches Kriterium hierbei könnte die Minimierung des Energieverbrauchs sein, in gefährlichen Situationen aber auch die Minimierung der Zeit. Neben der Betrachtung der neuronalen Kontrolle dürfen aber die passiven Eigenschaften des Geräts nicht vernachlässigt werden. So zeigen geschickt konstruierte zweibeinige Laufmaschinen bereits sehr menschenähnliche Laufbewegungen, obwohl sie sich auf einer leicht geneigten Fläche rein passiv, d.h. ohne jeden Antrieb und damit auch ohne neuronale Kontrolle bewegen.



Laufmaschine

Abb. 1: Eine Analyse der Fortbewegung der Stabheuschrecke Carausius morosus (Abb. a) zeigte, daß bei schneller Bewegung stets 3 ihrer 6 Beine einen festen Halt haben, wenn die anderen 3 einen Schritt machen. Vorder- und Hinterbein einer Körperseite bilden dabei mit dem mittleren Bein der anderen Körperseite ein "stabiles Dreibein". Basierend auf diesem Vorbild wurden sechsbeinige, insektenartige Laufmaschinen entwickelt. Eine 1993 gebaute Maschine wurde LAURON (laufender Roboter neuronal gesteuert; Abb. b) genannt. Der in Leichtbauweise konstruierte LAURON kann sich – modular gesteuert – durch Elektromotoren autark bewegen. Zur Kontrolle der Bewegungsabläufe verfügt LAURON über 150 Sensoren.



Laufmaschine

Abb. 2: Die sechs bei Stabheuschrecken gefundenen Koordinationsmechanismen. Jedes Rechteck repräsentiert das Kontrollzentrum eines Beines, wobei R für rechte, L für linke Beine und 1 für Vorder-, 2 für Mittel- und 3 für Hinterbein steht. Die Pfeile symbolisieren jeweils die koordinierenden Einflüsse, die zwischen zwei Beinen wirken. Die Nummern bei den Pfeilen geben den Typ des Koordinationsmechanismus an. Mechanismus 1 verhindert den Beginn einer Schwingbewegung, solange das Senderbein selbst eine Schwingbewegung durchführt. Mechanismus 2 erhöht die Wahrscheinlichkeit, daß das Bein eine Schwingbewegung beginnt, falls das Senderbein eine Stemmbewegung beginnt. Durch Mechanismus 3 wird die Wahrscheinlichkeit, eine Schwingbewegung zu beginnen, umso größer, je weiter sich das Senderbein nach hinten bewegt. Mechanismus 4 beeinflußt den vorderen Umkehrpunkt des Beines so, daß dieser der Position des nächstvorderen Beines folgt. Mechanismus 5 bewirkt, daß auch im Nachbarbein eine stärkere Kraft erzeugt wird, wenn das Bein selbst eine erhöhte Kraft erzeugt. Mechanismus 6 löst einen kleinen Zwischenschritt aus, wenn das Bein auf den Fuß des nächstvorderen Beines getreten ist.

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