Metzler Lexikon Philosophie: Analogie, Analogieschluss
Bei der A. handelt es sich um einen mehrstelligen Prädikator, der die Ähnlichkeit, d.h. die Übereinstimmung zweier oder mehrerer Sachverhalte hinsichtlich gewisser Merkmale bezeichnet. Unter A.schluss versteht man das logische Verfahren, das zur Entdeckung von Unbekanntem durch Bekanntes dient, indem – im Gegensatz zur Deduktion (dem Schluss von der allgemeinen Regel auf den Einzelfall) und zur Induktion (dem Schluss vom Einzelfall auf die Regel) – von einem Einzelfall auf einen anderen geschlossen wird, und zwar nicht aufgrund einer allgemeinen Regel (weshalb der Schluss auch nur Wahrscheinlichkeit beanspruchen kann), sondern aufgrund eben einer Ähnlichkeit zwischen den Einzelfällen: Aus der Übereinstimmung zweier oder mehrerer Sachverhalte hinsichtlich bestimmter Merkmale wird auf ihre Übereinstimmung auch in anderen, weiteren Merkmalen geschlossen. – Je nach der Art der Übereinstimmung lassen sich verschiedene Formen von A. (und darauf basierenden Schlüssen) unterscheiden, wobei die Verhältnis-A., die auf formaler Übereinstimmung beruht, bisher die meiste Beachtung fand. Hierbei handelt es sich um den Schluss von einem Sachverhalt auf einen anderen aufgrund der totalen Übereinstimmung (Gleichheit) gewisser Relationen (Verhältnisse, Beziehungen, Zusammenhänge, Verbindungen etc.) in den ansonst unterschiedlichen Sachverhalten: (1) Unter struktureller A. versteht man eine völlige oder zumindest teilweise Übereinstimmung der Struktur(en) zweier Sachverhalte (der Beziehungen zwischen ihren Komponenten), wobei von der konkreten Materialität der Sachverhalte abgesehen wird. Falls die strukturelle A. reichhaltig genug ist, kann man den einen Sachverhalt als Abbild bzw. Modell des anderen auffassen. Solche A.n haben sich für die Gewinnung neuer Erkenntnisse in Wissenschaft und Technik heuristisch fruchtbar machen lassen, so z.B. die A. von Sonnensystem und Bohr’schem Atommodell. (2) Als funktionale A. kennzeichnet man die Übereinstimmung zweier Sachverhalte nur im Hinblick auf die Funktion, die sie erfüllen können (ihre Leistungsfähigkeit), obwohl sie sich im strukturellen Aufbau und der Art ihrer Elemente unterscheiden können. Anwendung finden funktionale A.n vor allem in der Informatik und Kybernetik; ihre Funktionsweise ist aber auch eng verwandt mit der der Metapher, des Symbols oder der Allegorie (bspw. der Vergleich des Staatslenkers mit einem Steuermann.) – In der modernen Sprachwissenschaft gilt die A. als das erklärende Prinzip des Sprachwandels (der Um- bzw. Neubildung von Wörtern und Wortformen), da sie abhängig von ähnlichen sprachlichen Formen dort, wo durch Lautwandel Formenvielfalt entstanden ist, Regelmäßigkeit herstellt, vor allem in der Morphologie (der Flexion und Wortbildung), aber auch in der Semantik. Die sprachwissenschaftliche A. lässt sich daher als eine Regelverletzung beschreiben, die sich als neue Norm durchsetzt, oder als Verallgemeinerung einer Regel über ihren bisherigen Anwendungsbereich hinaus.
Literatur:
- H. Höffding: Der Begriff der Analogie. Leipzig 1924
- H. J. Sandkühler: Analogie. In: Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften Bd. 1. Hamburg 1990. S. 101–108
- H. Schwarz: Analogie. In: HWPh Bd 1. Sp. 214–229.
JV
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