Metzler Lexikon Philosophie: Identität
(1) In Aussagen über die Wirklichkeit erscheint eine Form des Identitätsprinzips, die die ontologische These beinhaltet, dass alles Seiende eine gewisse Konstanz des Seins hat. Eine gewisse Konstanz der Dinge, die wir unserer Erfahrung entnehmen, ist die Voraussetzung für jegliches Wissen, das bei einer völlig regellosen, chaotischen und dauernden Veränderung nicht möglich wäre.
(2) Terminus zur Bezeichnung einer vollständigen oder absoluten Gleichheit. In der formalen Logik ist von I. die Rede, wenn in einer Aussageform mit Gegenstandsvariablen für diese Variablen Eigennamen oder Kennzeichnungen eingesetzt werden, die denselben Gegenstand benennen, z.B. der Morgenstern ist derselbe Planet (Venus) wie der Abendstern. Ein Satz a = b besagt, dass das durch die Gegenstandskonstante a bezeichnete Objekt mit dem durch die Gegenstandskonstante b bezeichneten Objekt identisch ist, dass also a und b dasselbe Objekt bezeichnen. Reflexivität, Symmetrie, Transitivität und das Substitutionsprinzip sind diejenigen Eigenschaften, die dem Gebrauch des Gleichheitszeichens in der Logik zugrundeliegen: Reflexivität besagt, dass die I. eine zweistellige Relation ist, in der jeder Gegenstand in Relation zu sich selbst steht; symbolsprachlich:∀x(x = x). Symmetrie der I. besagt, dass für sie die symmetrische Relation gilt, d.h. dass sie einem geordneten Paar von Gegenständen und auch dem umgekehrt geordneten, aber aus denselben Gegenständen bestehenden Paar zukommt; symbolsprachlich:∀xy (x = y ⊃ y = x). Transitivität der I. besagt, dass für sie die transitive Relation gilt, d.h. dass die zwei Gegenstände, die mit einem dritten in der Relation R stehen, auch unter sich in der Relation R stehen; symbolsprachlich:∀xyz (x = y ∧ y = z ⊃ x = z). Das Substitutionsprinzip der I. besagt: Gilt a = b, so kann man a und b überall durcheinander ersetzen, ohne dass sich der Wahrheitswert der Sätze ändert. Zur Unterscheidung zwischen I. und Gleichheit ließe sich anführen, dass wir es bei I. nur mit einem Gegenstand zu tun haben (auf den sich zwei Namen beziehen), bei Gleichheit dagegen mit zwei Gegenständen. – Der Satz von der I. zählt neben dem Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch, dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten und dem Satz der Kontravalenz zu den elementaren Gesetzen der Logik. Er besagt in inhaltlicher Sprechweise, dass ein jeder Sachverhalt sich selbst zur (hinreichenden) Bedingung hat, dass er also besteht, falls er besteht. Es wird Vorausgesetztes und Erschlossenes identifiziert.
(3) Die anthropologische Bestimmung der I. nimmt auf verschiedene Theorien Bezug. Das psychoanalytische Persönlichkeitskonzept von Erikson bestimmt I. dadurch, dass sich ein Ich einer Gruppe zugehörig fühlt und gleichzeitig ein Bewusstsein von sich als selbständigem Individuum hat. Im Symbolischen Interaktionismus von Mead wird mit »I.« die Fähigkeit eines Subjekts bezeichnet, sich zu sich selbst wie zu einem anderen Subjekt zu verhalten, indem die interagierenden Subjekte die Einstellung des jeweils anderen Interaktionspartners antizipieren und sich aus dessen Perspektive wahrnehmen. Die I. beinhaltet zum einen die Summe der Erwartungen seitens der anderen (bei Mead als »me« bezeichnet) und das Moment der Spontaneität seitens des Ich in der Gestaltung der Reaktion auf diese Erwartungen (d.i. das »I«). Goffman erläutert den Begriff der personalen I. im Sinne der Unverwechselbarkeit des Individuums, die sich aufgrund seiner organischen Einmaligkeit und seiner spezifischen lebensgeschichtlichen Daten ergibt. Bei Habermas stellt die Ich-I. eine Balance zwischen persönlicher und sozialer I. dar. Die persönliche äußert sich in der Einheit einer unverwechselbaren Lebensgeschichte, die soziale resultiert aus der Zugehörigkeit eines Individuums zu verschiedenen Bezugsgruppen.
Literatur:
- H. Dubiel: Identität, Ich-Identität. In: HWPh
- E. Erikson: Identität und Lebenszyklus. Frankfurt 1970
- E. Goffman: Stigma. Frankfurt 1967
- J. Habermas: Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik. In: Hermeneutik und Ideologiekritik. Frankfurt 1971. S. 120 ff
- G. H. Mead: Geist, Identität und Gesellschaft. Frankfurt 1973. S. 177 ff
- A. Menne: Einführung in die Methodologie. Darmstadt 21984, S. 69 ff
- F. v. Kutschera/A. Breitkopf: Einführung in die moderne Logik. Freiburg/München 1971. S. 129 ff.
PP
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