Metzler Lexikon Philosophie: Identität, personale
Die Frage nach der p.n I. zielt auf eine Analyse der Bedingungen, in denen diachrone (zeitübergreifende) Identität besteht. Es lassen sich zwei grundlegende Ansätze unterscheiden, p. I. auf andere Relationen zurückzuführen. Nach dem Körperkriterium besteht die Identität einer Person zu zwei verschiedenen Zeitpunkten in der Kontinuität des Körpers während dieses Zeitraums (nach modifizierter Auffassung in der Kontinuität des Gehirns als ausgezeichnetem Teil des Körpers). Dem psychischen Kriterium zufolge lässt sich p. I. analysieren als Kontinuität zwischen den psychischen Zuständen zu verschiedenen Zeitpunkten, vor allem von Erinnerungen an vergangene Erlebnisse. In Opposition zu den reduktiven Ansätzen behaupten Anhänger einer nichtreduktiven Theorie, dass personale Identität ein nicht weiter reduzierbares Faktum darstellt. Während sich die diachrone Identität materieller Dinge, die keine Personen sind, in reduktiver Weise angeben lasse, bestehe p.I. in einem besonderen ontologischen Faktum (einem Ich, einer Seele), das weder auf die Kontinuität eines Körpers noch auf die psychischer Zustände zurückführbar ist. Identität.
Literatur:
- J. Baillie: Problems in Personal Identity. New York 1993
- H. Noonan: Personal Identity. London/New York 1989
- L. Siep (Hg.): Identität der Person. Basel/Stuttgart 1983.
MQ
In der gegenwärtigen Diskussion werden u.a. von MacIntyre und Taylor die Konzeption der p.n I. von John Locke und die Diskussionen seitens der analytischen Philosophie dazu einer eingehenden Kritik unterzogen. Sie wenden ein, dass dabei die I. in gegenständlicher bzw. naturalistischer Perspektive begriffen wird. Dabei bleibt das eigene Selbstverständnis von seinem Selbst, das für jede Person wesentlich ist, unberücksichtigt. Unsere I. ist das, wodurch wir zu bestimmen vermögen, was für uns und für unsere Lebensführung wichtig ist. Was die I. einer einzelnen Person ausmacht, ist wesentlich durch die Art und Weise definiert, in der ihr die Dinge bedeutsam erscheinen. Konstitutiv für p. I. ist ein eigenes Selbstverständnis (bzw. eine Selbstdeutung). Die Selbstdefinition einer individuellen Person (als Antwort auf die Frage »wer bin ich?«) erhält ihren ursprünglichen Sinn erst im Austausch mit anderen. Es ist nie möglich, ein Selbst zu beschreiben, ohne auf diejenigen Bezug zu nehmen, die die Umwelt dieses Selbst bilden. Ebenso notwendig ist, das für die p.I. grundlegende Selbstverständnis mit einem biographischen Werdensprozess zu verbinden. Daraus wird ersichtlich, dass zur p. I. notwendigerweise narrative Elemente gehören. – Eine ähnlich Kritik trägt P. Ricœur vor, der an Locke und den analytischen Konzeptionen eine unzulässige Form reduktionistischer Philosophie bemängelt. Er macht geltend, dass eine adäquate Erörterung von p. I. zwei Aspekte auseinanderzuhalten hat: die Selbstheit (ipse) und die Selbigkeit (idem). Die kritisierten Konzeptionen thematisieren die p. I. aus der Perspektive der Selbigkeit (d.i. der gegenständlichen I.), ohne den subjektiven Charakter (d.i. das subjektive Bewusstsein von sich als einem Selbst) hinreichend in den Blick zu bekommen. Aus Ricœurs Sicht kann nur die Person selbst mitteilen, welche I. sie selbst hat, äußere Kriterien erweisen sich für eine solche Bestimmung als unzureichend. Auch Ricœur postuliert eine »narrative Einheit des Lebens« zur Bestimmung dessen, was eine p. I. ausmacht. In die Tendenz dieser Kritik stimmen, wenn auch zum Teil mit anderer Akzentsetzung, A. O. Rorty und S. Benhabib ein.
Literatur:
- J. Baillie: Problems in Personal Identity. New York 1993
- H. Noonan: Personal Identity. London/New York 1989
- L. Siep (Hg.): Identität der Person. Basel/Stuttgart 1983.
PP
Insbesondere im Hinblick auf bioethische Fragestellungen hat die Bestimmung der p.n I. auch eine große praktische Bedeutung erlangt. In Anknüpfung an John Locke definiert Peter Singer die Bedeutung der ›Person‹ als ein rationales und selbstbewusstes Wesen und unterscheidet ausdrücklich die Personenzugehörigkeit von der Zugehörigkeit zur Spezies Mensch. Der Körper ist somit lediglich für die Gattungszugehörigkeit von Bedeutung, wohingegen mentale Eigenschaften für die Konstitution der p.n I. entscheidend sind. Föten, Säuglinge, irreversibel komatöse und schwer demente Menschen sind nach diesem Kriterium keine Personen, was in Verbindung mit utilitaristischen Prinzipien in manchen Fällen die aktive Tötung von Mitgliedern dieser Gruppe legitimieren soll. Kritiker dieser Konzeption, welche wie Regine Kather die p. I. z.B. in der synchronen und diachronen Einheit von Leib und Geist verorten, machen demgegenüber geltend, dass bereits im Mutterleib emotionale und soziale Kontakte mit dem Embryo stattfinden und der Leib selbst in Fällen schwerster Demenz noch als Ausdrucksverhalten einer Person zu bewerten ist. Begründet wird dies z.B. damit, dass menschliche Bewegungsabläufe nicht instinktiv vollzogen und erlernt werden, aber als Produkte sensomotorischer Intelligenz von theoretischen Kognitionsleistungen abgegrenzt werden müssen.
Literatur:
- J. Baillie: Problems in Personal Identity. New York 1993
- H. Noonan: Personal Identity. London/New York 1989
- L. Siep (Hg.): Identität der Person. Basel/Stuttgart 1983.
CT
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