Metzler Lexikon Philosophie: Ironie
(griech. eironeia: Verstellung), im allgemeinen Sinne eine rhetorische Figur, bei der in offensichtlicher Weise die wirkliche Meinung eines Sprechers über das Besprochene nicht mit seiner geäußerten Ansicht über dieses übereinstimmt. Insoweit eine Form der Distanzierung von der eigenen Äußerung, die dazu dienen kann, Kritik und Ablehnung in der angenehmeren Gestalt scheinbarer Zustimmung und heftige positive Gefühle in der unproblematischeren Form formaler Distanz zu präsentieren.
Innerhalb der philosophischen Tradition tritt I. in dieser Bedeutung als rhetorisches Mittel in der argumentativen Auseinandersetzung auf. Daneben haben sich jedoch drei verschiedene Formen spezifisch philosophischer I. herausgebildet:
(1) die sokratische I.: Sie besteht darin, dass der Wissende im vollen Bewusstsein seiner Überlegenheit sich in die Rolle des Unwissenden begibt, um das vermeintliche Wissen der unwissenden Gesprächspartner durch seine naiv anmutenden Fragen als haltlos bloßzustellen. Die I. hat hier die didaktische Funktion, die Unwissenden durch Selbstverharmlosung des Gesprächspartners zur Selbstoffenbarung zu verleiten. Typisch für die ironische Situation ist auch die kommunikative Überlegenheit des Sprechers, die hier nicht nur in der Verschleierung seiner wirklichen Meinung, sondern mehr noch in der Verdeckung seiner wahren Rolle (als Lehrer) gründet. (2) die romantische I.: Sie ist fundiert im bewussten Annehmen des Auseinander-fallens von Ideal und Wirklichkeit. Im philosophischen Streben nach Formulierung oder gar Realisierung von Idealen ist im Sinne der romantischen I. insofern eine Selbstdistanzierung eingeschlossen, als das Ideal als »bloßes« Ideal der so weit entfernten Wirklichkeit gewissermaßen in spielerischer Absicht entgegengesetzt wird. I. ist hier demnach eine Methode, die Realitätsferne des Vollkommenen zu akzeptieren, ohne zugleich auch auf die Idee des Vollkommenen zu verzichten (F. Schlegel). (3) die existentielle I.: Diese von Kierkegaard entwickelte Form der I. stiftet eine Distanz zwischen verschiedenen Formen der Existenz des Individuums. Sie ist insofern eine Methode der Selbstüberwindung, als eine angenehme (etwa die ästhetische) Lebensform absolut negiert wird durch einen »Sprung« in die ethische Lebensform. In dieser Form der I. fehlt völlig das ansonsten typische spielerische Element.
Innerhalb der Poetik ist noch eine weitere Form der I. bekannt: die dramatische I. Sie gründet im Wissensdefizit der in einem Drama handelnden Personen gegenüber den wissenden Zuschauern. Das Ziel dieser Form der I. ist die Herstellung einer Überlegenheit des Zuschauers gegenüber den handelnden Personen. Diese wird als komisch erlebt und insofern gehört die I. typischerweise in die Komödie (etwa die Verwechslungskomödie) oder die Boulevardkomödie. – Einige zeitgenössische Dramatiker (so z.B. Harold Pinter) haben gelegentlich eine Umkehrung der dramatischen I. versucht, indem der Verlauf des Geschehens beim Zuschauer den Eindruck hinterlässt, die handelnden Personen wüssten Entscheidendes, was ihm selber verborgen bleibt.
Literatur:
- R. Jancke: Das Wesen der Ironie. Leipzig 1929
- U. Japp: Theorie der Ironie. Frankfurt 1983
- S. Kierkegaard: Über den Begriff der Ironie mit ständiger Rücksicht auf Sokrates (Gesammelte Werke. 31. Abtlg.) Düsseldorf 1961
- W. Lange-Eichbaum: Genie, Irrsinn und Ruhm. München 1986
- F. Schlegel: Philosophische Vorlesungen (1856–1862)
- H. Sommer: Genie. Zur Bedeutungsgeschichte des Wortes von der Renaissance zur Aufklärung. Frankfurt 1998.
RL
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