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Metzler Lexikon Philosophie: Lĭ_1

(Idee, auch Wesen (Logos)). Der chinesische Ideenbegriff hat – wie der abendländische – erkenntnistheoretische und ontologische, aber auch ethische und metaphysische Bedeutungsdimensionen. Im Buch der Sitten ist von der Himmels-Idee (Tian Li) die Rede, einer Art moralischem Kompass als Himmelsgabe im Menschen, die den Trieben und Leidenschaften des Menschen (Ren Yu) entgegengesetzt und durch diese ggf. zerstört werden kann (Li Ji, Yue Ji, Über Musik). Meng Zi (372–289) sagt darüber: »Was ist die gemeinsame Natur aller Herzen (d.h. des moralischen Bewusstseins)? Es ist Li oder Yi (Gerechtigkeit)«, (Meng Zi: Gao Zi, Anfang). Daran knüpft die konfuzianische Lehre von den »eingewurzelten« (himmlischen) fünf Tugendbegriffen Ren Yi Li Zhi Xin (Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Sittlichkeit, Weisheit, Vertrauen) an. Han Fei (280–233) gibt dem Begriff in der Auslegung der Dao-Lehre des Lao Zi die ontologische Wendung: »Alle Dinge haben ihre verschiedenen Li ... aber gemeinsam enthalten sie Dao« (Han Fei Zi: Erklärungen zu Lao). Li wird hier zur Wesensstruktur der einzelnen Dinge. Die Hua Yan-Schule des Buddhismus arbeitet dann die erkenntnistheoretische Seite heraus: Li wird als einheitliche Vernunft gefasst und den vielfältigen Erscheinungen (Shi) bzw. der Scheinwelt gegenübergestellt. Daran knüpft in der Song- und Ming-Zeit die (objektiv-idealistische) Ideen-Schule (Li Xue) der Brüder Cheng Hao (1032–1085), Cheng Yi (1033–1107) und Zhu Xis (1130–1100) an, die Li als metaphysisches Ursprungsprinzip behaupten: »Vor der Entstehung von Himmel und Erde konnte es nur Li geben« (Gespräche von Zhu Xi): »Im ganzen Kosmos gibt es nur ein Li. Es drückt sich in den drei Rangstellungen (San Gang d.h. Verhältnis von Herrscher und Untertan, Vater und Sohn, Ehemann und Ehefrau) aus und konzentriert sich in den fünf Normen (Wu Chang, s. o. Ren Yi Li Zhi Xin). Es fasst alles einzelne unter sich. Es gibt nichts, was nicht darin enthalten ist« (Zhu Xi, Wen-gong). Das Verhältnis von Idee und Erscheinungen bzw. Einzeldingen wird in der Theorie vom Li Yi Fen Shu (Einheit der Idee und Vielfalt der Ausprägungen) formuliert (Cheng Yi, Xi Ming, Westliche Inschriften). Wang Shu-ren (=Wang Yang-ming 1472–1529) entwickelt daraus unter Rückgriff auf Meng Zi die Lehre vom »Nach-außen-Wenden des eingewurzelten Wissens« (Zhi Liang Zhi) bzw. von der Ideenintentionalität: »Nur wenn die himmlische Idee, die in unser Herz eingewurzelt ist, zu den Dingen und Sachen hingewendet wird, haben die Dinge und Sachen ihre Idee« (Antwortbrief an Gu Dong-qiao). Dieser Idealismus wird von realistisch-materialistischen Gegnern heftig bekämpft. Der Streit geht dabei um den ontologischen Vorrang von Li (Idee) oder Qi (Materie, wörtlich Luft, vgl. das stoische Pneuma). Insbesondere wird er auch auf anthropologischem Gebiet über den Vorrang von Li als Geistigem oder Qi als körperlich Materiellem im Menschen ausgetragen. Hauptvertreter sind Zhang Zai (1020–1077) und Wang Fu-zhi (1619–1692). Letzterer betont, dass man die Ideen – als Strukturgesetzlichkeit des Materiellen – nur an ihren materiellen Wirkungen und »Tendenzen« erkennen kann: »Wenn etwas schon Li enthält, dann zeigt es natürlicherweise eine Tendenz (Shi, auch Kraftwirkung, Potenz), und Li kann man nur an dieser notwendigen Tendenz erkennen« (Kommentar zur Lektüre der vier Klassiker, Bd. 9.). Diesen Gedanken wendet er auch für eine evolutionäre Geschichtserkenntnis an, die in manchen Zügen an den »Evolutionismus der Kraft-Ideen« Alfred Fouillées (L'évolutionisme des Idéesforces, Paris 1890) und die deutsche »historische Ideenlehre« Jakob Wegelins und W. v. Humboldts gemahnt. In der modernen philosophischen Terminologie bezeichnen Li und seine Komposita das (gedachte) Rationale, z.B. in Li Lun: Theorie, Li Nian: Idee, Vorstellung, Gedanke.

Literatur:

  • L.Geldsetzer/H.-d. Hong: Chinesisch-deutsches Lexikon der chinesischen Philosophie. Aalen 1986. Art. Himmlische Idee (Tiān Lĭ), Idee (Lĭ), Idee und Sache (Lĭ Shì), Ideen-Einheit und Ausprägungsvielfalt (Lĭ; Yī Fèn Shū), Ideen-Intentionalität (Zhì Liáng Zhī), Ideen-Potenz (Lĭ Shì).

LG/HDH

  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
BES Bettina Schmitz, Würzburg
BG Bernward Gesang, Kusterdingen
BI Bernhard Irrgang, Dresden
BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
BS Berthold Suchan, Gießen
BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
CJ Christoph Jäger, Leipzig
CK Christian Kanzian, Innsbruck
CL Cornelia Liesenfeld, Augsburg
CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
CM Claudius Müller, Nehren
CO Clemens Ottmers, Tübingen
CP Cristina de la Puente, Stuttgart
CS Christian Schröer, Augsburg
CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
CT Christian Tewes, Jena
CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
DGR Dorit Grugel, Münster
DH Detlef Horster, Hannover
DHB Daniela Hoff-Bergmann, Bremen
DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
DKÖ Dietmar Köhler, Witten
DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
EWL Elisabeth Weisser-Lohmann, Bochum
FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
GOS Gottfried Schwitzgebel, Mainz
GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
HDH Han-Ding Hong, Düsseldorf
HG Helmut Glück, Bamberg
HGR Horst Gronke, Berlin
HL Hilge Landweer, Berlin
HND Herta Nagl-Docekal, Wien
HPS Helke Pankin-Schappert, Mainz
HS Herbert Schnädelbach, Berlin
IR Ines Riemer, Hamburg
JA Johann S. Ach, Münster
JC Jürgen Court, Köln
JH Jörg Hardy, Münster
JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
JK Jörg Klawitter, Würzburg
JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
JS Joachim Söder, Bonn
JSC Jörg Schmidt, München
JV Jürgen Villers, Aachen
KDZ Klaus-Dieter Zacher, Berlin
KE Klaus Eck, Würzburg
KG Kerstin Gevatter, Bochum
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MBI Marcus Birke, Münster
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MLE Michael Leibold, Würzburg
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MN Marcel Niquet, Frankfurt a.M.
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MRM Marie-Luise Raters-Mohr, Potsdam
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OFS Orrin F. Summerell, Bochum
PE Peter Eisenhardt, Frankfurt a.M.
PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
RE Rolf Elberfeld, Hildesheim
REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
RL Rudolf Lüthe, Koblenz
RLA Rolf-Jürgen Lachmann, Berlin
RM Reinhard Mehring, Berlin
RP Roland Popp, Bremen
RS Regina Srowig, Würzburg
RTH Robert Theis, Strassen
RW Raymund Weyers, Köln
SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
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TH Thomas Hammer, Frankfurt a.M.
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TM Thomas Mormann, Unterhaching
TN Thomas Noetzel, Marburg
TP Tony Pacyna, Jena
TW Thomas Welt, Bochum
UB Ulrich Baltzer, München
UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
VM Verena Mayer, München
VP Veit Pittioni, Innsbruck
VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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