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Metzler Lexikon Philosophie: Postulat

bezeichnet in einem weiten Sinne unbewiesene Voraussetzungen, die für das richtige Argumentieren oder für das richtige Handeln notwendig sind. – (1) Mit P. übersetzt man üblicherweise den griechischen Ausdruck »aitema«, der bei Aristoteles soviel bedeutet wie eine Annahme, die für argumentationstechnische Zwecke erforderlich ist. Aristoteles unterscheidet in den Zweiten Analytiken innerhalb seiner Lehre von den wissenschaftlichen Prinzipien zwischen Axiom, Hypothese (hypothesis) und P. (aitema). Unter Hypothesen und P.en versteht er dort Thesen, die zwar beweisbar sind, aber nicht bewiesen, sondern in der Argumentation zum Zwecke der Beweisführung vorausgesetzt werden. Sie unterscheiden sich darin voneinander, dass Hypothesen vom Gesprächspartner auch akzeptiert werden, während P.e. zwar ebenfalls vorausgesetzt, vom Gesprächspartner aber nicht für wahr gehalten werden (An. post. I, 10, 76b31–34). (2) Als P.e bezeichnet man auch die Forderungen, die Euklid in den Elementen formuliert. Er legt für die Geometrie drei Gruppen von Sätzen zugrunde: Definitionen, P.e. und allgemeine Grundsätze (Axiome). Bei den fünf P.en handelt es sich um Konstruktionsforderungen für Figuren. (3) Seine philosophiegeschichtlich entscheidende Prägung erfährt der Ausdruck durch Kant. Als P.e versteht Kant solche Annahmen, die in dem Sinne von der Vernunft gefordert sind, dass es sich um die notwendigen Voraussetzungen für den Gebrauch sowohl der theoretischen als auch der praktischen Vernunft handelt. P.e sind diejenigen Annahmen oder Voraussetzungen, unten denen der Vernunftgebrauch allererst möglich ist. So versteht Kant in der theoretischen Philosophie die Grundsätze der Modalität, nämlich Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit als P.e, in denen die Weise formuliert wird, in der man sich in Verstandeshandlungen auf die Gegenstände der Erfahrung beziehen kann. Eine Schlüsselfunktion in der Kantischen Ethik erfüllen die praktischen P.e. Als die drei großen Themen der Metaphysik bestimmt Kant Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Die Fragen nach der Existenz Gottes, der Willensfreiheit (als einer Kausalität aus Freiheit, die nicht den Gesetzen der Natur unterworfen ist) und nach der Unsterblichkeit der Seele bilden nach Kant die wesentlichen Fragen, um deren Beantwortung sich die Philosophie in letzter Instanz bemüht. Nun lassen sich diese Fragen mit der theoretischen Vernunft nicht zufriedenstellend beantworten, da sie das Vermögen der menschlichen Vernunft »übersteigen«. Dennoch sind die Annahmen, dass Gott existiert, dass wir aus freiem Willen handeln können und dass unsere Seele unsterblich ist, für die richtige Lebensführung unverzichtbar. Diese drei Voraussetzungen versteht Kant als praktische P.e, nämlich als »theoretische, in praktischer Vernunftabsicht notwendige Hypothesen« (Akad.-Ausg. 9, 112). Denn nur unter der Voraussetzung der Existenz Gottes, der Willensfreiheit und der Unsterblichkeit der Seele ist nach Kant die vollständige Erfüllung des moralischen Gesetzes überhaupt möglich. Die praktischen P.e erweitern somit den Gebrauch der praktischen Vernunft. In dieser Hinsicht fungieren sie als Handlungsmaximen: Das P. ist ein a priori gegebener, keiner Erklärung seiner Möglichkeit (mithin auch keines Beweises) fähiger praktischer Imperativ. Man postuliert also nicht Sachen, oder überhaupt das Dasein irgend eines Gegenstandes, sondern nur eine Maxime (Regel) der Handlung eines Subjekts (Akad.-Ausg. 8, 418, Anm.). Bei Hegel und Schopenhauer stößt der Kantische Begriff des praktischen P.s hingegen auf Kritik.

Literatur:

  • K. Düsing: Die Rezeption der Kantischen Postulaten-Lehre in den frühen philosophischen Entwürfen Schellings und Hegels. In: R. Bubner (Hg.): Das älteste Systemprogramm. Studien zur Frühgeschichte des deutschen Idealismus. Bonn. 1973. S. 53–90
  • K. v. Fritz: Die ARCHAI in der griechischen Mathematik. In: Archiv für Begriffsgesch. I (1955). S. 13–103
  • G. Morrow: Proclus. A Commentary on the First Book of Euklid’s Elements. Translated with Introduction and Notes by Glenn R. Morrow. Princeton 1970.

JH

  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
BES Bettina Schmitz, Würzburg
BG Bernward Gesang, Kusterdingen
BI Bernhard Irrgang, Dresden
BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
BS Berthold Suchan, Gießen
BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
CJ Christoph Jäger, Leipzig
CK Christian Kanzian, Innsbruck
CL Cornelia Liesenfeld, Augsburg
CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
CM Claudius Müller, Nehren
CO Clemens Ottmers, Tübingen
CP Cristina de la Puente, Stuttgart
CS Christian Schröer, Augsburg
CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
CT Christian Tewes, Jena
CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
DGR Dorit Grugel, Münster
DH Detlef Horster, Hannover
DHB Daniela Hoff-Bergmann, Bremen
DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
DKÖ Dietmar Köhler, Witten
DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
EWL Elisabeth Weisser-Lohmann, Bochum
FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
GOS Gottfried Schwitzgebel, Mainz
GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
HDH Han-Ding Hong, Düsseldorf
HG Helmut Glück, Bamberg
HGR Horst Gronke, Berlin
HL Hilge Landweer, Berlin
HND Herta Nagl-Docekal, Wien
HPS Helke Pankin-Schappert, Mainz
HS Herbert Schnädelbach, Berlin
IR Ines Riemer, Hamburg
JA Johann S. Ach, Münster
JC Jürgen Court, Köln
JH Jörg Hardy, Münster
JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
JK Jörg Klawitter, Würzburg
JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
JS Joachim Söder, Bonn
JSC Jörg Schmidt, München
JV Jürgen Villers, Aachen
KDZ Klaus-Dieter Zacher, Berlin
KE Klaus Eck, Würzburg
KG Kerstin Gevatter, Bochum
KH Kai-Uwe Hellmann, Berlin
KHG Karl-Heinz Gerschmann, Münster
KHL Karl-Heinz Lembeck, Würzburg
KJG Klaus-Jürgen Grün, Frankfurt a.M.
KK Klaus Kahnert, Bochum
KRL Karl-Reinhard Lohmann, Witten
KS Kathrin Schulz, Würzburg
KSH Klaus Sachs-Hombach, Magdeburg
LG Lutz Geldsetzer, Düsseldorf
LR Leonhard Richter, Würzburg
MA Mauro Antonelli, Graz
MB Martin Beisler, Gerbrunn
MBI Marcus Birke, Münster
MBO Marco Bonato, Tübingen
MD Max Deeg, Cardiff
MDB Matthias Bloch, Bochum
ME Michael Esfeld, Münster
MFM Martin F. Meyer, Koblenz/Landau
MK Matthias Kunz, München
MKL Martin Kleinsorge, Aachen
MKO Mathias Koßler, Mainz
ML Mark Lekarew, Berlin
MLE Michael Leibold, Würzburg
MM Matthias Maring, Karlsruhe
MN Marcel Niquet, Frankfurt a.M.
MQ Michael Quante, Köln
MR Mathias Richter, Berlin
MRM Marie-Luise Raters-Mohr, Potsdam
MS Manfred Stöckler, Bremen
MSI Mark Siebel, Hamburg
MSP Michael Spang, Ellwangen
MSU Martin Suhr, Hamburg
MW Markus Willaschek, Münster
MWÖ Matthias Wörther, München
NM Norbert Meuter, Berlin
OB Oliver Baum, Bochum
OFS Orrin F. Summerell, Bochum
PE Peter Eisenhardt, Frankfurt a.M.
PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
RE Rolf Elberfeld, Hildesheim
REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
RL Rudolf Lüthe, Koblenz
RLA Rolf-Jürgen Lachmann, Berlin
RM Reinhard Mehring, Berlin
RP Roland Popp, Bremen
RS Regina Srowig, Würzburg
RTH Robert Theis, Strassen
RW Raymund Weyers, Köln
SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
SP Stephan Pohl, Dresden
SZ Snjezana Zoric, Würzburg
TB Thomas Bausch, Berlin
TBL Thomas Blume, Dresden
TF Thomas Friedrich, Mannheim
TG Thomas Grundmann, Köln
TH Thomas Hammer, Frankfurt a.M.
TK Thomas Kisser, München
TM Thomas Mormann, Unterhaching
TN Thomas Noetzel, Marburg
TP Tony Pacyna, Jena
TW Thomas Welt, Bochum
UB Ulrich Baltzer, München
UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
VM Verena Mayer, München
VP Veit Pittioni, Innsbruck
VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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