Metzler Lexikon Philosophie: Qualia
sing. Quale (lat. »qualis, e«: wie beschaffen?, was für ein?), philosophisches Kunstwort, das vermutlich zuerst von C. I. Lewis verwendet wird. Lewis bezeichnet in seiner sowohl an Kant wie am amerikanischen Pragmatismus orientierten Erkenntnistheorie mit »quale« den wiederholbaren und wiedererkennbaren qualitativen Charakter eines unmittelbar gegebenen Erfahrungsinhaltes (e.g. die Unmittelbarkeit von Röte) in Abstraktion von seiner begrifflichen Interpretation.
Systematisch, und bezogen auf die Philosophie dieses Jahrhunderts, sind drei Begriffe zu unterscheiden (im Folgenden durch die Indices »s«, »o« und »e« kenntlich gemacht): Qualia s: In dem von Carnap (Der logische Aufbau der Welt) und Lewis beeinflussten System Goodmans bezeichnet »Q.« die Bausteine einer Konstitutionstheorie der Welterkenntnis. Die Q. oder »phenomenal individuals« dienen hier als Reduktionsbasis, »in order to explain everything ... that can be known at all ...« (Goodman, 1951, S. 99 f.). – Qualiao: Im Streit um den metaphysisch-ontologischen Status von Qualitäten (Universalien) taucht der Name »Q.« als Bezeichnung für individualisierte Eigenschaften auf (e.g. das Rot von a, das qualitativ gleiche, numerisch aber verschiedene Rot von b) und steht gleichberechtigt neben Ausdrücken wie »individuelle Momente«, »abstract particulars« oder »particularized qualities«. – Qualiae: In der analytischen Philosophie des Geistes wird der Begriff »Q.« in engem Zusammenhang mit dem Thema Bewusstsein diskutiert. »Q.« steht hier für individuelle Erlebnisqualitäten, deren Existenz aus der logisch-semantischen Analyse von Erlebnisberichten zu folgen scheint. Als eine Standardformel für diese bereits bei Feigl auftauchende Bedeutung von »Q.« hat sich seit Nagel die Wendung »Wie es für jemanden ist, [das-und-das wahrzunehmen, in der-und-der Lage zu sein, das-und-das zu tun, etc.]« etabliert. Statt von »Q.« spricht man hier auch von »phenomenal qualities/properties«, »raw feels«, »the subjective/qualitative character of experience«, »the qualitative content of experience« oder, in Anknüpfung an Locke, von »secondary qualities«. Die meisten Autoren betrachten Q. als ein wesentliches Merkmal einiger mentaler Phänomene, nämlich der Empfindungs- und Gefühlszustände. Nagel betrachtet sie als das Wesensmerkmal aller mentalen Phänomene bzw. des Geistes überhaupt. In der seit den frühen 1970er Jahren geführten Qualia-Debatte, die einerseits die explanatorischen Grenzen funktionalistischer Theorien des Geistes (Fodor, 1972; Shoemaker, 1975; u. a.), andererseits die Unzulänglichkeiten des Physikalismus überhaupt (Nagel, 1974; Jackson, 1982 u. a.) zum Thema hat, spielen Q. die Rolle einer möglichen Irreduzibilitätsbasis. Diese Rolle können Q. erfüllen, sofern ihnen bestimmte Eigenschaften zweiter Ordnung wahrerweise zugesprochen werden können. Die wichtigsten sind: »immediacy«, »ineffability«, »privacy«, »subjectivity« und »intrinsicness«: Q. sind jedem Individuum S, das sich in einem bestimmten mentalen Zustand M befindet, unmittelbar bewusst, sie sind prinzipiell nicht vollständig mitteilbar, sie sind niemandem sonst epistemisch zugänglich als S, sie sind allein aus der subjektiven Perspektive von S begrifflich vollständig erfassbar und Q. sind das, was sie sind, nicht relativ zu externen Faktoren, sondern allein vermöge dessen, was sie sind.
Die bislang überzeugendsten Argumente gegen die Annahme der Existenz von Q. und damit gegen die vermeintliche Irreduzibilität von Erlebnisqualitäten auf objektiv beschreibbare Sachverhalte und Ereignisse finden sich bei Dennett.
Literatur:
- N. Block/J. F. Fodor: What Psychological States are not. In: Philosophical Review 81 (1972). S. 159–181 (bes. III.3)
- D. Dennett: Quining Qualia. In: Marcel/Bisiach (Hg.): Consciousness in Contemporary Science. Oxford 1988. S. 42–77
- H. Feigl: The ›Mental‹ und the ›Physical‹. Minnesota Studies in the Philosophy of Science. Vol. II. Minneapolis 1958. S. 370–497
- N. Goodman: The Structure of Appearance. Harvard, Cambridge/Mass. 1951
- Fr. Jackson: Epiphenomenal Qualia. In: The Philosophical Quarterly 32 (1982). S. 127–136
- W. Künne: Abstrakte Gegenstände. Semantik und Ontologie. Frankfurt 1983. bes. S. 76–84
- C. I. Lewis: Mind and the World-Order. New York 1929. bes. Kap. II & V
- Th. Nagel: What is it like to be a Bat?. In: Philosophical Review 83 (1974). S. 435–450
- S. Shoemaker: Functionalismus and Qualia. In: Philosophical Studies 27 (1975). S. 291–315.
BBR
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