Metzler Lexikon Philosophie: Sinnkriterium
Sinntheorem. (1) für den Logischen Empirismus stellt das S. neben dem Basistheorem eine grundlegende Annahme dar und besagt erstens, dass alle sprachlichen Zeichenfolgen entweder sinnvoll oder sinnlos sind, und zweitens, dass nur deskriptive, tautologische und kontradiktorische Sätze als sinnvoll anzusehen sind (Carnap). Schlick beschränkt das Kriterium auf die deskriptiven und tautologischen Sätze, Wittgenstein nur auf die deskriptiven Sätze. Damit ist gemeint, dass alle wissenschaftlichen Aussagen entweder rein logisch (Tautologie oder Kontradiktion) begründbar oder zumindest im Prinzip empirisch nachprüfbare Aussagen sein müssen. Das S. soll der Sicherstellung einer strengen Allgemeinverbindlichkeit der Begriffe dienen. Nach Ansicht des Logischen Empirismus sollten damit jene Sätze aus der Philosophie ausgesondert werden, die nicht nach wahr und falsch beurteilbar sind, und jene Begriffe – abgesehen von den formalen der Mathematik und Logik –, über deren Anwendbarkeit man nicht in jedem konkreten Fall allein mit Hilfe von Beobachtungen entscheiden kann. So muss die Bedeutung eines Prädikats so verständlich zu machen sein, dass ein empirisches Kennzeichen für die Gegenstände angegeben werden kann, welche unter den durch das Wort bezeichneten Begriff fallen sollen. Die Bedeutung eines Satzes besteht in der Methode seiner Verifikation. Die Verifizierbarkeit einer Aussage bildet eine notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass sie als empirisch sinnvoll gelten kann. Die Verifikationsmöglichkeit ist allerdings in einem logischen und nicht in einem empirischen Sinne zu verstehen: Auch wenn die empirische Verifikation (noch nicht) durchführbar ist, sie aber logisch denkbar wäre, so ist die Aussage als sinnvoll anzusehen. – Nach Maßgabe des S. würden alle normativen Aussagen der Ethik dem Vorbehalt der Sinnlosigkeit unterliegen. – Die Bestimmung des Sinnes durch Verifizierbarkeit hat zahlreiche kritische Einwände durch Petzäll, Ingarden, Weinberg, Lewis, Nagel, Reichenbach, Neurath und Popper erfahren: Zum einen wurde auf die unhaltbaren Konsequenzen dieses Sinnbegriffs hingewiesen, der sowohl die theoretischen Gesetze der Physik wie die meta-logischen Sätze als sinnlos erscheinen ließ. Zum anderen hat Popper darauf hingewiesen, dass mit einer solchen willkürlichen Festsetzung der Sinnhaftigkeit die Diskussion über den Sinnbegriff selbst sinnlos würde, dass damit aber auch unbequeme Fragen vorschnell als sinnlos abqualifiziert werden könnten.
(2) Für die Theorie des Zeichens bei Peirce und die daraus entwickelte transzendentale Sprachpragmatik bei Apel benennt das S. die Voraussetzungen einer jeden möglichen Argumentation: (1) die Existenz der sprachlichen Kommunikation als gelebter menschlicher Praxis, (2) eine reale Kommunikationsgemeinschaft und (3) eine reale Welt außerhalb des Bewusstseins. Für Peirce hat man davon auszugehen, dass jedes Zeichen drei Bezüge aufweist: Erstens ist es ein Zeichen in Relation zu einem Gedanken, der es interpretiert; zweitens ist es ein Zeichen für ein Objekt, für das es in jedem Gedanken äquivalent steht; drittens ist es ein Zeichen in einer Hinsicht oder Qualität, die es mit seinem Objekt in Verbindung bringt. Die drei Aspekte des Zeichens bilden seine dreistellige Relation. Der erste Aspekt, von Peirce als Interpretant bezeichnet, ist dabei in dem Sinne als allgemeine Bedeutung des Zeichens zu verstehen, dass sie den Zeichenbenutzer zu einem Gefühl, einer Handlung oder logischen Begriff determiniert (dabei charakterisiert er bewusste Handlungen dadurch, dass er sie als Resultat eines induktiven Schlussprozesses auffasst: Bestimmte Sinneswahrnehmungen, die jeweils eine allgemeine Idee involvieren, führen zu gleichen Handlungs-Reaktionen). Diese Zeichentheorie der Erkenntnis hat zur Konsequenz, dass der Begriff der Realität zum einen notwendig mit einer Zeichenrepräsentation verbunden ist und zum anderen mit der Idee einer Forschergemeinschaft, d.h. einem intersubjektiven Zeichenprozess verbunden ist: Die Konstitution des Realen ist immer schon durch die intersubjektive Interaktion der Gemeinschaft der Menschen, die die Zeichen produziert, gegeben. Real ist, was im Prinzip durch jedes mögliche Mitglied einer (unendlichen) Gemeinschaft verifiziert werden kann. Die Realität ist somit bestimmt durch die Bedingungen der Möglichkeit eines unendlichen, realen Prozesses der Erkenntnis (i.S. der semiotischen Einheit einer konsistenten Interpretation).
Literatur:
- K.-O. Apel: Die Kommunikationsgemeinschaft als transzendentale Voraussetzung der Sozialwissenschaften. In: Ders.: Transformation der Philosophie. Bd. II. Frankfurt 1973. S. 220 ff
- R. Carnap: Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache. In: Erkenntnis 2 (1931). S. 219–241
- C. I. Lewis: Experience and Meaning. In: Philosophical Review 43 (1934). S. 125–146
- E. Nagel: Verifiability, Truth and Verification. In: Journal of Philosophy 31 (1934). S. 141–148
- Ch. S. Peirce: Von der Erkenntniskritik zur Sinnkritik. In: K.-O. Apel (Hg.): Schriften zum Pragmatismus und Pragmatizismus. Frankfurt 21976. S. 11 ff
- A. Petzäll: Logischer Positivismus. Göteborg 1931
- K. Popper: Logik der Forschung. Tübingen 21966
- H. Reichenbach: Wahrscheinlichkeitslehre. Leiden 1935
- M. Schlick: Gibt es ein materiales apriori. In: Gesammelte Aufsätze. Hildesheim 1969. S. 19–30
- J. R. Weinberg: An Examination of Logical Positivism. London 1936
- L. Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus. In: Schriften 1. Frankfurt 1967. S. 9–83 (hier: 4.024, 4.461).
PP
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