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Allgemeine Erdbeerfeldtheorie synchron tanzender Ameisen

In Fortsetzung der beiden letzten Folgen über künstliche Ameisen geht es diesmal um ihr Verhalten in der Torus-Geometrie, nahe Verwandte, Autobahnen, den Urknall und das Walroß.

Was bisher geschah: In einem wilden Traum im Hilbertraum folgen die Mathematiker Jürgen und Dieter, die Lehramtskandidatin Frieda, der geheimnisvolle Topologe Leonid aus Kaliningrad (Königsberg), der theoretische Physiker Eckhard und der Autor der Geschichte den eindeutig vorherbestimmten, aber kaum durchschaubaren Wegen künstlicher Ameisen. Das Verhalten dieser programmierbaren Wesen wird von dem Zustand (der sogenannten Farbe) des Feldes bestimmt, auf dem sich das Tierchen gerade befindet. Ob es sich dort nach rechts oder links wendet, hängt von einer Kette aus den Zeichen R und L ab, die es in sich trägt; diese Regelkette macht die Identität einer Ameise aus. Allein durch geschickte Darstellung mittels Truchet-Kacheln und verschieden gefärbter Diagonalen sowie mit klassischen mathematischen Deduktionen gelingt es den in der Kaffeebar versammelten Träumern zu beweisen, daß manche Ameisen stets wieder nach Hause zurückkehren und daß in diesen Momenten das von ihnen hinterlassene Muster symmetrisch ist. Aber für die weitere Reise ins deterministische Chaos muß man, wie in diesem Forschungszweig üblich, den Computer zum Ausprobieren zu Hilfe nehmen.

Frieda wollte dringend eine autobahn- strickende Ameise sehen. Jürgen konnte sich nicht so schnell von seinem bisherigen Thema trennen und zeigte ihr, welches Muster eine symmetrische Ameise mit einer zwölfstelligen Regelkette nach sehr vielen Schritten produziert (Bild 1). "Das sieht doch immerhin schon autobahnähnlich aus, findest du nicht? Oder vielleicht wie eine Großstadt mit Ausfallstraßen."

"Ist aber überhaupt nicht umweltfreundlich", wandte Dieter ein. "Um diese schmalen schrägen Linien herzustellen, muß die Ameise die ganze Landschaft umpflügen. Nein - unter einer Autobahn stellt man sich eher einen Streifen vor, auf den die Ameise sich beim Bau im wesentlichen beschränkt."

"Dann ist aber mit symmetrischen Ameisen nicht viel anzufangen."

"Nie?"

"Ich fürchte schon. Eine symmetrische Ameise kehrt immer wieder nach Hause zurück."

"Ach so – das war der Satz über symmetrische Ameisen."

"Also ist zumindest ihr Heimatfeld eines, das sie unendlich oft besucht."

"Wenn sie unendlich viel Zeit hat."

"Ja." Dieter lächelte etwas gequält. "Unbeschränkt oft, wenn du darauf bestehst. Jetzt überleg dir, was sie bei jedem Besuch auf einem solchen Feld tut. Mal wendet sie sich nach links, mal nach rechts. Nicht unbedingt regelmäßig abwechselnd, aber mit Sicherheit nicht immer nur in eine Richtung, sonst müßte ihre Regelkette aus lauter gleichen Buchstaben bestehen, und sie würde endlos auf der Stelle kreisen. Also besucht sie nicht nur das Feld, auf das wir uns gerade konzentrieren, sondern auch mindestens drei Nachbarfelder unendlich oft – Verzeihung, beliebig oft."

"Wieso drei?"

"Ein Eingangsfeld und zwei Ausgangsfelder, oder umgekehrt. Wenn der Weg jeweils nur über ein Feld hin- und wieder wegführte, wäre es wieder eine Ameise mit lauter gleichen Buchstaben."

"Verstanden."

Dieter fuhr fort: "Dieselbe Argumentation kannst du auf diese Nachbarfelder anwenden. Also gibt es an diese angrenzend wieder Felder, die beliebig oft besucht werden, und so weiter. Im Endeffekt weißt du: Wenn die Ameise nicht hoffnungslos langweilig ist (das heißt, wenn ihre Regelkette nicht nur aus Ls beziehungsweise Rs besteht), dann ist die Menge aller unendlich oft besuchten Felder entweder leer oder in jeder Diagonalenrichtung unbeschränkt."

"Na, dann suchen wir doch Ameisen, die jedes Feld nur endlich oft besuchen."

"Bitte. RRL ist so eine" (Bild 2).

"Sieht aber nicht gerade aus wie eine Autobahn", meinte Frieda: "Lauter schwarze Balken quer zur Fahrtrichtung und kein Grünstreifen in der Mitte."

"Aber dafür ein Rotstreifen am Rand. Übrigens ist das ganze Gelände am Anfang grün gestreift."

"Grün kariert."

"Stimmt."

Frieda stutzte. "Aber waren nicht die grünen und die roten Diagonalen den Ls zugeordnet und die schwarzen den Rs?"

"Davon sind wir doch abgekommen", sagte Dieter. "Inzwischen verwenden wir Grün und Rot – in dieser Reihenfolge – für ein Paar gleicher Buchstaben und Schwarz für einen ungepaarten."

"Und was gibt es sonst für Autobahn-Ameisen?" wollte Jürgen wissen.

"Wir können ja die unsymmetrischen der Reihe nach durchgehen – zumindest die einfachen", sagte Dieter. "RRL, RLR und RLL produzieren sämtlich einen roten Faden."

"Moment mal", wandte Leonid ein. "Bei RRL folgt auf das letzte L wieder das erste R. Also kannst du die Buchstaben auch quarktortenartig im Kreis anordnen. Wenn du das aber machst, besteht kein Unterschied mehr zwischen RRL und RLR. Und wenn du L und R vertauschst, was angeblich auch nur die ganze Ameisen-Ebene durch ihr Spiegelbild ersetzt, dann ist LLR dieselbe Ameise aus einer anderen Perspektive."

Merkwürdig – die Quarktorte war aus der Auslage verschwunden. Dafür gab es lauter Fritiertes. Jürgen saß vor einem Teller Calamares. Eigentlich mochte er die Tintenfischringe nicht besonders, aber die fettige Panierung um so mehr.

"Im Prinzip hast du recht", erwiderte Dieter. "Der Unterschied kommt dadurch zustande, daß die Ameisen-Ebene anfänglich überall die Farbe 0 trägt. Sowie die Ameise also ein bisher unberührtes Feld betritt, kommt der erste Buchstabe der Regelkette zur Wirkung. Deswegen kommt es eben doch darauf an, wo der Anfang der Regelkette ist. Je nachdem ist nämlich die anfängliche Diagonalenfarbe Grün, Rot oder auch Schwarz. Alle drei Ameisen müssen ihren roten Faden längs der Autobahn spinnen. Das fällt RRL nicht schwer. Wenn, wie bei RLR, alle Diagonalen anfangs rot sind, müßte die Autobahnkonstruktion wegen des Satzes vom roten Faden erheblich komplizierter ausfallen" (siehe den "Satz vom roten Faden" in den "Mathematischen Unterhaltungen" der Ausgabe September 1995, Seite 16).

"Wieso?"

"In jedem Schritt darf die Bedingung, daß sich in jeder Ecke eine gerade Anzahl roter Diagonalen trifft, nur an zwei genau bestimmten Stellen verletzt sein. Es ist schwer vorstellbar, wie das möglich sein soll. Aber wenn anfangs alle Diagonalen schwarz sind, ist es noch schlimmer. Es müßte um den roten Faden herum eine sich wie ein Schlauch verlängernde Truchet-Kurve entstehen. Das halte ich für unmöglich. Ich wage sogar eine allgemeinere Vermutung: Eine Ameise, deren Regelkette mit R beginnt und nur Paare von Ls enthält, bildet keine Autobahn."

"Und wie willst du das beweisen?"

"Weiß ich noch nicht. Aber RLL wirkt überhaupt nicht autobahngeneigt, und ungefähr hundert andere, die ich ausprobiert habe, auch nicht" (vergleiche Bild 4 oben aus der letzten Folge).

Plötzlich stand ein Computer vor ihm auf dem Tresen.

"Ah, der neueste Prozessor mit unfreiwilliger Fuzzy-Arithmetik", frotzelte Frieda.

"Ach was. Gute Altware, für 20 Mark im Versand erstanden. Schwarzweiß-Bildschirm, drei Kilobyte Arbeitsspeicher. Das Netzteil ist vom Hamburger Fischmarkt. Aber für Ameisen reicht er."

"Bei dem geringen Speicherplatz?"

"Ich verwende den Bildschirmspeicher mit."

"Aber wie willst du einem Punkt eines Schwarzweiß-Bildschirms eine von mehreren Farben geben?"

"Ich fasse mehrere Felder zu einem Superfeld zusammen und definiere mir eine stellvertretende Schwarzweiß-Turmite" (Spektrum der Wissenschaft, November 1989, Seite 8).

"Ach, die künstlichen Insekten mit dem inneren Gemütszustand?"

"Du sagst es. Je nach innerem Zustand und aktueller Feldfarbe ändern sie die Farbe ihres Feldes oder auch nicht, wenden sich nach links, nach rechts, nach hinten oder auch gar nicht, und welchen Gemütszustand sie dann haben, ist auch Definitionssache. Das Innenleben einer Turmite ist also viel komplizierter als das einer Ameise, obgleich sie eng miteinander verwandt sind. Meine Turmite kann jede symmetrische Ameise mit vier Farben vertreten; welche sie nun tatsächlich vertritt, das hängt von der Anfangsfärbung der Ebene ab" (Bild 3).

"Kann man jede Ameise durch eine solche Turmite ersetzen?"

"Ja. Es läßt sich sogar jede mehrfarbige Turmite durch eine zweifarbige simulieren. Eine interessante Bastelaufgabe."

Jürgen war wirklich etwas mäkelig mit den Calamares-Ringen. Er schnitt jeden an einer Seite durch und schlitzte dann die Hülle der Länge nach auf, so daß das Innere herausfiel. Ich hätte nie gedacht, daß dieses fritierte Paniermehl so leicht dehnbar war, ohne zu reißen. Jürgen zog es mit den Fingern in die Länge und in die Breite, bis es die Form eines Rechtecks angenommen hatte. Vor dem Schnitt hatten die rechte und die linke sowie die obere und die untere Seite des Rechtecks aneinandergehangen.

Dieter hatte inzwischen wild auf der Tastatur herumgehackt, und die Ameise RLLR machte sich auf den Weg. Nach ein paar Minuten erreichte sie den rechten Rand des Bildschirms und tauchte augenblicklich links wieder auf. Erstaunlicherweise ergaben sich immer noch symmetrische Muster (Bild 4). "Ach, ich vergaß zu erwähnen", bemerkte er mit einem angewiderten Seitenblick auf Jürgens Leibspeise, "daß der Bildschirm wie ein Torus organisiert ist."

"Was soll denn das schon wieder heißen?" fragte Frieda.

"Stell dir vor, der rechte Rand ist an den linken geklebt, so daß ein Zylinder entsteht; und dann kleben wir noch den unteren und den oberen Rand zusammen. Das kann man sich als eine Art Fahrradschlauch vorstellen – oder eben als Oberfläche eines Tintenfischrings."

Da fühlte Jürgen sich kompetent: "Der Jordansche Kurvensatz", begann er zu dozieren, während er wie beiläufig zur Papierserviette griff, "gilt zwar auf der Ebene, aber nicht auf dem Torus. Denn eine geschlossene Kurve – zum Beispiel mein erster Schnitt – zerlegt dessen Oberfläche noch nicht unbedingt in zwei getrennte Teile."

"Also gilt unser schöner Beweis für diesen Fall nicht", fuhr Dieter fort. "Aber trotzdem gibt es symmetrische Muster."

Frieda mochte sich die von Jürgen demonstrierte Deformation des Torus in ein Rechteck nicht so gerne anschauen. Ich versuchte es mit einem anderen Bild.

"Stell dir vor, du bist in einem großen Fernsehgeschäft. An der Wand stehen viele Geräte dicht an dicht neben- und übereinander, und auf allen läuft dieselbe Sendung: ,Ameisen im Erdbeerbiotop' aus der Reihe ,Ein Platz für Tiere'."

"Genau", sagte Dieter. "Die Ameisen machen Squaredance – sozusagen; jede mit ihren beiden Erdbeeren. Manchmal marschieren sie alle im Gleichschritt nach rechts aus dem Bildfeld hinaus und im gleichen Moment am linken Rand wieder herein. Aber die Ameise im rechten Nachbarbildschirm tut genau dasselbe; das sieht so aus, als würden sie alle einen Bildschirm nach rechts wandern. Und das ist auch genau die richtige Vorstellung; denn alle Bildschirme zusammen stehen ja nur für den einen Torus, und die Grenze zwischen zwei Bildschirmen ist so willkürlich wie die Stelle, an der Jürgen seinen Tintenfischring aufschneidet. In Wirklichkeit kommen alle Ameisen wieder nach Hause zurück – wenn ihre Regelkette aus lauter Paaren von Ls und Rs besteht und sie in einer gänzlich weißen Welt zu laufen beginnt. Jeweils zum Zeitpunkt der Heimkehr ist das von ihr hinterlassene Muster symmetrisch – auch wenn diese Welt ein Torus ist" (siehe Kasten auf Seite 14).

That is I think it's not too bad

Let me take you down,

'cos I'm going to Strawberry Fields.

Nothing is real and nothing to get

hungabout.

Strawberry fields forever.

"Was haltet ihr von einem kleinen Billardspiel?" schlug ich vor.

"Was soll das denn jetzt?" Friedas Tonfall wirkte ziemlich lehrerhaft.

"Ich meine natürlich mit Turmiten. Meine Turmite verhält sich selbst wie eine Art Kugel. Auf schwarzem Untergrund rollt sie einfach vorwärts, ohne ihre Richtung zu ändern. Aber ein weißes Feld ist wie eine weitere Billardkugel. Die Turmite wird davon nach links abgelenkt und schleppt die andere Kugel um genau ein Feld mit, das heißt, das alte Feld wird schwarz und das neue weiß. Dann rollt die Turmite in ihrer neuen Richtung weiter. Wenn das Feld, auf das sie die andere Kugel geschleppt hat, bereits weiß ist, bleibt es weiß, wie wenn von zwei Kugeln eine versenkt wird. Aber die Billard-Turmite wird trotzdem nach links abgelenkt."

"Und wie ist die Anfangsbedingung?"

"Alles weiß."

"Das heißt, das Tierchen wühlt sich zunächst durch einen Tisch, der dicht mit Billardkugeln bedeckt ist?"

"Sozusagen."

Dieter tippte ein paar Definitionen in seinen Rechner. Es entstand ein immer größer werdender schwarzer Fleck mit unregelmäßigem Rand. In dem schwarzen Bereich bewegten sich zahllose weiße Pünktchen. Andächtiges Schweigen breitete sich aus.

"Das sieht ja aus wie ein expandierendes Universum", sagte Jürgen auf einmal. "Seht nur, es kühlt sich sogar ab – die weißen Punkte bewegen sich immer langsamer, da die Turmite einen weißen Punkt immer seltener besucht, und am Rand entsteht neue Materie. Wir sollten diese Turmite einfach ,Urknall' nennen" (Bild 5 links).

Alle staunten, wie reichhaltig das Bewegungsmuster einer so simplen Turmite mit nur zwei Farben und zwei Zuständen war, und probierten andere, ebenso einfache Definitionen. Nachdem der Kaffee in allen Tassen längst erkaltet war, entstand aus einem völlig schwarzen Ausgangsbildschirm erneut ein sonderbares Bild.

"Im wesentlichen ist die sich vergrößernde Fläche schachbrettartig gefärbt – aus der Entfernung sieht es gleichmäßig grau aus. Ich finde nur diese relativ stabilen feinen Äderchen merkwürdig", beobachtete Jürgen (Bild 5 rechts). "Welche Kraft hält sie so lang am Leben?"

"Schaut einfach genau hin", bemerkte Dieter. "Die beiden Schachbrettmuster sind um ein Feld gegeneinander versetzt. Die Adern sind nur die Grenzlinien; sie werden durch die Stabilität der grauen Flächen am Leben erhalten. Hier breiten sich zwei konkurrierende Flächenfärbungsprinzipien über die Ebene aus, ähnlich wie zwei Tierarten um ein und denselben Lebensraum konkurrieren. Ein Schachbrettmuster durchläuft die Turmite ohne Änderung im Zickzack, wenn sie im Zustand ,hell' auf ein weißes oder im Zustand ,dunkel' auf ein schwarzes Feld trifft. Das stabilisiert die grauen Flächen. In den übrigen Fällen wird die Feldfarbe angepaßt, also der Bereich des Musters erweitert. Die Geradeausbewegung im Fall ,Zustand dunkel, Farbe weiß' erzeugt am Rand einer grauen Fläche einen Wechsel der Schachbrettmuster."

Mir fiel noch etwas anderes ein: "Was haltet ihr davon, zwei einfache Ameisen in einer Turmite zu kombinieren? LR und LL zeigen unterschiedliche Verhaltensweisen. LR schwärmt für die Weite einer endlosen Autobahn, während LL sich als notorischer Stubenhocker unablässig im Kreise dreht. Entsprechend hat die Turmite die Zustände ,hüpf' und ,bleib'. Genau wie bei einer Ameise wechselt stets die Farbe der Felder."

Das Verhalten bei weißem oder schwarzem Anfangsbildschirm war eher enttäuschend. Doch dann schlug ich vor, mit einem Graumuster zu starten. Wir probierten es mit einem dunklen Grauton: In jedem 2×2-Quadrat war nur ein Feld nicht schwarz gefärbt (Bild 6).

"Das schwabbelt ja wie eine Amöbe hin und her." Frieda war fasziniert. "Was ist denn das? Das Tierchen hat einen Schleimklumpen abgesondert, als ob es Nachwuchs erzeugt hätte. Oh, wie gemein, jetzt frißt es ihn wieder auf. Kannibalisch." Sie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. "Wir haben mehr als eine Million Schritte hinter uns, und jetzt ist der Bildschirm genauso gefärbt wie am Anfang. Habt ihr das gesehen? Die Turmite hatte ein punktsymmetrisches Muster gestrickt und durch die umgekehrte, um 180 Grad gedrehte Schrittfolge wieder aufgeribbelt. Jetzt beginnt das Spielchen von vorn."

Von dem munteren Schwabbeltierchen begeistert, stellten wir gleich noch einige weitere Versuche an, indem wir das Ganze auf hellgrauem Hintergrund (dem Negativbild der vorigen Anfangsbedingung) ablaufen ließen. In den Strukturen bildeten sich Zentren von Aktivität und Ruhe aus. Teilweise sonderte das Wesen mehrere Schleimklümpchen ab, oder es streckte Fühler aus, die es ruckartig wieder einzog.

Die Turmite läßt sich interpretieren als ein Nervenimpuls, der ein Netz von Neuronen durcheilt und es dabei beeinflußt. Im Zustand "bleib" dreht sie sich auf einer von vier Diagonalen begrenzten Nervenzelle im Kreis; im Zustand "hüpf" wechselt sie auf einem schwarzen Feld zur Nachbarzelle. Schwarze Felder entsprechen also offenen Übergängen zwischen Nervenzellen; und das ganze Netz ist in permanenter Veränderung durch die Turmite selbst. Ja, es machte den Eindruck, als könne es sich an frühere Strukturen erinnern und diese rekonstruieren. Waren nicht sogar die vollständige Auflösung und der Neubeginn so etwas wie das Zurückkehren in einen Urzustand durch Metamorphose?

Zu guter Letzt hatten wir eine der acht Anfangskonstellationen gewählt (Bild 6), die zu einer vergleichsweise großen Struktur wuchs, den Bildschirm aber nicht vollständig ausfüllte. Mehr als 100 Millionen Schritte waren vergangen, doch der Ausgangszustand hatte sich nicht wieder eingestellt. Wird dies überhaupt jemals geschehen? Was hat diese Turmite zu bedeuten, will sie uns vielleicht irgend etwas sagen? In der absoluten Stille hörten wir plötzlich eine Stimme wie aus einer anderen Welt.

I am he

as you are he

as you are me

and we are all together

See how they run

like pigs from a gun

see how they fly. I'm crying.

Sitting on a cornflake –

waiting for the van to come.

Corporation teashirt stupid bloody

Tuesday man you been a naughty boy

you let your face grow long.

I am the eggman

oh, they are the eggman -

Oh I am the walrus.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 1995, Seite 10
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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