Chronobiologie: Aus dem Takt gekommen
Zwischen 2015 und 2018 ließen sich in einem Labor am Brigham and Women’s Hospital in Boston 23 Männer und Frauen auf ein Schlafexperiment ein. In der einen Phase hielten sie sich an den typischen Schlaf-wach-Zeitplan, in der anderen kehrte man diesen um, was die Bedingungen von Nachtschichten simulieren sollte. »Epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass Nachtschichtarbeiter ein um 25 bis 40 Prozent höheres Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände tragen«, sagt Sarah Chellappa, die die Studie leitete und inzwischen als Neurowissenschaftlerin an der Universität zu Köln tätig ist. Mit der Untersuchung wollte ihr Forschungsteam herausfinden, warum das so ist.
Die Versuchspersonen füllten mehrmals am Tag einen Fragebogen zu ihrer Stimmung aus. Ergebnis: Nach der Änderung des Zeitplans sank diese signifikant und verbesserte sich auch in den folgenden vier Tagen nicht mehr. Ein Grund für die erhöhte Depressionsrate bei Schichtarbeitern könnte also sein, dass durch den umgekehrten Schlaf-wach-Wechsel ihre »innere Uhr« aus dem Takt gerät. In manchen Industrieländern arbeitet jeder Fünfte im Schichtdienst. Unter den Studienteilnehmern betraf dies neun Personen: Auch bei ihnen verschlechterte sich das seelische Wohlbefinden, sobald der Zeitplan wechselte. Ein verschobener zirkadianer Rhythmus scheint demnach selbst langjährige Schichtarbeiter noch zu beeinträchtigen. »Es handelt sich nicht um eine akademische Frage«, betont Frank Scheer, Chronobiologe an der Harvard Medical School in Boston, der an Chellappas Studie mitwirkte: »Das betrifft eine der meistgefährdeten Gruppen von Arbeitstätigen.« …
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