Kernphysik: Das Proton-Paradoxon
Das Proton müsste eigentlich längst perfekt verstanden sein: Es ist einer der Hauptbestandteile aller Materie, die uns umgibt, der Brennstoff der Sterne im Universum und der Kern des Wasserstoffatoms, des am besten untersuchten Atoms überhaupt. Untersuchungen des Protons und des Wasserstoffatoms lösten zudem vor über 100 Jahren die quantenphysikalische Revolution aus. Das Teilchen wurde in zahllosen Experimenten genauestens vermessen, und auch am Large Hadron Collider (LHC) des europäischen Teilchenforschungszentrums CERN bei Genf sind es Protonen, die wir bei höchsten Energien miteinander kollidieren lassen, um neue Teilchen wie das Higgs-Boson entstehen zu lassen.
Kann das Proton also keine großen Überraschungen mehr für uns bereit halten? Weit gefehlt. Zusammen mit anderen Physikern haben wir beide in den letzten Jahren die bislang präzisesten Messungen des Radius dieses Partikels vorgenommen. Anfangs erwarteten wir, durch die 20-fach höhere Genauigkeit dem lange bekannten Wert des Protonenradius lediglich die ein oder andere Nachkommastelle hinzuzufügen. Das war ein Irrtum. Vielmehr lieferten unsere beiden Experimente, bei denen unterschiedliche Messverfahren zum Einsatz kamen, zwei Werte, die deutlich voneinander abweichen: nämlich um mehr als das Fünffache der so genannten kombinierten Messunsicherheit. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies nur ein Zufall ist, beträgt weniger als eins in einer Million.
So viel steht fest: Irgendetwas ist da faul. Entweder begreifen wir das Proton nicht so gut, wie wir dachten, oder wir verstehen die fundamentale Physik nicht, auf der unsere Experimente beruhen. Es ist, als hätten wir uns in eine neue Welt vorgewagt und wären auf unbekannte, völlig unerklärliche Phänomene gestoßen. ...
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