Schlichting!: Der grüne Blitz
In seinem Liebesroman "Der grüne Strahl", aus dem diese Zeilen stammen, verschaffte Jules Verne (1828 – 1905) einem bis dahin weithin unbekannten Naturphänomen erstmals einige Geltung. Doch selbst heute kennen es nur wenige. Der grüne Blitz, wie es auch manchmal genannt wird, tritt selten auf und ist schwierig zu beobachten. Eine Variante des Phänomens ist indessen leichter zugänglich: In meinem Wohnzimmer zeigen sich an manchen Sonnentagen Lichteffekte an der Wand, die mit dem Original verwandt erscheinen. Hervorgebracht werden sie durch ein im Fenster hängendes kleines Mobile in Form eines einzelnen Glasplättchens, das sich zu seinen Rändern hin keilförmig verjüngt. Dort, wo es dünner wird, bricht es das Sonnenlicht wie ein Prisma und spaltet es in seine Spektralfarben auf. Steigt nun die Sonne, sinkt ihr Bild von der hellen Tapete herab und trifft auf einen dunklen Tisch, auf dem nacheinander die Farben des Spektrums verschwinden, erst Rot und Gelb, dann Grün und ganz zum Schluss Blau.
Doch können wir diesen "Untergang" des Sonnenbilds wirklich als Modell für den grünen Strahl ansehen? Zum einen hängt im Himmel kein gläsernes Mobile, zum anderen suchen wir nach einem grünen und nicht nach einem blauen Abschiedsgruß der Sonne. Der erste Einwurf ist schnell widerlegt, denn natürlich bricht auch Luft das Licht. Die Atmosphäre, die vom luftleeren Weltraum zur Erdoberfläche hin immer dichter wird, wirkt wie ein Prisma mit kontinuierlich zunehmendem Brechungsindex. Sinkt die Sonne um ein bestimmtes Maß, verlängert sich der Weg, den ihr Licht durch die Atmosphäre nimmt, überproportional; entsprechend stärker wird es gebrochen. Und je ausgeprägter die Brechung, desto stärker wird das Licht aufgespalten und desto größer sind unsere Chancen, im weißlich gelben Sonnenspektrum einzelne Farben zu entdecken. ...
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