Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Familie: Die sensiblen Jahre

Wer in einem Kinderheim aufwächst, startet mit vielen Nachteilen ins Leben. Diesen Verdacht belegt jetzt eine Forschergruppe um den Neurowissenschaftler Charles A. Nelson von der Harvard Medical School. Ihr einzigartiges Feldexperiment in Rumänien zeigt: Je früher Heimkinder in Pflegefamilien vermittelt werden, desto größer die Chance, kognitive und emotionale Rückstände aufzuholen.
Ideologieopfer
Wenn ein Kind seine ersten Lebensjahre in einem Heim verbringt, steigt sein Risiko für zahlreiche Entwicklungsstörungen. Das ist seit Langem bekannt – nicht aber die Ursachen. Eine Fülle von Forschungsarbeiten mit Tieren deutet darauf hin, dass ein Mangel an Fürsorge und altersgerechten Erfahrungen die entscheidende Rolle spielt. Der Primatenforscher Harry Harlow (1905-1981) von der University of Wisconsin in Madison wies schon in den 1950er Jahren nach, dass Affenbabys langfristige Folgeschäden erleiden, wenn sie vom Muttertier getrennt aufwachsen. Vor allem ihre emotionale und soziale Entwicklung hängt von intensiven Kontakten in den ersten Lebensjahren ab.
Auch beim Menschen gelten frühkindliche Erfahrungen als Motor für die weitere Entwicklung. Entscheidend ist dabei nicht nur die Art dieser Prägung, sondern auch, in welchem Alter sie sich vollzieht. Ein Beispiel: Die Fähigkeit, die Welt dreidimensional zu sehen, stellt sich dann ein, wenn das Kind ein Objekt mit beiden Augen fixieren kann. Schielt es oder lässt sich ein Auge nicht in Abstimmung mit dem anderen bewegen, bleibt das räumliche Sehvermögen unterentwickelt. Das lässt sich nur verhindern, indem die Sehschwäche rechtzeitig, also in den ersten Lebensjahren behoben wird.
Inzwischen wissen Forscher sehr viel über die neurobiologischen Mechanismen, die solchen sensiblen Phasen zu Grunde liegen. In der Regel besitzen Neugeborene deutlich mehr Synapsen – also Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen – als Erwachsene. Nicht ausreichend genutzte Verbindungen verkümmern mit der Zeit. Das Gehirn passt sich so an das kindliche Erfahrungsspektrum an.
Deshalb kann Reizentzug, auch sensorische Deprivation genannt, bei Säuglingen und Kleinkindern langfristige Schäden verursachen ...

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Mücken lieben mich!

Wer hat die meisten Mückenstiche? Jedes Jahr aufs Neue stellen wir fest: Mücken scheinen Vorlieben zu haben und suchen sich ihre menschlichen Opfer gezielt aus. Wir fragen uns in der aktuellen »Woche«: Gibt es tatsächlich ein Muster? Und kann man etwas dagegen tun, der oder die Auserwählte zu sein?

Spektrum - Die Woche – Der Mensch, eine mit Kalorien gefütterte Maschine

Die Kalorie wurde erst im 19. Jahrhundert zur Energieeinheit für Lebensmittel. Forscher sahen den Menschen als biologischen Motor, der sich durch Ernährung optimieren und kontrollieren ließe. Außerdem in der aktuellen »Woche«: Single und glücklich - viele Menschen leben allein und sind zufrieden.

Spektrum Kompakt – Abenteuer Familie

Miteinander leben und gemeinsam aufwachsen: Der Familienalltag bedeutet ein intimes Miteinander, das in guter Erinnerung bleiben will. Denn das Netzwerk aus Eltern und Geschwistern flicht Verbindungen solcher Art, die auch Jahre später noch prägend sein werden - ob positiv oder negativ.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen
Marshall, P. J. et al.:Effects of Early Intervention on EEG Power and Coherence in Previously Institutionalized Children in Romania. In: Development and Psychopathology 20, S. 861–880, 2008.

Nelson, C. A.:A Neurobiolo­gical Perspective on Early Human Deprivation. In: Child Development Perspectives 1, S. 13–18, 2007.

Nelson, C. A. et al.:Cognitive Recovery in Socially Deprived Young Children: The Bucharest Early Intervention Project. In: Science 318(5858), S. 1937–1940, 2007.

Smyke, A. T. et al.: Placement in Foster Care Enhances Quality of Attachment Among Young Institutionalized Children. In: Child Development (im Druck).

Zeanah, C. H. et al.:Institu­tional Rearing and Psychiatric Disorders in Romanian Preschool Children. In: American Journal of Psychiatry 166(7), S. 777–785, 2009.
Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.