Quantenphysik: Exotische Materie aus Licht
In etlichen ganz alltäglichen Materialien stecken faszinierende physikalische Eigenschaften. Das beginnt bereits in der Küche und reicht dort von den Edelstahlflächen bis zum Quarz in steinernen Arbeitsplatten. Bei solchen Stoffen handelt es sich nämlich um Kristalle, das heißt, sie bestehen auf mikroskopischer Ebene aus sich wiederholenden Mustern regelmäßig angeordneter Atome. Durch so ein »Gitter« bewegen sich Elektronen, und die Art und Weise, wie die Ladungsträger dabei von Atom zu Atom hüpfen, legt viele der beobachtbaren Eigenschaften des Festkörpers fest. Metallische Oberflächen zum Beispiel glänzen, weil dort zahllose freie Elektronen Licht absorbieren und wieder abgeben können.
In einigen Kristallen ruft das Verhalten der Elektronen noch weitaus exotischere Erscheinungen hervor. Graphen beispielsweise ist ein zweidimensionaler Kristall aus Kohlenstoffatomen, die in einem hexagonalen Gitter angeordnet sind. Wenn sich Elektronen hier hindurchbewegen, spielen besondere Quanteneffekte eine Rolle. So durchqueren die Teilchen Energiebarrieren, die sie laut klassischer Physik eigentlich nicht überwinden können (ein Tunneln genanntes Phänomen), oder sie verhalten sich plötzlich wie Lichtteilchen. Übereinander geschobene Graphenschichten, die geringfügig gegeneinander verdreht sind, leiten elektrischen Strom sogar ohne Widerstand. Wegen solcher Eigenschaften ist das Material nicht nur aus Sicht der quantenmechanischen Grundlagenforschung interessant, sondern auch potenziell nützlich für verschiedene Anwendungen (siehe »Spektrum« April 2023, S. 66).
Physiker wie ich würden gerne verstehen, was im Inneren von Graphen auf atomarer Ebene vor sich geht. Allerdings ist es mit den heutigen technologischen Möglichkeiten schwierig, die Geschehnisse auf solchen Skalen nachzuvollziehen. Die Elektronen flitzen schlicht zu schnell umher, als dass wir alle interessanten Details erfassen könnten. In unserer Forschungsgruppe verfolgen wir deswegen eine andere Herangehensweise: Wir erschaffen in gewissem Sinn Materie aus Licht. Statt des Atomgitters erzeugen wir mittels überlagerter Lichtwellen ein so genanntes optisches Gitter, das dieselben geometrischen Eigenschaften hat wie das atomare Vorbild. Bei einem Experiment haben mein Team und ich auf diese Weise die wabenförmige Struktur kopiert, die das Gitter der Kohlenstoffatome in Graphen besitzt. In unserem optischen System übernehmen kalte Atome die Rolle der Elektronen im realen Festkörper. Die Atome bewegen sich entlang des Gitters aus hellem und dunklem Licht genauso wie Elektronen zwischen dem Kohlenstoff in Graphen …
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