Psychologie: Kleine Besserwisser
Kinder verfügen schon sehr früh über ein eigenes Urteilsvermögen. Bereits mit etwas über einem Jahr ahmen sie nicht bloß nach, was ihnen die Erwachsenen vormachen, sondern entscheiden selbst über das beste Mittel zum Zweck. Das zeigen Untersuchungen eines Teams um den ungarischen Psychologen György Gergely an einer Gruppe 14 Monate alter Kleinkinder. Vor deren Augen betätigte eine erwachsene Person mit der Stirn einen Lichtschalter, der vor ihr auf dem Tisch lag. In einem Fall legte sie dabei die Hände sichtbar auf den Tisch, im anderen verhüllte sie Oberkörper und Hände mit einem Tuch. Blieben die Hände sichtbar frei, ahmten 69 Prozent der Kleinkinder die Stirntechnik nach – offenbar weil sie einen besonderen Trick dahinter vermuteten. Waren die Hände dagegen nicht zu sehen, taten es nur noch 21 Prozent der Kleinen dem großen Vorbild gleich. Die anderen gingen wohl davon aus, dass der Erwachsene bloß deshalb die Stirn benutzte, weil er seine Hände gerade für etwas anderes brauchte. Da sie selbst aber ihre Händchen frei hatten, setzten sie diese auch ein. Gergely folgert daraus, dass kleine Kinder bereits mit 14 Monaten die Handlungen der Großen hinterfragen und danach bewerten, wie sinnvoll sie ihnen erscheinen. (Nature, Bd. 415, S. 755)
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2002, Seite 46
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben