Mikroskopie: Lasergewitter in der Zelle
Was in lebenden Zellen vorgeht, lässt sich meist nur indirekt durch Messungen erschließen. Ultrakurze Laserblitze sollen die molekularen Mechanismen sichtbar machen.
Wie schützt sich eine Zelle vor Sauerstoffmangel? Wie erwirbt ein Tumor Resistenz gegen Chemotherapeutika? Manches Geheimnis wäre für Molekularbiologen wohl leichter zu entschlüsseln, wenn man die entsprechenden Vorgänge in der Zelle sichtbar machen könnte. Eine Möglichkeit solcher zellulären Mikroskopie: Die vermutlich an den fraglichen Prozessen beteiligten Signalmoleküle oder Zellstrukturen werden mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert. Beleuchtet man das Untersuchungsgebiet dann mit blauem Licht, leuchten die Farbstoffe überall dort, wo sich etwas Interessantes tut.
Diese gängige Technik hat allerdings erhebliche Nachteile: Das energiereiche Licht kann Sauerstoffradikale erzeugen, welche die zu untersuchenden Zellstrukturen und Moleküle angreifen; mitunter werden auch die Farbstoffmoleküle zerstört. Überdies unterscheidet das Verfahren Zellstrukturen nur in der Fläche und das zudem recht grob.
Eine Alternative entwickelte das Team von Helmut Acker am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund. Die Wissenschaftler verwenden ultrakurze Pulse infraroten Laserlichts: Pro Sekunde schießt ein Titan-Saphir-Laser 76 Millionen Blitze in die Zelle. Im zeitlichen Mittel ist die eingestrahlte Energie viel zu schwach, um Schäden anzurichten, die Pulse aber sind so energiereich, dass sie zumindest im Fokus des Objektivs Fluoreszenz anregen können. Dieses leuchtende Volumen ist nur 0,1 bis 0,01 billiardstel Liter groß, sodass eine einzelne Zelle mit bis zu 100000 Punkten in allen drei Raumkoordinaten abgetastet werden kann.
Ein Problem war allerdings, dass die Optik eines Mikroskops das Bild etwas verzerrt. Deshalb kalibrierten die Wissenschaftler ihr System anhand winzi-ger fluoreszierender Kunststoffkügelchen mit bekannten Abmessungen. Sie vermaßen die Verzeichnung des Bildes und nutzten diese Daten anschließend, um die Abbildungen biologischer Strukturen zu korrigieren.
Dieses räumlich arbeitende Laserscan-Mikroskop erreicht eine Auflösung von etwa 0,2 Mikrometern (tausendstel Millimeter). Damit beobachteten die Forscher bereits eine wichtige Instanz der Eiweißsynthese in der Zelle, das endoplasmatische Reticulum. Als physiologische Reaktion auf Sauerstoffmangel produzierte es weniger Sauerstoffradi-kale. Als Folge davon wurden mehr Signalmoleküle gebildet, die im Zellkern schützende Gene aktivieren. Dazu bildete das endoplas-matische Reticulum porenförmige Öffnungen um den Zellkern herum, die vermutlich den Eintritt der Signalmoleküle erleichtern. Solche Einsichten könnten helfen, gezieltere Medikamente gegen Tumoren zu entwickeln, da sich Krebszellen der gleichen Mechanismen bedienen, um sich gegen Chemotherapeutika zu wehren.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 2002, Seite 86
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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