Evolution: Männchen oder Weibchen?
Die Regeln, nach denen sich entscheidet, ob ein Nachkomme Männchen und Weibchen wird, variieren zwischen Wirbeltieren offenbar noch stärker als bislang angenommen. Die Streifenköpfige Bartagame – Pogona vitticeps – nutzt dafür gleichzeitig zwei völlig verschiedene Mechanismen, die eigentlich nicht zusammenzupassen scheinen. Das entdeckte eine Forschergruppe um Clare E. Holleley von der University of Canberra. In ihren langjährigen Feld- und Laborstudien zeigte sich, dass dieses Eier legende Reptil aus dem Innern Australiens zwar zwei verschiedene Geschlechtschromosomen besitzt, sich daran während der Reifung im Ei aber nur bedingt orientiert. Denn manchmal gibt trotzdem, wie bei einer Reihe anderer Reptilien, die Außentemperatur den Ausschlag dafür, welches Geschlecht das Tier im Ei entwickelt – allerdings nur bei den Weibchen.
Bis vor 50 Jahren galt als Lehrmeinung, dass im Lauf der Evolution der Wirbeltiere der genetische Einfluss auf die Geschlechtsausprägung wuchs. Zuerst war diese demnach stark von äußeren Faktoren wie der relativen Körpergröße oder der Umgebungstemperatur abhängig. Solche Phänomene finden sich etwa bei Fischen. Erst mit der Zeit hätten sich zwei verschiedene für das Geschlecht maßgebliche Chromosomen herausgebildet, von denen eines zudem schrumpfte und dabei vorwiegend geschlechtsbestimmende Merkmale behielt. Bei Vögeln besitzen die Weibchen zwei ungleiche Chromosomen, bei den Säugetieren die Männchen. Nach jener alten Auffassung wurden die beiden Geschlechtschromosomen im Zuge der "Höherentwicklung" bei den jüngeren Wirbeltierklassen immer bestimmender und wichtiger: Während die Fische noch recht flexible, eher umweltbedingte Mechanismen anwandten, verlegten sich die Säugetiere und die Vögel auf ziemlich starre genetische Regelungen. Und die Reptilien passten angeblich irgendwo dazwischen. ...
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