Moderne Fertigung von Nickel-Metallhydrid-Zellen
Taschenlampen und Taschenrechner, Walkman und Diktiergerät, Photo- und Videokamera beziehen elektrische Energie zumeist noch immer aus einem Wegwerfprodukt: Solche Primärbatterien, größtenteils auf Zink-Manganoxid-Basis, müssen nach dem einmaligen Entladen entsorgt werden. Innovationen wie Camcorder, Handy und tragbarer Computer aber erfordern nicht nur leistungsfähige, leichte und kleine, sondern auch wiederaufladbare Stromquellen; sie haben deshalb in den letzten Jahren den Bedarf an Sekundärbatterien drastisch wachsen lassen.
Seit bald einem Jahrhundert fertigt man Akkumulatoren mit positiven Elektroden auf Nickel- beziehungsweise negativen auf Cadmiumbasis, mittlerweile etwa eine Milliarde pro Jahr. Dementsprechend sind diese Produkte ausgereift und weit verbreitet. Die ersten Laptops waren indes auch wegen dieser Zellen recht schwer, und das Nachladen ist nicht unproblematisch.
Beim Laden nimmt die Cadmiumhydroxid-Elektrode Elektronen auf und wird zu metallischem Cadmium reduziert, während das zweiwertige Nickelhydroxid ein Elektron abgibt und da- bei zum dreiwertigen Nickeloxyhydroxid oxidiert. Beim Entladen verlaufen die Prozesse in umgekehrter Richtung, so daß sich eine Spannung von 1,2 Volt abgreifen läßt.
Wird jedoch nur unvollständig entladen, bildet sich Cadmiumhydroxid auf einem Rest des reinen Metalls. Beim neuerlichen Laden verbleibt eine Oxid-Grenzschicht, die nun diesen Cadmium-Rest abschirmt – er vermag keine elektrische Energie mehr zu speichern. Es dauert einige Ladezyklen, bis die Grenzschicht wieder aufgelöst und der sogenannte Memory-Effekt behoben ist.
Ökologisch sind diese Batterien sogar höchst bedenklich – Cadmium ist ein giftiges Schwermetall; es sollte nicht in einem Massenprodukt verwendet werden, dessen sichere Deponie oder dessen Recycling nach Gebrauch derzeit nicht zu gewährleisten ist. Als Alternative mit obendrein höherer Kapazität pro Masseneinheit, längerer Gebrauchsdauer und einfacherer Handhabung bot sich die Nickel-Metallhydrid-Stromquelle an.
Darin ist Cadmium durch eine Legierung ersetzt, die aus Nickel und entweder einem Seltenerd-Metall beziehungsweise einer Seltenerd-Legierung oder Übergangsmetallen wie Titan, Zirkonium oder Vanadium besteht. Beim Laden der Zelle zersetzt sich der Elektrolyt Wasser in Hydroxid-Ionen und Wasserstoff, der in das Kristallgitter der Metall-Legierung wandert und das Hydrid bildet. Die Entladespannung beträgt ebenfalls 1,2 Volt, so daß die beiden Systeme austauschbar sind. Doch ist die Kapazität der Nickel-Metallhydrid-Batterie etwa doppelt so hoch wie die der Nickel-Cadmium-Batterie, und ein Memory-Effekt kann zudem nicht mehr auftreten. Das erleichtert auch den Gebrauch: Weil Nachladen jederzeit möglich ist, läßt sich durch Überwachen des aktuellen Ladezustands und gezieltes Nachladen die Akku-Leistung optimieren.
Neue Produktionsprozesse
Nickel-Elektroden für Nickel-Cadmium-Zellen stellt man herkömmlich in einem Prozeß her, der nach heutigen Maßstäben langwierig, kostenintensiv und ökologisch bedenklich ist. Dabei wird zunächst feines Nickelpulver auf eine Nickelfolie aufgebracht und beides bei etwa 800 Grad Celsius zu einem porösen, rund ein Millimeter dicken Rohling gesintert. Den taucht man in eine Nickelnitrat-Lösung und anschließend in Natriumlauge. Das aufgesogene Nitrat setzt sich damit zu Nickelhydroxid um. Es ist selbst nicht leitend, lagert sich aber so auf der Folie ab, daß ein elektrischer Kontakt entsteht.
Schließlich wäscht man die Nebenprodukte aus, wobei auch ein Teil der erzeugten aktiven Masse verlorengeht. Der Vorgang ist zu wiederholen, bis sich genug Hydroxid in den Poren angesammelt hat. Es entsteht recht viel Abwasser, aus dem man einen Teil des Schwermetalls Nickel wiederzugewinnen sucht.
Zwar ließen sich so auch die Elektroden für Metallhydrid-Zellen produzieren, doch geht man in den letzten Jahren mehr und mehr zu einem Verfahren über, das die genannten Nachteile vermeidet und zudem eine leistungsfähigere Elektroden-Struktur ergibt. Dazu vernickelt man zunächst chemisch die Poren eines Polyurethanschaums, macht ihn somit leitfähig und kann dann galvanisch eine dünne Nickelschicht aufziehen. Bei 600 Grad Celsius verbrennt der Kunststoff, und es bleibt ein etwa ein Millimeter dicker Nickelschaum zurück, dessen Volumen zu 95 Prozent aus etwa 100 bis 200 Mikrometer (tausendstel Millimeter) großen offenen Poren besteht; beim traditionell gesinterten Werkstoff hingegen sind sie nur wenige Mikrometer groß.
Der großporige Nickelschwamm vermag nun eine dickflüssige Masse von Nickelhydroxid aufzusaugen, das man separat in Form kugelförmiger Partikel von etwa zehn Mikrometern Durchmesser herstellt. Der gefüllte Schaum wird anschließend getrocknet und gepreßt. Die resultierende Elektrode enthält das aktive Material sehr dicht gepackt und vermag deshalb mehr Energie bei gleicher Baugröße zu speichern.
Die Nickelhydroxid-Paste kann man wiederum herstellen, indem man Salze des Metalls mit Alkalilauge umsetzt, wobei außerdem ein Katalysator das Kristallwachstum behindert und so die Partikel fein hält. Wie schon bei der traditionellen Fertigung fallen dabei aber große Mengen von Abfallstoffen an, die mit dem Abwasser zu entsorgen sind.
Unser Unternehmen entwickelte eine Alternative, bei der zunächst metallisches Nickel elektrochemisch in Wasser gelöst wird, wobei das Nickelhydroxid und Wasserstoff entstehen; in einem zweiten Schritt gewinnt man die gewünschten Kügelchen. Bei diesem Prozeß entstehen keinerlei Abfallstoffe.
Somit lassen sich sehr leistungsstarke Nickel-Metallhydrid-Batterien umweltfreundlich fertigen. Die elektrochemische Methode kann man zudem mit vergleichsweise geringem Aufwand in einem kontinuierlichen Prozeß anwenden, der gleichbleibende Qualität des Produkts gewährleistet.
Damit eine Batterie ge- und entladen werden kann, muß die aktive Masse eine gewisse elektrische Leitfähigkeit aufweisen. Nickelhydroxid selbst ist, wie schon angemerkt, kein Leiter; doch lassen sich die Partikel einfach mit Cobaltoxyhydroxid beschichten: Man gibt der Paste Cobaltverbindungen bei, die sich während des ersten Ladezyklus lösen und durch Diffusion gleichmäßig in der Elektrodenmasse verteilen. Während der weiteren Aufladung wird das Cobalt zu einer unlöslichen Form oxidiert, die sich auf der Oberfläche der winzigen Nickelhydroxid-Kügelchen niederschlägt und ein elektrisch leitfähiges Netzwerk bildet.
Nickel-Metallhydrid-Batterien dieser Bauart sind mittlerweile als wiederaufladbare mobile Stromquellen im oberen Preissegment zum Beispiel für Mobiltelephone und tragbare Computer in Gebrauch. Derzeit arbeitet man daran, durch Dotieren die Kristallstruktur der Nickelhydroxid-Elektrode so zu verändern, daß jedes Metallatom zwei Elektronen statt eines speichern kann, womit sich die Kapazität verdoppelt: Statt das zweiwertige Nickelhydroxid in ein dreiwertiges Nickeloxyhydroxid zu überführen, ließe sich nämlich theoretisch auch das Hydroxid reversibel in ein vierwertiges Nickeloxid umwandeln. Allerdings würde dabei die Elektrode um die Hälfte ihres Volumens aufquellen und die Batterie zerstören. Der Trick ist nun, die Kristallstruktur von vornherein so zu verändern, daß die Abstände der Gitterebenen denen im gequollenen Zustand entsprechen, und durch Dotieren etwa mit anderen Metallen oder Phosphat-Ionen diesen Zustand zu stabilisieren. Im Labor waren so vielversprechende Ergebnisse zu erzielen. Bis zum marktfähigen Produkt wird es zwar noch einige Jahre dauern; dann aber dürfte eine solche Stromquelle auch für Elektromobile interessant sein.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 1996, Seite 101
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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