Ägypten: Fürsorge bis ins Jenseits
Der deutsche Ägyptologe Adolf Erman veröffentlichte 1901 die »Zaubersprüche für Mutter und Kind«, eine erste Übersetzung des 1843 für das Ägyptische Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin erworbenen Schriftstücks »pBerlin 3027«, welches der 18. Dynastie (1550 –1292 v. Chr.) des Neuen Reichs zugeordnet wird. Auf sechs aneinandergeklebten Papyrusblättern, jedes etwa 40 Zentimeter lang und gut 16 Zentimeter breit, identifizierte Erman 18 Zaubersprüche wie den zitierten (Spruch A; hier eine Neubearbeitung durch die Ägyptologin Naoko Yamazaki an der Universität Bonn) sowie drei Arzneirezepte. Sie sollten Kinder etwa von »Neschu« heilen – möglicherweise eine Blasen bildende Hautkrankheit –, gaben Hilfe bei der Geburt, bei Säuglingskrankheiten und angeblichen Nachtdämonen, welche die Kinder heimsuchten.
Den besonderen Wert des Buchs erkannte Erman in dem so gewonnenen Einblick in den Alltag am Nil, denn »es führt uns in einen besonderen Winkel des ägyptischen Lebens ein: in die Wochen- und Kinderstube«. Heutzutage wissen wir zumindest für die Angehörigen der Oberschicht recht gut, wie erwachsene Ägypter ihr Leben gestalteten und welchen Platz sie in der Gesellschaft einnahmen. Auch über den Alltag der Arbeiter und Bauern liefern archäologische Grabungen und die Analyse von Verwaltungsdokumenten immer mehr Informationen. Doch wie sahen die Ägypter ihre Kinder? Wie verlief deren Leben? Wir wissen zwar, zumindest für das spätantike Ägypten (3.–7. Jahrhundert), dass junge Männer ab 14 Jahren Land besitzen durften und dass – aus heutiger Sicht – Teenager heirateten, über die frühe Kindheit dagegen ist kaum etwas bekannt. Bis heute gehört »pBerlin 3027« tatsächlich zu den wenigen schriftlichen Überlieferungen, die das leibliche Wohlergehen von Mutter und Kind thematisieren ...
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