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Ökologischer Landbau und EU-Agrarpolitik



Die Europäische Union (EU) fördert die ökologische Landwirtschaft. Wer dies vor 15 Jahren prophezeite, galt als Spinner. Noch in den siebziger Jahren wurden Landwirte belächelt, wenn sie auf Pestizide verzichteten. Doch mittlerweile haben sich die Ökobauern einen eigenen Markt erobert. Jetzt überprüfen Experten, wie die EU den ökologischen Landbau effizienter fördern kann.

Um ihre Äcker nicht zu belasten, verzichten Ökobauern auf chemische Pflanzenschutzmittel. Während konventionelle Landwirte ihre Erträge mit leichtlöslichem Dünger sichern, setzen die Ökobauern auf vielfältige Fruchtfolgen, die dem Boden die natürliche Fruchtbarkeit erhalten. Der Zukauf von Futtermitteln wird stark eingeschränkt. In ihren Ställen stehen nur so viele Kühe, wie Futter auf den Weiden und Äckern der Betriebe produziert werden kann. Industrielle Legebatterien bei Hennen sind passé. Das garantiert die artgerechte Haltung der Tiere und schützt die Umwelt vor Überdüngung. Die Rücksicht auf die Umwelt führt aber zwangsläufig zu geringeren Erträgen. Landwirte, die Pestizide spritzen und ihre Rinder mit importierten Futtermitteln ernähren, produzieren in der Masse billiger. Dieser Unterschied läßt sich zur Zeit nur dadurch ausgleichen, daß die Konsumenten für Ökoprodukte höhere Preise akzeptieren.

Doch auch der Staat kann den aktiven Umweltschutz der Ökolandwirte fördern. So wurden Mitte der achtziger Jahre die dänischen Konsumenten zur treibenden Kraft, als es darum ging, den ökologischen Landbau im Lande staatlich zu fördern. Deutschland führte einige Jahre nach den Dänen ein Förderprogramm ein, um die landwirtschaftliche Überproduktion um ein Fünftel zu senken. Zu Beginn der neunziger Jahre geriet die gesamte EU-Agrarpolitik unter Reformdruck. In der Öffentlichkeit erschienen immer öfter kritische Berichte über die schädlichen Umwelteffekte der konventionellen Landwirtschaft, die zudem riesige Überschüsse anhäufte.

1992 legte die EU die sogenannte McSharry-Reform auf. Preissenkungen für landwirtschaftliche Produkte und direkte Beihilfen für die Betriebe sollten die Butterberge schmelzen lassen. Wesentlicher Teil dieser Reform waren die Agrarumweltprogramme. Damit wurden umweltschonende Konzepte der Landwirtschaft gefördert. Bis heute sind sie die wichtigste Basis für die Förderung des ökologischen Landbaus innerhalb der Staatengemeinschaft.

Die EU-Verordnung Nummer 2092 aus dem Jahre 1991 regelt genau, wann ein Landwirt seine Produkte unter der Bezeichnung "aus ökologischem Anbau" verkaufen darf. Allerdings gilt diese Richtlinie bislang nicht für die Tierhaltung. Trotzdem trug dieser einheitliche Standard dazu bei, den Handel mit Ökoprodukten zu erleichtern. Konventionelle Ware als Pseudo-Bioware zu verkaufen, wurde unmöglich gemacht. Seit dieser Verordnung haben sich die Mitgliedsstaaten der EU nicht mehr nur auf direkte Subventionen für ökologische Landwirtschaftsbetriebe beschränkt. Während der letzten 15 Jahre nahm der politische Einfluß auf den ökologischen Landbau stetig zu. Vor allem agrarpolitische Regelungen auf europäischer Ebene haben die Entwicklung entscheidend geprägt.

Doch die gemeinsamen Regelungen wirkten sich in den einzelnen Ländern der EU sehr unterschiedlich aus. So bewirtschaften die Bauern in Griechenland und Portugal nur 0,2 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch. In Österreich, dem europäischen Spitzenreiter, sind es 9 Prozent. In Dänemark hat sich die ökologisch bewirtschaftete Fläche zwischen 1994 und 1996 mehr als verdoppelt und beträgt nun 1,7 Prozent. In Deutschland stagnierte dieser Wert im gleichen Zeitraum bei rund 2,7 Prozent, obwohl das Land eine viel längere Tradition in der Ökolandwirtschaft hat. Von diesen groben Zahlen abgesehen, gibt es ein riesiges Informationsdefizit über den tatsächlichen Zustand des ökologischen Landbaus in Europa. Es mangelt an verläßlichen Statistiken sowie am Verständnis dafür, wie sich bestimmte Förderungsmaßnahmen auf den ökologischen Landbau auswirken.

An dieser Stelle setzt das im März 1997 gestartete Forschungsprojekt "Ökologischer Landbau und EU-Agrarpolitik" an. Die beteiligten Experten wollen Daten und Informationen zur Situation des ökologischen Landbaus in den verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU sammeln, strukturieren und analysieren. Die Untersuchungen münden schließlich in Empfehlungen, wie sich der ökologische Landbau effizienter fördern läßt. Die Forschungsarbeiten erfolgen in allen EU-Staaten sowie für Vergleichszwecke auch in der Tschechischen Republik, in der Schweiz und in Norwegen.

Um trotz der riesigen Datenmenge arbeitsfähig zu bleiben, übernehmen fünf Institute aus Italien, Großbritannien, Dänemark und Deutschland gemeinsam die wissenschaftliche Führung. Die Datenerhebung selbst erfolgt durch dreißig nationale Experten. Etwa neunzig Experten aus 18 europäischen Ländern gaben sowohl schriftlich als auch mündlich Auskunft über die Agrarpolitik ihres Landes, über Marktchancen von Ökoprodukten und die Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt. Alle Daten gehen in Computersimulationen ein, um verschiedene Szenarien für agrarpolitische Entscheidungen durchzuspielen.

Erste Zwischenergebnisse zeigen, daß eine Förderung des ökologischen Landbaus vor allem dann Erfolg verspricht, wenn in sogenannten Aktionsplänen alle Politikmaßnahmen aufeinander abgestimmt und klare Ziele festgelegt wurden. Solche Pläne haben bisher die skandinavischen Länder, Frankreich und die Niederlande verabschiedet. Bis zum Jahr 2000 wollen sie zwischen drei und zehn Prozent ihrer gesamten landwirtschaftlichen Anbaufläche ökologisch nutzen.

Die aus den Untersuchungen abgeleiteten Empfehlungen gehen der EU-Kommission im Abschlußbericht zu. Die Resultate aus den Teilprojekten werden vom kommenden Frühjahr an in der wissenschaftlichen Reihe "Organic Farming in Europe: Economics and Policy" veröffentlicht. Nach dem Projektende im Sommer 2000 werden alle Ergebnisse in einem Buch zusammengefaßt.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1999, Seite 909
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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