Anthropologie: Unsere Vorfahren waren wohl keine Baumbewohner
Bisher gingen viele Wissenschaftler davon aus, die gemeinsamen Vorfahren von Menschen und modernen Menschenaffen hätten lange Finger und kurze Daumen besessen, ähnlich heutigen Schimpansen. Durch den Gebrauch von Werkzeugen hätten sich die Hände unserer Ahnen allmählich zu Gliedmaßen für Präzisionsarbeiten entwickelt, indem der Daumen verglichen mit dem übrigen Fingern länger wurde, was den Pinzettengriff mit ermöglichte beziehungsweise erleichterte. Diese These stellen jetzt Forscher um den Anthropologen Sergio Almécija von der George Washington University (Washington, USA) in Frage.
Das Team untersuchte die Handformen von 270 Primaten einschließlich sämtlicher Hominiden-Arten und verglich sie mit denen von ausgestorbenen Primaten, etwa Ardipithecinen, Australopithecinen, Vertretern der Gattung Proconsul und Neandertalern. Die Wissenschaftler ermittelten jeweils das Verhältnis von Daumen- zu Ringfingerlänge, setzten die Handgröße in Relation zur Körpergröße und versuchten die evolutionäre Differenzierung der Hand in verschiedenen Primatenentwicklungslinien nachzuvollziehen. Sie kommen zum Schluss, die Hand des modernen Menschen ähnle eher denen ursprünglicher Primaten – in ihr seien also viele archaische Merkmale konserviert. Die Hände von Schimpansen und Orang-Utans hingegen stellten eine moderne Anpassung an das Leben in Bäumen dar, da die langen Finger und der kurze Daumen die Fortbewegung im Geäst erleichtern.
Sollte das zutreffen, stimmt das verbreitete Bild unserer Ahnen als Baumbewohner, die sich allmählich an ein Leben auf dem Boden anpassten, wohl nicht. Die baumbewohnende Lebensweise etwa von Schimpansen wäre demnach ein Sonderweg unter den Hominiden, der Veränderungen der Hand nach sich zog.
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