Medizingeschichte: Wie Seuchen die Welt formten
Im Jahr 541 n.Chr. blickte Kaiser Justinian I. auf eine beeindruckende Bilanz. Er hatte erfolgreich gegen die Goten und Vandalen gekämpft und das Oströmische Reich zu einem riesigen Imperium ausgebaut, das sich rund ums Mittelmeer erstreckte. Doch war es ihm nicht vergönnt, seine Siege zu genießen. Denn sein Herrschaftsgebiet wurde erneut angegriffen – dieses Mal von einem Feind, der weder zu fassen noch zu sehen war.
Eine geheimnisvolle Seuche grassierte im Land und in der Hauptstadt Konstantinopel. Die Menschen bekamen hohes Fieber, ihre Achselhöhlen und Leisten schwollen schmerzhaft an, viele fielen ins Delirium. Sogar der Kaiser erkrankte; Gerüchte über seinen angeblichen Tod schürten Panik im Volk. Vom zeitgenössischen Chronisten Prokopius, der in Konstantinopel lebte, ist die Angabe überliefert, an manchen Tagen seien bis zu 10 000 Menschen gestorben. Justinian überstand die Epidemie, aber sein Reich blieb von der Pest gezeichnet. Das Imperium verlor den Einfluss über zahlreiche Gebiete und behielt nur mühsam die Kontrolle über das zurückeroberte Rom.
Wissenschaftler diskutieren bis heute, was die Plage von 541 verursacht hat. Einige tippen auf einen tödlichen Stamm des Pestbakteriums Yersinia pestis, weil die Symptome denen des berüchtigten Schwarzen Tods im Mittelalter glichen, hinter dem der gleiche Erreger stand. Andere argumentieren, das Oströmische Reich sei von einem Influenzavirus heimgesucht worden ähnlich jenem, das die Spanische Grippe von 1918 auslöste, der 50 bis 100 Millionen Menschen erlagen. Wissenschaftler fragen sich zudem, wo die Epidemie begann. Viele vermuten, dass sie aus Ägypten kam, weil laut historischen Berichten dort kurz zuvor eine ähnliche Seuche gewütet hatte …
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